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- Politik
- Ukraine
- Russlands Krieg gegen die Ukraine: Verhandlungen zwischen ungleichen Gegnern
- Ukraine und Russland :
- Verhandlungen zwischen ungleichen Gegnern
- Gastbeitrag
- Von Sabine Fischer
- 30.06.2025, 19:11Lesezeit: 13 Min.
- Im Mai und Juni 2025 vereinbarten Kiew und Moskau in Istanbul die umfangreichsten Gefangenenaustausche seit Beginn des Krieges. Zudem beschlossen sie erstmals die Rückgabe der sterblichen Überreste gefallener Soldaten. In Friedensverhandlungen sind solche humanitären Schritte ein probates Mittel, um zerstörtes Vertrauen wieder aufzubauen und so die Grundlage für weiterführende Einigungen zu schaffen. Nicht so im russischen Krieg gegen die Ukraine. Die Kampfhandlungen gehen unvermindert weiter. Russland hat seinen Luftkrieg in den vergangenen zwei Monaten spürbar intensiviert und eine neue Offensive im Norden und Osten der Ukraine eröffnet. In der Formulierung seiner Kriegsziele zeigt Moskau keine Kompromissbereitschaft, sondern weitet seine Maximalforderungen sogar aus. Die Ukraine hat einige ihrer Positionen seit dem Sommer 2024 angepasst, zeigt sich jedoch nicht bereit, die russischen Maximalforderungen zu akzeptieren.
- Dr. Sabine Fischer ist Senior Fellow, Forschungsgruppe Osteuropa und Eurasien, der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin.
- Dr. Sabine Fischer ist Senior Fellow, Forschungsgruppe Osteuropa und Eurasien, der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin.SWP
- Verhandlungen führen zu dauerhaften Waffenstillständen, wenn eine Kriegspartei die andere besiegt hat und die Bedingungen für das Kriegsende diktieren kann. Das ist der Ausgang, den das Putin-Regime anstrebt. Oder wenn der Krieg für beide Seiten so kostspielig wird, dass sie in einem Waffenstillstand mehr Vorteile sehen als in seiner Fortführung. Der amerikanische Konfliktforscher William Zartman hat diesen Zustand als Gleichgewicht bezeichnet, das beiden Seiten ungefähr gleich wehtut (mutually hurting stalemate). Nur in dieser Situation könnte die Ukraine aus einer vergleichsweise starken Position in Verhandlungen gehen. Nur dann könnte davon ausgegangen werden, dass auch Russland Interesse an Kompromissen und einem dauerhaften Waffenstillstand hätte.
- Nun sprechen die Kriegsparteien zwar nach langer Pause wieder miteinander und erreichen einen begrenzten Fortschritt in humanitären Fragen. Aber ein Durchbruch in Richtung Waffenstillstand zeichnet sich nicht ab. Das liegt daran, dass sich die militärische Situation in der Ukraine nicht verändert hat und die Positionen der Kriegsparteien so unvereinbar sind wie in den vergangenen drei Jahren. Verändert hat sich nur die internationale Dimension des Kriegs, seit Donald Trump seine zweite Amtszeit als amerikanischer Präsident angetreten hat.
- Eine radikale Umkehrung der amerikanischen Politik
- Trump trat eine Lawine diplomatischer Ereignisse rund um Russlands Krieg gegen die Ukraine los. Er telefonierte am 12. Februar 2025 erstmals mit dem russischen Machthaber Wladimir Putin. Sie vereinbarten den sofortigen Beginn von Gesprächen über eine Beendigung des Kriegs. Vor allem aber erörterten sie Wege zur Normalisierung der amerikanisch-russischen Beziehungen. Das bedeutete eine radikale Umkehrung der amerikanischen Politik seit 2022. Trumps Vorgänger Joseph Biden hatte jede Verbesserung der amerikanisch-russischen Beziehungen vom Ende der russischen Invasion in der Ukraine abhängig gemacht. Für Trump scheint der Krieg – und mit ihm die Ukraine selbst – nur noch ein lästiges Hindernis auf dem Weg zur Normalisierung mit Russland zu sein. Trump und Putin telefonieren seit Februar regelmäßig und in immer kürzeren Abständen miteinander.
- Ende März fanden in Saudi-Arabien zunächst indirekte Gespräche statt. Vertreter der Vereinigten Staaten trafen dort nacheinander Delegationen der Ukraine und Russlands. Mitte Mai folgten erste direkte Gespräche zwischen den Kriegsparteien in Istanbul. Die Ukraine stand unter enormem Druck, nachdem Trump und sein Vizepräsident JD Vance den ukrainischen Präsidenten am 28. Februar im Oval Office des Weißen Hauses vor laufenden Kameras niedergebrüllt und danach die militärische und nachrichtendienstliche Hilfe der USA suspendiert hatten. Die Bedingung für ihre Fortsetzung ab dem 11. März war, dass Kiew sich zu einer Waffenruhe bereit erklärte. Die russische Seite ließ sich hingegen gar nicht erst auf eine Waffenruhe ein und stellte neue Forderungen wie das sofortige Ende aller westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine.
- Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj am 26. April währen der Trauerfeierlichkeiten für Papst Franziskus im Vatikan
- Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj am 26. April währen der Trauerfeierlichkeiten für Papst Franziskus im Vatikandpa
- Donald Trump hat eine ungeheure Unwucht in das militärische und diplomatische Gefüge des Krieges gebracht und so Putins Aussichten auf einen Sieg deutlich erhöht: Die amerikanische Administration hat sich sehr weit auf den russischen Aggressor zubewegt. Sie übernimmt kritiklos russische Propagandanarrative über den Ursprung des Krieges und fordert einseitige territoriale und politische Konzessionen von Kiew. Trump spielt mit dem Gedanken, die Krim als russisch anzuerkennen. Er droht der Ukraine mit dem Ende der Militärhilfen und schließt sowohl einen ukrainischen NATO-Beitritt als auch verlässliche Sicherheitsgarantien mit amerikanischer Beteiligung aus. All das stärkt Russland und schwächt die Ukraine.
- Ukraine zwischen den Fronten
- Asymmetrien zuungunsten der Ukraine sind in ukrainisch-russischen Friedensgesprächen nichts Neues. Die angegriffene Ukraine war trotz ihrer enormen Resilienz immer die militärisch schwächere Kriegspartei und deshalb größerem Druck ausgesetzt. Zwischen 2014 und 2022 erhielt Kiew zwar viel Unterstützung aus dem Westen. Im sicherheitspolitischen Bereich verhielten sich die westlichen Staaten aber zurückhaltend, sodass die Asymmetrie bestehen blieb. Erst mit Beginn des vollumfänglichen Krieges 2022 hat die Ukraine auch bedeutende Waffenlieferungen erhalten. Die zweite Trump-Administration hat nun eine vollkommen neue Situation herbeigeführt. Sie hat im ukrainisch-russischen Konflikt die Seiten gewechselt und so ein neues Ungleichgewicht geschaffen. Die Ukraine findet sich – gemeinsam mit ihren europäischen Partnern – zwischen zwei Fronten wieder.
- Der russische Krieg gegen die Ukraine begann mit der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim im März 2014. Dieser erste Akt der Aggression gegen das Nachbarland fußte auf einer Propagandalüge. Kurz bevor Russland in einer verdeckten Intervention die Kontrolle über die Krim übernahm, war in Kiew der autoritäre Präsident Viktor Janukowitsch gestürzt und vor den Protestierenden auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz nach Russland geflohen. Der „Euromaidan“ hatte sich im Herbst 2013 an der Weigerung Janukowitschs entzündet, ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union zu unterzeichnen.
- Die russische Propagandalüge zum Beginn des Kriegs
- Das Putin-Regime behauptete jedoch, die USA hätten einen Putsch in Kiew angezettelt, um die Ukraine in die NATO einzugliedern und damit zu einem Vorposten ihrer angeblich antirussischen Politik zu machen. In Moskau interessierte nicht, dass die Mehrheit der Menschen in der Ukraine die Zukunft ihres Landes in der europäischen Integration sah. Mehr noch: die ukrainische Gesellschaft, die Ukraine als eigenständiges Land kamen im imperialistischen Denken des russischen Regimes nicht vor. Die Entwicklungen in der Ukraine wurden im Rahmen des herbeikonstruierten Großmachtkonflikts mit den USA interpretiert, in dem Russland sich und seine „Landsleute“ in der Ukraine gegen den „kollektiven Westen“ verteidigen zu müssen vorgab. Die „faschistische Junta“ in Kiew war in dieser Interpretation nur eine Marionette, deren Fäden von Washington aus bewegt wurden.
- Die russische Intervention auf der Krim traf die Ukraine unvorbereitet und in einer äußerst verletzlichen Lage. Sie musste sich nach dem Ende des Janukowitsch-Regimes innenpolitisch sortieren, Wahlen durchführen und eine neue Regierung aufstellen. Die ukrainischen Streitkräfte waren für einen Krieg mit Russland nicht gerüstet. Die Krim-Annexion überrumpelte Kiew aus dem Nichts. Im Donbass kam Moskau schlechter voran und setzte im Sommer 2014 – ebenfalls verdeckt – reguläre Streitkräfte ein.
- Die Niederlage der ukrainischen Truppen bei Ilowajsk im August 2014 zwang Kiew, sich auf asymmetrische Friedensverhandlungen einzulassen. Die erste Verhandlungsetappe unter Vermittlung der OSZE endete im September 2014 mit einer Waffenstillstandsvereinbarung, dem Minsker Protokoll. Die Kämpfe flammten aber wieder auf, die Ukraine geriet in Bedrängnis. Im Februar 2015 verhandelten die Kriegsparteien abermals in Minsk. Diesmal vermittelten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande. Das Ergebnis war ein Maßnahmenpaket zur Umsetzung des Minsker Protokolls.
- Der Aggressor gibt sich als Vermittler aus
- Die russische Seite nutzte in den Minsker Verhandlungen ihre militärische Übermacht, um das eigene Lügennarrativ über den Konflikt durchzusetzen. Danach handelte es sich nicht um einen von Russland angezettelten zwischenstaatlichen Krieg, sondern um einen Bürgerkrieg zwischen Kiew und ostukrainischen „Separatisten“. Dass Russland sich zuvor die Krim völkerrechtswidrig einverleibt hatte, blieb in diesem Narrativ außen vor. Das Putin-Regime verweigert seit der Annexion 2014 jegliche Verhandlungen über den Status der Krim. Auch dass die angeblichen Separatisten nur mit russischer Unterstützung und durch das Eingreifen russischer Truppen überleben konnten, unterdrückte Moskau in den Verhandlungen. Folglich taucht Russland in den Minsker Vereinbarungen nicht als Kriegspartei auf und war an keine der Bestimmungen gebunden. Putin handelte dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, Angela Merkel und François Hollande also in Minsk einen Freibrief ab. Obwohl es Aggressor und Kriegspartei war, bestand Russland in den folgenden Jahren auf der Rolle eines Vermittlers neben Deutschland und Frankreich.
- In der Ukraine führte die Umsetzung von Teilaspekten der Minsker Vereinbarungen zwischen 2015 und 2022 regelmäßig zu tumultartigen innenpolitischen Auseinandersetzungen. Russland hingegen konnte seine Destabilisierungspolitik in der Ukraine ebenso ungestört fortsetzen wie die militärische Unterstützung und den Aufbau quasistaatlicher Strukturen in den besetzten Gebieten im Donbass. Derweil verhandelten die Kriegsparteien, die OSZE, Deutschland und Frankreich in einer Endlosschleife über die Realisierung der Minsker Vereinbarungen, während der Waffenstillstand immer wieder zusammenbrach, erneuert wurde und wieder zusammenbrach. Die Hälfte der rund 14.000 Opfer des russischen Krieges vor der Vollinvasion starb in diesem Zeitraum.
- 2021 nahmen die Spannungen drastisch zu
- Russland nutzte das Ungleichgewicht und die blinden Flecken der Minsker Vereinbarungen außerdem, um an vom Westen weniger beachteten Orten des Konfliktgebiets Fakten zu schaffen. 2018/2019 wurde der Bau der Kertsch-Brücke vollendet, die die annektierte Krim über die gleichnamige Meerenge mit russischem Territorium verbindet. Die Brücke riegelte das Asowsche Meer ab und schränkte den Schiffsverkehr von und zu den ukrainischen Hafenstädten Berdjansk und Mariupol empfindlich ein. Russland baute seine Militärpräsenz am Eingang des Asowschen Meeres aus und begann, ukrainische Schiffe zu bedrängen. Diese illegalen Handlungen zielten darauf ab, die maritime Kontrolle zu sichern, nachdem es 2014/15 nicht gelungen war, die Nordküste des Asowschen Meers von Mariupol bis zur Krim zu erobern. Die Ukraine protestierte, konnte der schleichenden Usurpation aber nichts entgegensetzen. Das lag auch daran, dass die westliche Reaktion verhalten blieb, obwohl Russland die Minsker Vereinbarungen untergrub.
- 2019 begann der Kreml, die Bevölkerung der sogenannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk im besetzten Teil des Donbass systematisch einzubürgern. Mit der „Passportisierung“ verabschiedete Moskau sich endgültig vom Geist der Minsker Vereinbarungen, die darauf beruhten, dass alle Beteiligten die territoriale Integrität der Ukraine anerkannten. Wieder behauptete das Putin-Regime, seine „Landsleute“ in den Volksrepubliken schützen zu müssen. Von der Passportisierung führte ein direkter Pfad zur „Anerkennung“ der Volksrepubliken am 21. Februar 2022, kurz vor dem Beginn der Vollinvasion, und zu ihrer Annexion im September 2022.
- 2021 nahmen die Spannungen zwischen den Konfliktparteien drastisch zu. Russland zog Truppen an der ukrainischen Grenze zusammen und verschärfte seine aggressive Rhetorik. Als der Abzug der NATO aus Afghanistan im August 2021 zu einem Debakel geriet, sah Moskau den Moment gekommen, um die offensichtliche Schwäche des „kollektiven Westens“ zu nutzen. Es wechselte die Verhandlungsebene und richtete ein diplomatisches Ultimatum direkt an Washington: Im Dezember 2021 legte das russische Außenministerium zwei Vertragsentwürfe über „Sicherheitsgarantien“ für Russland vor. Die NATO sollte von Erweiterungen in der Zukunft absehen und ihre militärische Infrastruktur auf den Stand von 1997, also vor den Beitritten der ostmitteleuropäischen Staaten, zurückbauen. Moskau forderte den Abzug der amerikanischen Atomwaffen aus Europa. Es wollte die erneute Einteilung Europas in Einflusszonen, über die die „Ukrainefrage“ gleich mit erledigt werden sollte – freilich ohne Mitsprache der Ukraine selbst. Ob Wladimir Putin wirklich glaubte, die Biden-Administration von diesem Deal überzeugen zu können, oder nur einen Vorwand für den Großangriff auf das Nachbarland suchte, sei dahingestellt. Die diplomatischen Bemühungen des Westens um einen Kompromiss scheiterten, und Russland marschierte in der Ukraine ein.
- Die Verhandlungen von Istanbul
- Der vollumfängliche russische Überfall am 24. Februar 2022 zerstörte die Minsker Vereinbarungen von 2014/15 und alle Verhandlungsformate, in denen acht Jahre lang über ihre Umsetzung gesprochen worden war. In der Annahme, die Ukraine binnen weniger Tage besiegen zu können, präsentierte Moskau gleich zu Beginn der Vollinvasion seine Kapitulationsforderungen: Die Ukraine müsse die Waffen niederlegen, ihre NATO-Beitrittsambitionen aufgeben und einen dauerhaft neutralen Status akzeptieren. Sie sollte Russisch den Status einer offiziellen Staatssprache verleihen, die Krim als russisch und die – damals noch nicht annektierten – Volksrepubliken Donezk und Luhansk als unabhängig anerkennen. Die Ukraine sollte sich außerdem „entnazifizieren“ und „entmilitarisieren“, mit anderen Worten einen Regimewechsel in Moskaus Sinne durchlaufen und in der Zukunft auf schlag- und verteidigungsfähige Streitkräfte verzichten. Wenig überraschend lehnte Kiew diese Forderungen ab.
- Die Ukraine stand in den ersten Tagen und Wochen der Vollinvasion so sehr unter Druck, dass sie Waffenstillstandsverhandlungen dennoch zustimmte. Die direkten Gespräche dauerten von Ende Februar bis Mitte Mai 2022. Der Höhe- und Kulminationspunkt dieses Prozesses war ein von der Türkei vermitteltes Treffen in Istanbul am 29. März 2022, bei dem die Ukraine in Gestalt des sogenannten Istanbuler Kommuniqués ihre – nach Angaben beider Delegationen mit der russischen Seite vorabgestimmte – Antwort auf die russischen Kapitulationsforderungen vorlegte. Das Papier skizzierte die ukrainischen Bedingungen für einen Waffenstillstand, dauerhafte ukrainische Neutralität und internationale Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Es schlug einen Zeitraum von 15 Jahren für Gespräche über den Status der Krim vor sowie ein Gipfeltreffen zwischen Selenskyj und Putin, um strittige Fragen im direkten Gespräch zu klären.
- Wie Moskau einen Mythos um die Gespräche strickt
- Auf der Basis des Istanbuler Kommuniqués wurde bis Mitte Mai weiter über einen Friedensvertrag gesprochen. Die Delegationen trafen sich jedoch nur noch online. Die Dynamik der Verhandlungen ließ spürbar nach. Die „New York Times“ veröffentlichte im April 2024 Entwürfe des Vertragstextes, an dem in dieser Phase gearbeitet wurde. Sie zeigen, dass die Kriegsparteien in einigen Bereichen zwar Fortschritte machten, ihre Positionen in den zentralen Fragen aber unvereinbar blieben. Das betraf die Sicherheitsgarantien, die die Ukraine im Gegenzug für eine künftige Neutralität forderte. Russland bestand auf einem Vetorecht, mit dem es Unterstützungsleistungen im Falle eines künftigen Angriffs hätte blockieren können. Moskau wollte enge Beschränkungen für die ukrainischen Streitkräfte festschreiben. Die Ukraine war bereit, über Deckelungen zu sprechen, setzte jedoch die Zahlen deutlich höher an als Russland. Russland wollte eine Situation herbeiführen, in der das Nachbarland einer neuerlichen Aggression hilflos ausgeliefert gewesen wäre. Auch in den strittigen Territorialfragen fanden die Parteien nicht zueinander. Moskau verweigerte Gespräche über die Krim und forderte von der Ukraine, die „Eigenstaatlichkeit“ der Volksrepubliken Donezk und Luhansk anzuerkennen – was die Ukraine ablehnte.
- Um das Istanbuler Kommuniqué und die Gespräche über seine Umsetzung rankt sich heute ein russischer Propagandamythos. Im Juni 2023, anlässlich des Besuchs einer Delegation afrikanischer Staatschefs auf der Suche nach Frieden, behauptete Putin erstmals öffentlich, Russland und die Ukraine seien sich in den Verhandlungen 2022 über alle strittigen Fragen einig gewesen und hätten kurz vor dem Abschluss eines Friedensabkommens gestanden. Der „kollektive Westen“ habe jedoch kein Interesse an einem Ende des Krieges gehabt und deshalb seinen Abschluss verhindert. Diese russische Propagandalüge ist seitdem tief in westliche Debatten über den russischen Krieg gegen die Ukraine eingedrungen. Sie findet sich bei populistischen Kräften wie AfD, BSW oder im amerikanischen MAGA-Camp. Sie beeinflusst aber auch den Diskurs demokratischer Parteien und der internationalen Expertencommunity.
- Nach dem russischen Raketenangriff auf ein Wohnhaus in Kiew am 23. Juni 2025
- Nach dem russischen Raketenangriff auf ein Wohnhaus in Kiew am 23. Juni 2025EPA
- In Wahrheit verhinderten andere Faktoren, dass die Kriegsparteien sich im Frühjahr 2022 auf ein Ende der Kämpfe einigten. Am wichtigsten war die Veränderung des Gleichgewichts auf dem Schlachtfeld. Die Ukraine konnte bereits im März – ab Ende April auch dank wachsender internationaler Unterstützung – ihre militärische Position verbessern und sich wirksamer gegen den russischen Ansturm zur Wehr setzen. Russland erlitt empfindliche Niederlagen im Schwarzen Meer und musste die Belagerung Kiews aufgeben. Diese Entwicklungen glichen die enorme Asymmetrie zwischen den Kriegsparteien etwas aus und stärkten Kiew in den Verhandlungen gegen russische Maximalforderungen. In der ukrainischen Bevölkerung wuchs die Überzeugung, die russische Aggression militärisch zurückschlagen zu können.
- Im Wettlauf um internationalen Rückhalt
- Der Wille zum Widerstand wurde durch die Entdeckung der Kriegsverbrechen, die die russischen Streitkräfte während der Belagerung Kiews begangen hatten, exponentiell verstärkt. Die Orte Butscha, Irpin, Hostomel, Borodjanka und andere haben sich als Symbole dieses Traumas tief in das kollektive Gedächtnis der ukrainischen Gesellschaft eingegraben. Während die Delegationen über die Vertragsentwürfe sprachen, tobte der Krieg im Osten und Süden der Ukraine mit unverminderter Härte weiter. Die Zerstörung Mariupols und der Kampf um das Stahlwerk Asowstal bildeten den Hintergrund der Verhandlungen im April und Mai. Die Gespräche endeten einen Tag, nachdem die russischen Streitkräfte die Stadt und das Werk endgültig eingenommen hatten.
- Danach befanden sich d
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