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a guest
Nov 24th, 2017
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  1. Studieren in Japan
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  3. Vorbereitung:
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  5. Wenn es euch „nur“ darum geht, die Sprache zu lernen, habt ihr die freie Auswahl, denn so ziemlich jede Uni hat ihr eigenes Sprachprogramm für ausländische Studenten. Hier könnt ihr eher bestimmen, wohin die Reise gehen soll. Habt ihr aber vor, einen Bachelor/Master/Doktor in Japan zu machen, wird’s ein ganz klein wenig komplizierter. Nicht jede Uni bietet den gewünschten Studiengang mit dem gewünschten Abschluss und das auch noch in Englisch an. Klar, die großen Unis in Tokyo, Osaka, Kobe und Kyoto bieten alles an und es ist am gemütlichsten, sich bei einer von diesen zu bewerben.
  6. Nur denken sich das auch andere und ihr werdet beileibe nicht die einzigen Bewerber sein. Die Unis haben für dieses Programme meist nur begrenzt Plätze zur Verfügung und sieben daher erstmal ordentlich mit Prüfungen und „Interviews“ aus. Es schadet also nicht, auch mal nach kleineren, unbekannteren Unis Ausschau zu halten.
  7. Weiter geht’s dann mit der Bewerbung an die Uni. Diese sollte üblicherweise spätestens 5-6 Monate vor Studiumsbeginn an der Uni in Japan eintrudeln. Rechtzeitig Bewerbungsunterlagen beantragen, denn diese müssen ja auch erstmal an euch geschickt und von euch ausgefüllt werden, wofür auch die ein oder andere Woche ins Land gehen kann, denn es werden teilweise medizinische Gutachten gefordert.
  8. Ebenso schadet es auch nicht, sich um Auslandsbafög zu bemühen, mehr als ablehnen können sie nicht, aber meiner Erfahrung nach haben sogar Studenten, die aus welchem Grund auch immer kein Anspruch auf Inlandsbafög haben, trotzdem gute Chancen auf Auslandsbafög. Auch hier rechtzeitig drum kümmern, ab eurer Antragsstellung bis zur ersten Antwort des Amts vergehen schon mal Monate. Es gibt auch einige Stipendien, unter anderem vom japanischen Bildungsministerium, Voraussetzungen für ein solches müsste ich mir nochmal raussuchen.
  9. Auch müsst ihr euch dann noch um so marginale Kleinigkeiten, wie Handyvertrag, Strom, Wasser, Flug, Untervermietung/Kündigung eurer Bude etc., kümmern. Es empfiehlt sich, seinen Wohnsitz zu den Eltern, oder wem auch immer man vertraut, zu legen denn zumindest für Auslandsbafög benötigt man einen Wohnsitz in Deutschland.
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  11. Kosten:
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  13. Obwohl ich mir den billigsten Bumsbomber rausgesucht habe, hat mich der Flug in eine Richtung immer noch knapp über 400€ gekostet, leider kann man ja nicht über ein Jahr im Voraus buchen. Seid ihr schon Studenten, fragt mal bei euren Unis nach, ob es japanische Partnerunis, ein Austauschprogramm mit diesen gibt und was dieses Programm beinhaltet, bestenfalls bleiben euch die Studiengebühren erspart, die kein Pappenstiel sind. Ich war an einer städtischen Uni und die jährlichen Studiengebühren beliefen sich auf etwa 4100€. Was im Bereich der städtischen und staatlichen Unis relativ einheitlich bleibt, bei privaten Unis kann das je nach Studiengang recht zügig eskalieren.
  14. Nach einem Monat bei einer Gastfamilie bin ich ins wirklich günstige Wohnheim umgesiedelt (Miete, Strom, Wasser, Internet hat mich im Hochsommer bei Klimaanlage im Dauerbetrieb nie mehr als ca. 300€ im Monat gekostet). Dafür braucht man aber keinen Luxus erwarten, der Bau ist aus den 70ern, Teppiche und Tapeten haben Flecken, die Möbel sind alt und die Gemeinschaftsküchen muss man sich mit Chinesen teilen,und immer wenn die kochten, hat alles geklebt.
  15. Busfahrten innerhalb von Kobe, egal ob nur eine Station oder alle, hat bloß 1,50€ gekostet. Bahnfahren empfinde ich nicht als besonders günstig und für Japaner und Long-Term-Residents (zu denen werdet ihr als Studenten auch gehören) fällt mir nur ein Ticket ein, welches wirklich eine Ermäßigung darstellt und das auch nur zu bestimmten Zeiten im Jahr und wenn man den ganzen Tag Bahn fährt (Jetzt kommt mir nicht mit JR Rail Pass und so nem Kappes, die sind nur für Touristen). Für einfache Fahrten, sowohl innerhalb von Kobe, wie in die benachbarten Städte habe ich meist irgendwas zwischen 1,10€ und 3,40€ bezahlt. Dafür braucht man nie auf Pläne und Abfahrtszeiten achten, denn selbst sonntags kommt alle paar Minuten ein Zug vorbei, Verspätung ist quasi nicht existent. Außerdem gilt noch: Andere Städte, andere Preise.
  16. Essen ist überraschend günstig, wenn man seine Einkäufe zeitlich plant und sich ein paar japanische Rezepte aneignet. Je näher der Ladenschluss rückt, desto günstiger werden Frischwaren, wobei die magische Grenze bei 50% erreicht zu sein scheint.
  17. Monatlich hat mich der ganze Spaß so etwa 700-800€ (mit einigen Ausreißern nach unten und oben) gekostet, Studiengebühren nicht mit inbegriffen. Alles in allem (Reisen, Tagesausflüge, Essen, Trinken, Leben, Studieren) hat mich dieses Jahr etwa 14.000€ gekostet. Sollte es euch in den Großraum Tokyo ziehen, könnt ihr getrost von höheren Ausgaben ausgehen (Mietpreise da sind echter Krebs), solltet ihr eine „kleinstädterische“ Alternative bevorzugen, könnte das Ganze euch sogar billiger kommen.
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  19. „Qualität“ des Studiums:
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  21. Ich war dort, um das Sprachenprogramm für Ausländer abzuziehen, an dessen Ende der JLPT stand. Daher kann ich vorläufig nur gesicherte Infos über diese Option liefern, hab allerdings schon jemanden gefragt, der „regulär“ in Japan studiert und auch mit dem typischen Studienverlauf eines Japaners kenn ich mich aus, sollte dahingehend noch Interesse bestehen, melden!
  22. Es hat gut angefangen, die von der japanischen Uni haben ihre Hausaufgaben gemacht und unsere Lehrer daheim nach unserem ungefähren Level gefragt und die Einstiegsprüfung individuell angepasst (an dieser Stelle herzlichen Dank an Frau F. aus D. die mich in die Scheiße geritten hat!). Klassen wurden dann anhand der Ergebnisse erstellt, soweit also immer noch gut. Pflichtkurse waren zeitlich fix und die Menge vorgeschrieben.... meh. Dafür konnte ich wenigstens noch zusätzlich aus den „normalen“, für die japanischen Studenten gedachten Seminaren auswählen.
  23. Traurigerweise muss ich sagen, dass ich im alltäglichen Umgang mit Japanern in- und außerhalb der Uni mehr von der Sprache gelernt habe, als während der Pflichtkurse. Der Unterricht war einfallslos und repetitiv, wem immer und immer wieder dasselbe pauken Spaß macht, der hat hier seine wahre Freude. Auf Tests gab es keine Resonanz, egal wie rot die zurückkamen und ich weiß bis heute noch nicht, ob es sowas wie Noten gab. Es kam das Gefühl auf, es gibt nur 0 und 1, bestanden, oder nicht bestanden, wobei man anscheinend wollte, dass wir alle bestehen, denn selbst der seltendämliche Ami, der sein Japanisch aus Animes hatte und alleine im Anfängerkurs saß, ist durchgekommen.
  24. Reguläre Kurse an japanischen Unis können sehr unterschiedlich sein, denn Profs haben hier viel mehr Freiheiten und Modulhandbücher/Studienordnungen scheint es nicht oder nur in sehr dünner Fassung zu geben. Derselbe Kurs kann unter 2 Profs völlig unterschiedlich ausgehen. Dem einen könnte es aus Gemütlichkeit reichen, dass die Leute anwesend sind, um ihre Credits zu bekommen, der nächste fordert permanente Mitarbeit, ständige Vorträge und ne ausgewachsene Hausarbeit am Ende, für läppische 2 Credits. Ist jedem Prof selbst überlassen, was seine Studenten machen müssen.
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  26. Menschen und Mentalität:
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  28. Ein nicht geringer Teil der Japaner geht bei weißen Ausländern erstmal davon aus, dass es sich um Amis handelt und begegnen diesen angemessen mit kalter Höflichkeit. Diesen Missstand sollte man bestimmt, aber höflich, klären, denn als Mitglied der Herrenrasse möchte man auch als solches behandelt werden. Bekommt der japanische Gegenüber nun auf die Kette, dass er einen waschechten Deutschen vor sich hat, geben die meisten ihre Distanziertheit recht schnell auf und entschuldigen sich ab und an sogar. Ja, wir sind dort gut gelitten und ich habe nirgendwo jemals ein Bier ob der Tatsache ausgegeben bekommen, dass ich Deutscher bin, in Japan laufend. Gerade in Kansai (Osaka, Kobe, Kyoto) ist ein offener, lustiger und meist auch recht neugieriger Menschenschlag anzutreffen (zumindest für japanische Verhältnisse) und wenn man alleine in eine Kneipe geht, bleibt man meistens nicht lange allein. Wenn man dazu noch die Sprache ausreichend kann, oder sich zumindest bemüht zeigt, diese zu lernen und hin und wieder das ein oder andere bereits aufgeschnappte Wort Mundart einfließen lässt, kennt die Heiterkeit kein Halten mehr. Hat selten länger als 5-15 Minuten in Osakas Kneipen gebraucht, bis das Eis gebrochen war und die Leute mir gegenüber die höfliche, distanzierte Sprechweise haben fallen lassen.
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  30. Doch Obacht! Wer so überhaupt nicht darauf steht, im Mittelpunkt zu stehen und von anderen als Attraktion betrachtet zu werden, der wird es sich hier schwer tun. Einmal im Supermarkt hat sich ein kleiner Ring um ein schwarzes Ehepaar samt Balg gebildet und einige Japaner hatten, wenn auch höflich, gefragt, ob sie ein Foto machen dürften. Kann mir vorstellen, dass sowas auf Dauer schwer zu verdauen ist. Selbst auf mich, Bartträger, straßenköterblond, blauäugig, durchschnittlich groß, wurde so manches Mal mit nacktem Finger und aufgerissenen Augen gezeigt und getuschelt, ich hab danach immer kurz an mir runter geblickt um festzustellen, was nicht stimmt, aber nichts unnormales feststellen können. Ist schon ein seltsames Gefühl. Dabei sollte man meinen, die wären exotische Anblicke gewohnt, wenn man bedenkt, wie buchstäblich bunt es viele Studenten in ihrer „Freiheit“ während ihrer Zeit an der Uni treiben, wöchentlich die Haarfarbe wechseln und ihr Outfit immer schriller/nuttiger/obskurer, oder alles genannte auf einmal wird.
  31. Sei es ihnen gegönnt, vorher gibt es Schuluniformen und hinterher Normen und Restriktionen am Arbeitsplatz, ihr Aussehen können sie selten bis nie wieder so frei gestalten, wie an der Uni.
  32. Japaner sind überwiegend pünktliche Menschen, mit einer hässlichen Ausnahme (Ja, ich schaue dich an, Okinawa!). Dozenten sind entweder mit dem Läuten der Glocke im Raum, oder sitzen schon da, wenn man selber erst mit dem Läuten im Seminarraum einkehrt. Verspätungen mit der Bahn sind quasi nicht existent, während einem Jahr in Japan hatte ich genau einmal eine Verspätung von 4-5 Minuten, die sich auf den Gleisen noch leicht ausgeweitet hat. Am Ziel durfte ich allerdings mein Geld unter zerknirschten Entschuldigungen und Verbeugungen wieder entgegennehmen, also kein Problem. In Busfahrplänen scheinen Baustellen und Stoßzeiten mit eingerechnet zu sein, denn auch auf diese Angaben kann man sich verlassen.
  33. Disziplinierter als hierzulande geht’s da glücklicherweise auch noch zu. Wo es sich einrichten lässt, werden saubere Schlangen gebildet, niemand drängelt sich vor. Zwei Mal durfte ich beobachten, wie junge Japaner von älteren angewiesen wurden, selten auf den Straßen zu findenden Müll aufzusammeln und in der nächsten Tonne zu entsorgen, was diese auch ohne zu murren taten. In Bahnen, Aufzügen und allgemein in beengten Räumen wird leise oder gar nicht gesprochen, denn man möchte ja tunlichst vermeiden, andere in der Umgebung mit seiner Anwesenheit zu belästigen. Dazu zählen auch „Liebesbekundungen“ von Paaren in der Öffentlichkeit, küssen und Händchen halten könnte ja anderen sauer aufstoßen.
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  35. Hiermit ende ich erstmal, es sollte ein grober und kurzer Überblick zum wichtigsten werden, zu jedem der obigen Punkte kann ich noch mehr ins Detail gehen, falls gewünscht. Davon ab könnt ihr mich auch noch zu anderen Themen fragen, wer weiß, wenn genug zusammenkommt, gibt’s vllt. noch einen zweiten Teil.
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