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Ankunft aus dem Kriegsgebiet.

Sep 11th, 2013
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  1. Sächsische Zeitung online
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  3. Mittwoch, 11.09.2013
  4. Ankunft aus dem Kriegsgebiet. Heute kommen syrische Flüchtlinge nach Deutschland. Darunter ist auch die erste Familie, die in Sachsen Schutz erhält.
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  6. Von Gunnar Saft
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  8. Wenn alles klappt, wird sich für Walid und seine Frau Zahira (Namen geändert) heute nach der Landung in Deutschland eine schwere Flugzeugtür öffnen. Und gemeinsam mit ihren vier Kindern ist das Ehepaar aus Syrien genau dann endgültig dem mörderischen Bürgerkrieg in ihrer Heimat entkommen.
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  10. Walid ist Sunnit und in Aleppo geboren. Eine mittlerweile schwer zerstörte Stadt in Syrien. Dort arbeitete der Familienvater mit Hochschulabschluss vor dem Krieg in der Verwaltung und als Kaufmann. Jetzt ist er Flüchtling und gehört zu den ersten gut einhundert Syrern, die nach einer Auswahl durch das UN-Flüchtlingshilfswerk Unterkunft und ein befristetes Bleiberecht in der Bundesrepublik erhalten haben. Knapp 5.000 ihrer Leidensgenossen sollen ihnen in den kommenden Wochen nach Deutschland folgen.
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  12. Wenn Walid und seine Familie eines der Aufnahmelager im niedersächsischen Friedland und Bramsche – samt erstem Orientierungskurs und medizinischer Versorgung – durchlaufen haben, werden sie im Landkreis Nordsachsen leben. 257 der syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge wird der Freistaat Sachsen aufnehmen. Verteilt werden sie auf alle zehn Landkreise sowie die drei Großstädte Dresden, Leipzig und Chemnitz – das sind jeweils etwa 20 Neuankömmlinge pro Kommune.
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  14. Ungewöhnliche Angebote
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  16. Weil es sich bei den Kriegsflüchtlingen nicht um Asylbewerber handelt, wird deren Aufenthalt in Sachsen auch nach anderen Regeln organisiert. Statt in Heimen werden die syrischen Familien in angemieteten Wohnungen untergebracht, sie erhalten zudem Sozialhilfe und damit auch ein eingeschränktes Arbeitsrecht – alles befristet auf maximal zwei Jahre. In dieser Zeit dürfen sie ihren Wohnsitz nicht ändern, können aber ansonsten überall in Deutschland unterwegs sein. Zuständig für ihre Betreuung ist die jeweilige Sozialbehörde an ihrem Wohnort.
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  18. Aber noch etwas ist in diesem Fall anders. Während auch in Sachsen die steigende Zahl der Asylbewerber sowie die notwendige Einrichtung neuer Heime für Diskussionen sorgen, gibt es gegenüber den syrischen Flüchtlingen im Vorfeld eher ungewöhnliche Reaktionen. Die Staatsregierung bestätigte jetzt gleich mehrere Hilfsangebote von sächsischen Bürgern, die die Flüchtlingsfamilien bei ihrem Aufenthalt im Freistaat unterstützen wollen. In den vergangenen Tagen hätte man entsprechende Briefe und Mails erhalten – unter anderem aus Görlitz. Innenminister Markus Ulbig (CDU) freut sich über die Offerten und hofft, dass möglichst viele syrische Familien davon profitieren werden. „Die Sachsen sind als freundliche Leute bekannt, mir ist wichtig, dass diesen Menschen hier auf vernünftige Weise die Hände gereicht werden.“
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  20. Gefragt seien Alltagshilfen – die Begleitung bei Behördenterminen, Übersetzungen von Schriftstücken oder Schülerbetreuung. Geklappt hatte das schon einmal, als Sachsen vor Jahren Flüchtlinge aus dem Irak aufnahm. Damals wurden in einzelnen Kommunen sogar eigens Runde Tische gegründet, wo viele verschiedene Unterstützer dies alles gemeinsam organisierten. Doch in Sachsens Innenministerium weiß man auch um mögliche Schwierigkeiten nach der Ankunft der geflüchteten Syrer. Bisher gebe es allerdings keine Hinweise auf eine besondere Gefährdungslage für die Syrer – bis eben auf all jene Probleme, auf die jeder Ausländer im Freistaat treffen könne, fügt man schnell hinzu.
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  22. Tatsächlich ist die Gefahr von Intoleranz und Gewalt umso höher, je mehr es ausländerfeindlichen Gruppen gelingt, hier in der Öffentlichkeit Ängste und ein Klima der Vorverurteilung zu schüren. Aktuell nutzen sie dafür vor allem den Umstand, dass die Zahl der Asylbewerber wieder steigt. Im Vorjahr nahm Sachsen 3.500 Asylsuchende auf – eine Zunahme um immerhin ein Viertel. 2013 hält dieser Trend an. Laut Innenministerium kamen allein bis August fast 4000 Asylbewerber in den Freistaat. Darunter viele Tschetschenen, die Russland verlassen wollen. Die Zahl von Antragstellern aus Syrien blieb dagegen gering. Ob die Zunahme von Asylbewerbern Auswirkungen auf die künftige Akzeptanz von Kriegsflüchtlingen wie Walid und Zahira hat? Dazu könne man noch nichts sagen.
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