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- Thüringer Allgemeine - Gotha vom 20.10.2023 Seite 2 / Thüringen
- Varieté der Dissidenten
- Ein schillerndes Bündnis aus verschiedenen Kleinparteien und Vereinen will Thüringen mitregieren - im Zweifel auch mithilfe der AfD
- Martin Debes
- Erfurt Ende Juli dieses Jahres stellte das Thüringer CDU-Mitglied Hans-Georg Maaßen ein Foto von der Erfurter Staatskanzlei ins Internet. Dazu schrieb er: " Wir werden alles dafür tun, dass es im nächsten Jahr in Thüringen eine antisozialistische Politikwende geben wird. Entweder mit oder ohne CDU."
- Das klang reichlich kryptisch. Einer Nachfrage dieser Zeitung, ob er denn gegen seine bisherige Partei in den Thüringer Landtagswahlkampf ziehen wolle, wich Maaßen aus. Stattdessen klagte er über das gegen ihn laufende Parteiausschlussverfahren und darüber, dass der von ihm geführte Verein " Werteunion " ausgegrenzt werde.
- Nun, an diesem Samstag, könnte es, vielleicht, etwas konkreter werden. Nur ein paar hundert Meter neben der thüringischen Regierungszentrale, in einem Varietétheater, will Maaßen erklären, wie er sich den Politikwechsel vorstellt - und womöglich auch, wie er seine Rolle sieht.
- Eingeladen zu dem " Zukunftskongress" hat das " Bündnis für Thüringen " , das aus den Kleinparteien Bürger für Thüringen (BfTh) und " Die Basis" sowie der " Werteunion" und einem Verein " Freie Wähler Thüringen" besteht. Der Plan ist, dass die BfTh ihre Landtagswahl-Liste für die anderen Beteiligten gezielt öffnet.
- Rechtlich wäre das Konstrukt nur möglich, wenn die Listenkandidaten entweder in die BfTh eintreten oder doch zumindest keiner anderen Partei angehören. Das heißt: Maaßen müsste aus der CDU austreten, um auf die Liste zu gelangen - was bislang als unwahrscheinlich gilt. Er sieht sich offenkundig bloß als eine Art geistiger Mentor.
- Vorbereitet wird das Bündnis seit Monaten. Ursprünglich sollte die Landespartei der Freien Wähler ihre Liste für die anderen öffnen. Im Juli informierte Landeschef Uwe Rückert in einem internen Schreiben die Mitglieder darüber. Allein habe die Landespartei " keine Chance" , die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden, erklärte er. Spitzenkandidatin solle die einzige BfTh-Landtagsabgeordnete Ute Bergner werden.
- Als jedoch diese Zeitung über die Pläne berichtete, legte die Bundespartei unter Hubert Aiwanger ihr Veto ein und drohte mit Ordnungsverfahren. Daraufhin trat der Landeschef zurück.
- Inzwischen firmiert Rückert, der auch am Samstag reden wird, unter " Freie Wähler Thüringen e. V." . Der Verein, sagt er, sei von nur " etwa zehn Personen" gegründet worden, aber es gebe " großen Zulauf" . Eine Kandidatur auf der Liste könne er sich " gut vorstellen" . Klar sei aber weiter, das Bergner für Platz 1 gesetzt sei.
- Auch die Abgeordnete wird am Samstag in Erfurt sprechen. Weitere Redner sind Basis-Landeschef S.-Jarno Bien, der BfTh-Landesvorsitzende Steffen Teichmann und Ralf Ludwig. Der Rechtsanwalt war einer der führenden Initiatoren der Querdenken-Bewegung, die wiederum mit der Basis-Partei und der BfTh kooperierte.
- Die meisten Protagonisten haben politisch viel durchlebt. Maaßen war 2018 nach mehreren Eklats als Präsident des Bundesverfassungsschutzes abgesetzt worden. 2021 scheiterte er mit seiner Bundestagskandidatur in Südthüringen. Anfang 2023 leitete der CDU-Bundesvorstand ein Ausschlussverfahren gegen ihn ein, das in der ersten Instanz in Thüringen scheiterte. Die Unternehmerin Bergner wurde 2019 für die FDP in den Landtag gewählt, bevor sie im Sommer 2021 in die von ihr mitgegründete Partei BfTh wechselte. Eine von ihr gegründete Parlamentsgruppe mit drei vormaligen AfD-Abgeordneten implodierte binnen weniger Monate.
- Der Bundeswehroffizier Rückert war in der CDU, bevor er in die AfD wechselte. Als seine Landtagskandidatur 2019 am Widerstand der Landesspitze scheiterte, trat er aus der Partei aus und übernahm im November 2022 den Landesvorsitz der " Freien Wähler" , den er zuletzt im Streit abgab.
- Die Allianz der Dissidenten wird komplettiert durch Vera Lengsfeld , die von der DDR-Bürgerbewegung zu den Grünen und in den Bundestag gelangte. Später wechselte sie in die Thüringer CDU, von der sie sich aber auch längst entfremdet hat. Wie Maaßen gehört sie zum Verein " Werteunion" .
- Auch Lengsfeld wird im Varietétheater reden. Gleichwohl schließt sie eine Kandidatur aus. " Ich habe mit der Politik abgeschlossen" , sagte sie. " Aber ich werde diesem Prozess beistehen und hoffen, dass er Erfolg hat."
- Dieser Erfolg wäre die Überwindung der 5-Prozent-Hürde am 1. September 2024 und der Einzug in den Landtag. Danach sollen die " Bürger für Thüringen" bestenfalls Teil einer " bürgerlichen Regierung" sein.
- Die Vorschläge für die Liste würden im November beraten, sagt Bergner. Die Wahl finde auf einem Landesparteitag der BfTH im Dezember statt. Und ja, sie wolle sich um die Spitzenkandidatur bewerben.
- Und wie hält es das Bündnis mit der vom Rechtsextremisten Björn Höcke geführten AfD? Eine Koalition wolle man nicht eingehen, heißt es übereinstimmend. " Die AfD ist kein bürgerliches Angebot, die ist eher sozialistisch in Thüringen" , sagt etwa Lengsfeld.
- Alles andere aber, auch das ist Konsens, sei vorstellbar - von einer gemeinsamen Verabschiedung von Gesetzen bis zur Wahl eines Ministerpräsidenten, so wie es im Februar 2020 mit dem Liberalen Thomas Kemmerich geschah. " Wer uns wählt, sollte uns schnurz sein" , sagte Maaßen schon damals.
- Martin Debes
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