Zorn zitiert Deleuze/Guattari: Philosophie über alles

Daniel-Pascal Zorn
18 March at 14:38 ·
Die Philosophie und ihre Rivalen - oder: Die Zeit der Zauberlehrlinge

"Wird man nicht [...] allen möglichen Bewerbern begegnen, die sagen: Der wahre Philosoph bin ich, ich bin der Freund der Weisheit oder der Wohlbegründetheit? Die Rivalität kulminiert in der zwischen Philosoph und Sophist [...]. Der Simulant und der Freund: das ist ein regelrecht platonisches Theater [...].

In größerer Nähe zu uns ist die Philosophie vielen neuen Rivalen begegnet. Zunächst waren es die Humanwissenschaften und insbesondere die Soziologie, die sie ersetzen wollten. [...] Dann kam die Epistemologie an die Reihe, die Linguistik oder gar die Psychoanalyse - und die logische Analyse. Von Prüfung zu Prüfung stieß die Philosophie auf immer unverschämtere, immer unheilvollere Rivalen, die selbst Platon sich in seinen komischsten Augenblicken nicht hätte vorstellen können.

Schließlich wurde der Tiefpunkt der Schmach erreicht, als die Informatik, das Marketing, das Design, die Werbung, alle Fachrichtungen der Kommunikation sich des Wortes Begriff, Konzept, selbst bemächtigten und sagten: Das ist unsere Sache [...]! Wir sind die Freunde des Begriffs [...].

Die einzigen Erzeugnisse sind Ausstellungen und die einzigen Begriffe Produkte, die man verkaufen kann. Die allgemeine Bewegung, die die Kritik durch *promotion* ersetzte, hat ihre Wirkung auf die Philosophie nicht verfehlt. [...] Wie könnte die Philosophie, eine betagte Person, gemeinsam mit jungen Managern zu einem Wettlauf um die Universalien der Kommunikation antreten, um die Warenform des Konzepts [...] zu bestimmen? [...]

Je mehr aber die Philosophie mit schamlosen und albernen Rivalen aneinandergerät, desto mehr begegnet sie ihnen in ihrem eigenen Innern, desto mehr fühlt sie sich zur Erfüllung der Aufgabe getrieben, nämlich Begriffe zu schaffen, die eher Meteoriten als Waren sind."

(Deleuze / Guattari: Was ist Philosophie?, Ffm. 2000, S. 15-16)