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„Es gibt noch viel zu tun.“

Feb 19th, 2013
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  1. Aus: Sächsische Zeitung online
  2. Dienstag, 19.02.2013
  3. Döbelner Neonazi-Gruppe verboten
  4. Die Rechtsextremisten wollten ein „Klima der Angst“ verbreiten. Innenminister Ulbig kündigt weitere Schritte an.
  5. Von Peggy Zill und Thilo Alexe
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  7. Die Beweisstücke haben Polizisten sorgfältig auf einem Tisch gruppiert. In der Mitte steht eine gerahmte Hitler-Fotografie, flankiert von einem Langmesser, einem Wurfstern und mehreren Luftdruckwaffen. T-Shirts mit dem Konterfei des Hitler-Vizes Rudolf Hess liegen neben CDs mit rechtsextremer Musik.
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  9. Bis gestern früh um 5.59 Uhr befanden sich Waffen, Tonträger und Nazi-Devotionalien noch im Besitz der „Nationalen Sozialisten Döbeln“. Um Punkt sechs Uhr rückten mehr als 30 Beamte des „Operativen Abwehrzentrums“ der sächsischen Polizei an. Die Einheit zur Bekämpfung des Rechtsextremismus stellte sechs Anführern die Verbotsverfügung zu. Zudem durchsuchten die Polizisten den Treff der Rechten.
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  11. „Die Mitglieder der Vereinigung ‚Nationale Sozialisten Döbeln‘ stellen sich in die Nachfolge des nationalsozialistischen Terrorregimes“, begründete Innenminister Markus Ulbig (CDU) das von ihm verhängte Verbot. Betroffen davon ist auch die Neonaziband „Inkubation“. Ganz offensichtlich versuchten die insgesamt 26 Rechtsextremisten ein „Klima der Angst“ in der Region zu verbreiten, wie Ulbig betonte.
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  13. Vor allem durch Propagandaaktionen machten die großteils männlichen Neonazis auf sich aufmerksam, verteilten Flyer oder beschmierten Fußwege und Hausmauern. Nach einer gescheiterten Demonstration im November 2010 gab es von ihnen aber keine Anmeldungen mehr. Vielmehr konzentrierten sie sich auf unangemeldete Flashmobs. Dazu gehören die Aufmärsche der sogenannten Volkstodbewegung. Zuletzt kamen im Mai 2012 etwa 40 Neonazis auf dem Leisniger Marktplatz zusammen. Dort hatten sie bereits im November 2011 Schrecken unter der Bevölkerung verbreitet. Etwa 50 von ihnen, schwarz gekleidet und versteckt hinter weißen Masken, zogen kurz vor Mitternacht mit Fackeln durch die Innenstadt und riefen rechte Parolen.
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  15. Am 7. März 2011 reihten sich sechs Rechtsextremisten in den Rosenmontagsumzug der Stadt Döbeln ein. Als „Verkünder des Todes“, wieder mit weißen Masken und schwarzen Kapuzenmänteln, verteilten sie Flugblätter. Die zwei Frauen und vier Männer mussten sich im November vergangenen Jahres wegen ihrer Teilnahme an der verbotenen Versammlung vor dem Amtsgericht verantworten. Nur einer wurde zu einer Bewährungsstrafe und Sozialstunden verurteilt.
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  17. Auch gestern gab es keine Festnahmen. „Alle Mitglieder sind auf freiem Fuß“, sagte der Chef des Neonaziabwehrzentrums der Polizei, Bernd Merbitz. Auf die Frage, warum die „Nationalen Sozialisten Döbeln“ gerade jetzt verboten wurden, antwortete er: „Wenn eine Frucht überreif ist, muss sie abgepflückt werden.“
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  19. „Zahlenmäßig nicht sehr bedeutend“
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  21. Das nährte in Dresden die Spekulation, dass das neu gegründete Abwehrzentrum der Polizei dringend erste Erfolge vorweisen will. Die Linkenabgeordnete Kerstin Köditz gab zu bedenken: „Die ,Nationalen Sozialisten Döbeln‘ sind eine zahlenmäßig nicht sehr bedeutende Gruppe, die ohnehin bereits im Zerfall begriffen war.“ Andere verbotswürdige Neonazistrukturen im Freistaat blieben unbehelligt.
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  23. Der CDU-Parlamentarier Christian Hartmann wies dagegen darauf hin, dass das Abwehrzentrum „gezielt und effektiv“ gegen eine freie Gruppierung vorgegangen sei. Jene in losen Strukturen organisierten Rechtsextremisten verbuchen seit Jahren Zuwachs. Der Verfassungsschutz geht von rund 1000 sogenannten Neonationalisten im Freistaat aus.
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  25. Das gestrige dritte Verbot einer rechtsextremen Gruppierung in Sachsen soll den Druck auf die Szene erhöhen. Innenminister Ulbig deutete weitere Schritte an. Merbitz sagte: „Wir werden das Netz noch engmaschiger stricken.“ Er nannte mittelsächsische Orte wie Geithain und Rochlitz, in denen Neonazis ebenfalls aktiv sind. Zudem verwies er auf das Einschreiten seiner Beamten bei Konzerten wie unlängst in Eilenburg. „Es gibt noch viel zu tun.“
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  27. Die Döbelner Verwaltung hat nach Angaben von Oberbürgermeister Hans-Joachim Egerer (CDU) mehrfach Gespräche mit Polizei und Verfassungsschutz geführt. Dabei sei debattiert worden, wie man den rechtsextremen Umtrieben begegnen könne. Das Verbot bezeichnete der Kommunalpolitiker als einen ersten Schritt: „Das Gedankengut ist damit aber noch nicht aus den Köpfen beseitigt.“
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