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Mar 20th, 2018
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  2. Berliner Kultursenator sieht sich von „Spiegel“-Reporter getäuscht
  3. 20. MÄRZ 2018
  4. Im „Spiegel“ steht diese Woche ein langer Text über den Tod einer Frau, die in Berlin an einer Überdosis Drogen gestorben ist. Geschrieben hat die Reportage Alexander Osang, der seit vielen Jahren beim „Spiegel“ arbeitet, ein renommierter Reporter, eine so genannte Edelfeder, mit etlichen Preisen dekoriert. Seine neueste Geschichte aber wirft Fragen auf, auch zu Osangs Arbeitsweise.
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  7. AUSRISS: „DER SPIEGEL“
  8. Auf sieben Seiten zeichnet Osang Leben und Tod der Frau nach, einer Anwältin aus den USA. Voriges Jahr geht sie mit ihrem Mann auf Weltreise, sie fliegen nach Südamerika, Europa, auch nach Berlin. An ihrem letzten Abend dort besucht das Paar, gemeinsam mit einem Freund, den Techno-Club Berghain. Sie feiern, tanzen, schlucken Pillen. Bis die Frau im Getümmel verschwindet.
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  10. Als ihr Mann sie wiederfindet, in einem Hinterzimmer des Clubs, krampft seine Frau, sie glüht förmlich, hat Schaum vorm Mund, beschreibt es Osang. Ihr Zustand verschlechtert sich stetig. Wenige Stunden später stirbt sie im Krankenhaus, offenbar an einer „sehr hohen Dosis MDMA“, wie die Gerichtsmediziner feststellen. Sie ist damals, Ende Juni 2017, gerade mal 30 Jahre alt.
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  12. Osang, der zufällig auf die Geschichte stieß, wie er sagt, hat mit mehreren Menschen über den Fall gesprochen, vor allem mit dem Witwer und dessen Eltern, die ausführlich zu Wort kommen. Und noch jemand äußert sich: der Berliner Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke), der aber nun sagt, Osang habe ihn nie mit dem Tod der Frau und den Umständen konfrontiert.
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  14. Würde sie noch leben? Um diese Frage kreist der Text.
  15. Osang ging es offensichtlich darum, Mitschuldige für den Drogentod der Frau zu finden, zum Beispiel im Club, wo nach Angaben des Ehemannes zunächst niemand einen Notarzt rufen wollte. Würde die Frau noch leben, hätte man sie schneller versorgt? Um diese Frage kreist der Text, und er kritisiert die Lokalpolitik, die so etwas wie das Berghain duldet, sogar als Standortfaktor rühmt.
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  17. In diesem Kontext tritt dann auch der tatsächlich kühl wirkende Kultursenator auf, eingeleitet mit dem Satz, die Berliner Kulturverwaltung schaffe den „ideologischen Überbau“ – für das Drogentreiben in Berliner Clubs, vor allem diesem Berghain. Dass Lederer schwul ist und das Berghain als schwuler Club gilt, passt offenbar gut ins Bild, jedenfalls erwähnt Osang es.
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  19. Osang nennt Lederers Worte ein „halbstündiges Plädoyer“, eine „Adresse an die Welt“, und er zitiert ihn wörtlich, unter anderem so:
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  21. „In Berlin sind in den Neunzigerjahren diese Orte gelebter Akzeptanz von Unterschiedlichkeit entstanden“, sagt Lederer. „Die Regel ist: ,Leben und leben lassen.‘ Auch den Umgang mit Drogen kann man lernen. Drugscouts sind eine Form der Solidarität. Man muss an solchen Orten die Regeln untereinander aushandeln. Da können sich Politik und Medien nur schwer einmischen. Es hilft auch nicht, da mit einer Hundertschaft Polizei einzumarschieren. Die Klubs sorgen schon selbst dafür, dass sie keine Drogenumschlagplätze werden. Klubs sind weit mehr als ein Standortfaktor. Sie sind Orte von Solidarität und Toleranz und Andersartigkeit. Das ist ein Erfolg von Berlin, dass wir das aushalten. Das muss immer wieder erkämpft werden.“
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  23. Es klingt alles so, als würde Lederer den Tod der Frau für ein lebendiges Clubleben in Kauf nehmen. Er erwähnt sie in keinem Wort. Nur: Wurde er überhaupt nach ihr und ihrem Tod befragt?
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  25. Auf Twitter schrieb Lederer am Sonntag: „Von diesem tragischen Tod habe ich gestern erstmals erfahren. Dazu hab ich mich niemals geäußert.“ Das, in Anführungsstrichen: „wörtliche Zitat“ in der „Spiegel“-Reportage sei „die ziemlich willkürliche unautorisierte Zusammenfassung eines Dreiviertelstundengesprächs, das mir als ‚Hintergrund zu Clubkultur‘ angekündigt war.“ Lederer fühlt sich verschaukelt von Osang. Der Text erwecke den Eindruck, er würde den Tod der Frau „billigen“, und dass er „quasi der ideologische Täter“ sei.
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  28. Klaus Lederer
  29. @klauslederer
  30. Ich wurde zu dieser Sache überhaupt niemals gefragt. Dazu mehr in meiner Timeline. Dabei hätte diese tragische Geschichte durchaus Anlass geboten, über Verantwortung, Clubleben, Betäubungsmittel und was da getan wird und getan werden kann, zu recherchieren und zu diskutieren.
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  32. 14:36 - 18. März 2018
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  34. Alexander Osang erklärt dazu auf Anfrage, er habe Lederer „darüber informiert, dass ich am Beispiel des Berghain einen Text über die Bedeutung der Klublandschaft in der Stadt schreiben will, der durch den Drogenunfall einer Touristin inspiriert wurde. Und genau darum ging es.“ Dass es sich um ein Hintergrundgespräch gehandelt habe, also ein Gespräch, aus dem in der Regel nichts zitiert wird, sei ihm „nicht signalisiert worden“. Dass er es selbst in seiner Anfrage an Lederer so genannt haben soll, darauf geht Osang in seiner schriftlichen Antwort nicht weiter ein.
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  36. Was untergeht: Die Frau nahm zwei Pillen. Von einem Fremden.
  37. Fragt man dazu bei Lederer noch mal telefonisch nach, spürt man seinen Zorn. Er schätze Osang als Journalist, deshalb sei er dessen Bitte um ein Gespräch sehr kurzfristig nachgekommen. Dass sich Osangs Geschichte um einen durch Drogenkonsum verursachten Todesfall drehe, habe er „zu keinem Zeitpunkt“ erkennen lassen. „Sonst hätte ich mich dazu entsprechend geäußert.“ Auch in Osangs Anfrage vor gut zwei Monaten sei davon keine Rede gewesen, versichert Lederers Mitarbeiterin.
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  39. Es ist schon komisch: Osang sagt, er habe Lederer „informiert“. Er sagt nicht: „Wir haben eine halbe Stunde über den Tod gesprochen.“ Und er behauptet, er habe einen Text über die „Bedeutung der Klublandschaft in der Stadt“ schreiben wollen. Darum geht es im Text aber nicht. Es geht um die Frau, um Drogen, ums Berghain. Und um die Frage, wer verantwortlich ist für das Unheil. Die Managerin, die nachts Dienst schob? Die Betreiber des Clubs? Die Politik?
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  41. Das sind Fragen, die man stellen kann. Nur problematisiert Osang einen Aspekt gar nicht: Die Frau nahm zwei Pillen in dieser Nacht. Zwei. Wie das Magazin „Vice“ mit Bezug auf den Fall schreibt, sei eine Viertelpille zum Start üblich, alles andere: völlig verrückt. Zumal die Pillen von einem Fremden kamen und die Frau obendrein Alkohol trank. Drogenberater würden das mindestens leichtsinnig nennen. In Osangs Text steht auch, es sei „zumindest zweifelhaft“, dass die Frau gerettet worden wäre, hätten die Helfer schneller reagiert. Sagt die Gerichtsmedizin.
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  43. Und was ist mit Rob, dem Freund, der das Ehepaar in den Club begleitete? Er kaufte neue Pillen, nachdem der Frau jene, die sie mitgebracht hatte, am Eingang des Berghains abgenommen wurde. Rob gab sie der Frau dann, erst eine, dann zwei, weil sie angeblich danach verlangte. „Du kennst doch Jenn“, soll er zu ihrem Ehemann gesagt haben. Aber: War ihm nicht klar, was zwei Pillen bewirken könnten? Trägt er Mitschuld? Das wird nicht mal zwischen den Zeilen thematisiert. Auch nicht, weshalb Rob ganz kurz nach dem Vorfall abreiste, noch vor dem Tod der Frau. Er ließ den Ehemann allein zurück.
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  45. So viele Fragen – aber sie werden von Osang nicht gestellt
  46. Der Text kritisiert stattdessen, dass die Polizei zu wenig ermittelt habe. Bei Rob, der in den Niederlanden wohne, hätten sich die Ermittler nie gemeldet, dabei finde man seine Telefonnummer „in fünf Minuten im Internet“. Die Gegenfrage wäre: Wieso hat sich Rob nicht selbst bei der Polizei gemeldet? Die Familie der Frau hat ja offenbar ein Interesse daran, dass nachträglich mehr Licht in die Nacht kommt. Rob nicht? Wieso? Und weshalb äußert sich Rob nicht in Osangs Geschichte? Er ist doch so leicht erreichbar.
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  48. Das ist alles rätselhaft. Man kann so viele Fragen an diese Geschichte stellen, aber Osang stellt sie nicht in seinem Text. Dabei mangelt es ja nicht an Platz im Gesellschaftsteil, er hat ganze sieben Seiten, abzüglich Werbung. Osang schreibt stets sehr nah am Schicksal der Familie entlang, an deren Wunsch, den Tod ihrer Tochter und Ehefrau zu klären. Dabei verliert er alles andere aus dem Blick, das ein journalistischer Text dazu hätte leisten können.
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  50. Und ob er den Kultursenator Lederer hinters Licht geführt, ihn nie nach der Frau befragt hat, oder ob Lederer das bloß behauptet, lässt sich nicht zweifelsfrei sagen. Der eine sagt so, der andere so. Aber: Wieso sollte Lederer das ignorieren, hätte man ihm gesagt, worum es in dem Text geht?
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