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Jan 21st, 2020
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  1. Die vergangenen 25 Jahre sind nahezu spurlos an Will Smith, das heisst an seinem Äusseren wie an seiner Art zu schauspielern, vorübergegangen. Der 51-jährige strotzt in «Bad Boys for Life», dem dritten Film der Reihe, noch immer vor Virilität und Jugendlichkeit. Nur Tom Cruise, von dem Smith am Anfang seiner Karriere beraten wurde, hat auf ähnliche Weise den Lauf der Zeit gestoppt, wenngleich Smith kürzlich in der Talkshow von Jimmy Fallon zugab, dass er bei den Stunts, die er wie sein Freund alle selbst übernehmen wollte, gemerkt habe, dass er eben nicht Tom Cruise sei.
  2.  
  3. Mit «Bad Boys» gelang Smith, der durch die Sitcom «Der Prinz von Bel-Air» berühmt wurde, 1995 der Durchbruch als Leinwandstar. An der Seite von Martin Lawrence, dessen Karriere im Anschluss an den Erfolgsfilm deutlich beschaulicher verlief, gab Smith den coolsten Drogenfahnder Miamis – ein Poseur, dem man jedoch die Posen nicht übelnimmt. Selbst wenn er bei einer Verfolgungsjagd mit offenem Hemd in Zeitlupe bei strahlendem Sonnenschein über die Strasse rennt, hat das auch 25 Jahre später nicht einen Hauch von Peinlichkeit. Dafür wirkt Smith stets zu jungenhaft und lässig, hinzu kommen die übertriebenen mimischen und gestischen Ausdrucksmittel aus dem Sitcom-Repertoire, die in «Bad Boys» mit spektakulärer Action kombiniert werden.
  4.  
  5. «Bad Boys» als Buddy-Actionkomödie zu bezeichnen, wäre aber missverständlich, weil der Genrebegriff auf eine gewisse Harmlosigkeit schliessen lässt. Smith als Mike Lowrey und Lawrence als Marcus Burnett kämpfen jedoch gegen Schwerkriminelle. Die Detectives waten durch Blutlachen und schiessen gleichermassen mit Pistolen und Pointen um sich, so dass sich trotz all der Brutalität eine Leichtigkeit einstellt, die den ebenfalls 1995 erschienenen Kriminalfilmen wie Michael Manns «Heat» oder David Finchers «Seven» fehlt.
  6. Für den Regisseur zählt nur der Exzess
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  8. Nicht nur Smith, auch dem Regisseur Michael Bay verhalf «Bad Boys» zu Weltruhm. Wie kein anderer Regisseur hat er das, was kulturkritisch gern als Spassgesellschaft beschrieben wurde, an einen toten Punkt geführt. Moral greift hier nicht mehr, was zählt, ist allein der Exzess. 2003 ging Bay mit «Bad Boyd II» über diesen Punkt noch hinaus. Der Film ist ein Dokument der totalen Verneinung – in moralischer, ästhetischer und erzählerischer Hinsicht.
  9.  
  10. Vielleicht wurde der dritte Teil von «Bad Boys» jetzt nur gedreht, damit wir nachträglich Michael Bay etwas mehr wertschätzen können. Intelligent waren seine Filme nie, aber konsequent. Und so fragwürdig Bays filmische Welten, die allerdings den globalen Kapitalismus mitsamt den Logos, glatten Oberflächen und unwirtlichen Architekturen ziemlich exakt widerspiegeln, und so geschmacklos die meisten der rausgefeuerten Sprüche auch sind, eines kann man Bay nicht absprechen: eine eigene Handschrift.
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  12. Dass Bay einer der erfolgreichsten Werbefilmer der USA war und er in seinen Spielfilmen keinen Unterschied dabei macht, ob es nun gilt, ein Auto oder einen Menschen zu inszenieren, lässt sich zwar einerseits aus einem konsumkritischen Impetus heraus problematisieren, doch andererseits übersteigert Bay den Werbecharakter seiner Filme derart ins Unermessliche, dass die Affirmation des Konsums in Subversion umzuschlagen droht.
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  14. Vielleicht ist Bay, ohne es zu wissen, ein Anhänger des Akzelerationismus, dessen Vertreter davon ausgehen, dass man die kapitalistische Logik nicht bremsen, sondern noch beschleunigen sollte, um das System kollabieren zu lassen. So absurd der Gedanke ist – kennt doch der Kapitalismus kein Tempolimit –, Bay vermittelt zumindest einen Eindruck davon, wie eine akzelerationistische Kunst aussehen könnte. Es ist eine der Desorientierung.
  15. «Bad Boys for Life» lässt die Radikalität der ersten beiden Filme der Reihe vermissen.
  16. «Bad Boys for Life» lässt die Radikalität der ersten beiden Filme der Reihe vermissen.
  17. Sony Pictures
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  19. Dieser mit pathetischen Musikvideos wie zu «I’d Do Anything for Love» von Meat Loaf bekannt gewordene Regisseur will, dass dem Zuschauer Hören und Sehen vergeht. Es sind nicht allein schnelle Schnitte, es sind mehr noch die irritierenden Positionen der Kamera, die sich um logische Anschlüsse schlichtweg nicht schert. Die moderne Welt ist für Bay ein grosses Chaos, und er hat nicht vor, aufzuräumen. Die Frage, ob das reine Destruktion oder gar ein Beitrag zur Dekonstruktion ist, muss unbeantwortet bleiben, aber immerhin stellt sie sich.
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  21. Als zynisch und nihilistisch hat man deshalb seine Filme kritisiert – vor allem «Bad Boys II», in dem das im ersten Teil noch kumpelhafte Lachen immer diabolischer und die Gewalt wesentlich brutaler wird. Hier durchbohrt eine Patrone einen Körper, als sei er Luft, dort wird eine Hand mit einem Fleischerhammer zertrümmert, ja sogar Leichen werden mitunter behandelt wie Scherzartikel. Oder wie Karl Marx und Friedrich Engels im «Kommunistischen Manifest» schreiben: «Alles Ständische und Stehende verdampft, alles Heilige wird entweiht.»
  22. Viele beliebige Szenen
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  24. Bays Intention wird wohl keine gesellschaftskritische sein, doch das Werk ist hier klüger als sein Autor, der möglicherweise lediglich die Welt, abgesehen von den schönen Frauen, die in ihr leben, und den rasanten Autos, die in ihr fahren, abgrundtief hasst.
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  26. Ebendiese Radikalität fehlt «Bad Boys for Life» völlig. Nach knapp einer Stunde imitieren die bisher noch weitgehend unbekannten belgischen Filmemacher Adil El Arbi und Bilall Fallah eine typische, heroisierende Bay-Einstellung: Die Kamera blickt untersichtig auf die Protagonisten und kreist 180 Grad um sie herum, sonst hat die Ästhetik des Films wenig mit seinen Vorgängern zu tun. Spricht aus jedem Bild bei Bay absoluter Stilwille, wirken zu viele Szenen der Jungregisseure beliebig. Nichts irritiert oder überfordert.
  27.  
  28. Noch mutloser ist der Plot: Wenn Mike zu Anfang einige Schüsse abbekommt und die Ärzte im Krankenhaus um sein Leben kämpfen, richtet sein Freund Marcus rasch ein Stossgebet gen Himmel, in dem er zugleich Abbitte leistet und sich für die vergangenen Taten, also eigentlich für die ersten beiden Filme, entschuldigt. Böse Jungs, okay – jetzt aber bitte moralisch! Während Marcus bereits im ersten Film als Familienmensch etabliert wurde, stand Mike für einen radikal materialistischen Lebensstil. Sein Charakter entsprach ganz und gar der Bildsprache, die der Sehnsucht nach Tiefe eine hämische Absage erteilte.
  29. Blutsverwandtschaft als letzte Gewissheit
  30.  
  31. Im dritten Teil muss sich nun auch Mike der Verzwergung zum Kleinbürger fügen, womit der Film einem aktuellen Hollywood-Trend folgt, dem sich im Übrigen auch Bay in seinem neuen Netflix-Film «6 Underground» angeschlossen hat: Wo sich alles auflöst, wird das Band der Familie wieder festgezurrt. Die Blutsverwandtschaft, so geben diverse aktuelle Blockbuster – im Gegensatz zur Komödie, wo inzwischen häufig die Wahlverwandtschaft zelebriert wird – vor, ist die letzte Gewissheit, der einzig verbleibende Orientierungspunkt inmitten der neuen Unübersichtlichkeit. Das ist nicht nur ziemlich denkfaul, sondern auch wenig spannend.
  32.  
  33. Interessanterweise ist «Bad Boys for Life» bedeutend misogyner als Bays Filme. Zwar gibt es deutlich weniger Macho-Sottisen, doch eine Antagonistin der Detectives wird durchgehend als Hexe tituliert, die die Drehbuchautoren brennen sehen wollen. Der dritte Teil ist ein Rückschritt auf allen Ebenen, nur Will Smith bleibt einfach Will Smith.
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