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Guest User

Eine Betrachtung zur deutschen Kulturpolitik

a guest
Sep 19th, 2021
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  1. _Stupid German Money und Zurschaustellung von Hässlichkeit_
  2.  
  3. In der US-amerikanische Filmbranche gibt es meines Wissens die witzige Redewendung von *"Stupid German Money"*, "dummen deutschen Geld". Damit spielen die Profis aus der "Traumfabrik" unter anderen darauf an, wie leicht es ist an deutsche Fördermittel für Filmproduktionen zu kommen.
  4. Sehr schön kann man das etwa den Marvelfilmen sehen, die überraschenderweise und ohne echten inhaltlichen Bezug an zwei Stellen plötzlich in Deutschland spielen.
  5. Vorsicht Spoiler! Einmal in "Civil war", wo ein Flughafen in Berlin als Handlungsort eine Rolle spielt. Der könnte aber genauso gut in Washington, irgendwo anders auf der Welt oder sogar an fiktiven Orten spielen, für die Handlung war es nicht weiter relevant. Das andere Mal taucht Loki, der böse Adoptivbruder von Thor, zu einem Konzert in Stuttgart auf. Der Zuschauer spekuliert an der Stelle vielleicht ein bisschen, warum ausgerechnet in Stuttgart, wäre Bayreuth nicht die passendere Wahl? Was soll das bedeuten? Die Antwort kam dann, so erinnere ich mich, im Abspann mit der Aufschrift "Filmförderung Baden-Würtemberg". Warum der Kinofilm über das A-Team ausgerechnet in Deutschland spielt, diese Frage habe ich mir dann nicht mehr gestellt.
  6. Es gibt natürlich noch Beispiele für diese Trends jenseits von Deutschland, etwa wenn man sich die Frage stellt, warum der letzte Akt kurz vor den Ende des Films *"Das Kabinett des Doktor Parnassus"* plötzlich in Toronto spielt, wo der gesamte Film zuvor doch irgendwo in England gespielt hat.
  7.  
  8. Es mag durchaus sein, dass auf diese Weise Werbung für die eigene Region gemacht wird und das Geld mag dort auch sinnvoller eingesetzt sein als in der Förderung von Programmkino-Filmen, die ohnehin nur die Minderheit innerhalb einer Minderheit sieht.
  9. Trotzdem erlaube ich mir das Urteil, dass es den Filmen als Kunstform, falls das nicht schon zu hochgegriffen ist, oder wenigstens als Form des Geschichtenerzählens nicht gut tut, wenn der Handlungsort sich nicht aus inhaltlichen Erwägungen ergibt sondern aus finanziellen.
  10. Sollte Deutschland der Exotik wegen oder einfach qua Zufallsgenerator für "irgendwo auf der Welt" ausgewählt worden sein, so habe ich da ja nichts gegen. Bei solchen Filmen wie *"Lost in Translation"* gilt diese Kritik übrigens ausdrücklich nicht, denn die Wahl von Tokio als Handlungsort mag zwar letztlich willkürlich sein, aber ergibt sich aus Erwägungen der Drehbuchautorin, die dort selbst lange gelebt hat.
  11. Man muss allerdings auch feststellen, dass wir es in Sachen Hollywood mit einer Form der internationalen Arbeitsteilung zu tun haben und auch andere "Interessengruppen" dieses Wirtschaftszentrum benutzen, um dort Werbung für ihre Sicht der Welt zu machen. Nicht zuletzt das US-Militär selbst.
  12.  
  13. Nun wollen wir den Blick aber wieder Richtung Deutschland richten. Soweit ich im Internet recherchieren konnte, gibt Deutschland mehrere hundert Millionen Euro für die Filmförderung aus, im Jahre 2017 waren es wohl um die 600 Millionen. Zusätzlich kommt noch das Geld für die Öffentlich-Rechtlichen und die diverse Kunst- und Kulturförderung jenseits vom Film dazu. Da aber ein Schauspieler, der sein Handwerk am Theater erlernt hat, auch im Film auftreten kann, sich Dramen theoretisch auch als Film umsetzen lassen und der Öffentlich-Rechtliche auch als eine Form von Filmförderung funktioniert, kann man das durchaus dazu zählen. Man vergleiche ja nur den BBC, von dem auch ein guter Teil der britischen Serien hergestellt wird.
  14. Vergegenwärtigt man sich, wie viel Geld in den deutschen Film fließt, stellt man sich unwillkürlich die Frage: Wo ist denn die großartige deutsche Filmindustrie? Wo sind die ganzen beeindruckenden deutschen Filme? Wieso ist deutscher Film eher ein Nischenprodukt, vom Klamauk mal abgesehen, während Hollywood auch hierzulande unglaublich dominant ist?
  15.  
  16. Man sagt, dass in Deutschland pro Jahr etwa 80.000 neue Bücher auf den Markt kommen. Laut Internet-Statistiken scheinen es eher so 70.000 Neuerscheinungen sein, Übersetzungen inbegriffen. In wie weit veränderte Neuauflagen mit neuer ISBN einfließen, weiß ich nicht. Ebenfalls nicht, ob Book on Demand und eBooks mitgezählt werden, die Autoren in Spezial- oder Selbstverlag herausbringen.
  17. Ich habe mal gehört, Deutschland gehört nach wie vor zu den größten Büchermärkten der Welt.
  18. Nun funktioniert der Büchermarkt mit seinen Verlagen, Buchhändlern und Schriftstellern meines Wissens noch weitgehend ohne Subventionen. Doch auch hier kann man sich "Seiteneffekte" durch Kulturförderung denken.
  19. Nun scheint die deutsche Literatur international einen gewissen Absatz zu haben. Die Frage ist nur, ob dieser proportional zur Kulturförderung steht.
  20. Dieser Absatz ist natürlich nicht vergleichbar zu denen, die zufällig in den Besitz des Vorteils englischer Muttersprache kamen. Das selbe Problem haben aber alle nicht-englischsprachigen Länder auch und beispielsweise Frankreich oder Japan scheint sich in dieser Beziehung ganz gut zu machen.
  21.  
  22. Deutsche Philosophie, von Kant über Schopenhauer und Co. bis hin zur analytischen Philosophie, hatte früher mal einen Einfluss auf der gesamten Welt. Auch heute unterhält unser Staat Lehrstühle für Philosophie und angrenzende Fächer. Der Vergleich mag unfair sein, aber es scheint mir nun so, dass der Einfluss eines Schopenhauers, der niemals einen Pfennig Förderung erhalte hat, wesentlich größer war als der der meisten Philosophen heute.
  23.  
  24. Nehmen wir uns die Kunst vor: Expressionismus, Bauhaus, Dadaismus.
  25. Wann hätte die heutige Kunstförderung vergleichbare "ismen" auf den Weg gebracht?
  26. Soweit ich das feststellen kann, jedenfalls nicht.
  27.  
  28. Was Musik angeht, scheiden sich hier bekanntlich die Geister. Es gab bis ins 20. Jahrhundert unbestreitbar einflussreiche Komponisten und einige Bands haben unleugbar zumindest finanziellen Erfolg. Die Förderung scheint mir hier tatsächlich den internationalen Normen voll zu entsprechend, indem klassische Orchester und Musikschulen gefördert und der Rest den freien Markt überlassen wird.
  29. Ich wäre ein Gegner von so etwas wie einer Quote für deutsche Musik im Radio, auch wenn ich nicht abstreiten kann, dass das Thema "Öffentlich-Rechtliche und ihre Kulturpolitik" natürlich anders zu behandeln ist als ein Situation, in welchen man diese Entscheidungen den freien Markt überlässt.
  30.  
  31. Es ist _natürlich_ nicht mein Wunsch, diese ganzen Ideen oder "Geistesströmungen" deutschnational zu vereinnahmen. Auch wenn es natürlich den Versuch geben wird, meine Argumentation durch diesen Vorwurf abzuschmettern.
  32. Es geht mir nur darum zu fragen, ob die deutsche Kulturförderung überhaupt zu einer Förderung der universell gedachten Kultur in Deutschland beiträgt.
  33.  
  34. Jetzt könnte jemand einwenden, dass das Kriterium des internationalen Erfolgs zumindest nicht allein ausschlaggebend ist.
  35. Okay. Betrachten wir dann mal den Fall aus innerdeutscher Sicht.
  36. Nehmen wir allein die Skulpturen auf öffentlichen Plätzen. Wie viel Prozent des "einfachen Volkes", das diese Dinger immerhin bezahlt, können denn damit etwas anfangen?
  37. Und wieso werde die innerhalb einer gewissen Zeit mit Graffitis und Klebestickern verziert? Sie scheinen jedenfalls keine Ehrfurcht zu wecken, die so ein Verhalten ausschließt.
  38. Das selbe gilt für das Theater. Wann hätte ein Theaterstück in letzter Zeit mal von sich reden gemacht? Allerhöchstens die Auswüchse des Regietheaters werden von manchen Leuten mal aufgegriffen. Zudem die Eintrittspreise trotz Förderung so hoch sind, dass der Besuch zu einem Luxus wird, den sich nur gewisse gesellschaftliche Klassen leisten können.
  39. Es muss den Leuten doch zumindest zu denken geben, dass Stücke, die vor hunderten von Jahren in einen völlig anderen Kontext geschrieben wurden, den Menschen heute anscheinend mehr zu sagen haben als aktuelle Stücke die sich thematisch extra mit heutigen Problemen befassen wollen. Da muss doch irgendwas schief laufen.
  40.  
  41. Ich wage folgende These in den Raum zu stellen: Ein Problem, vielleicht das wesentliche Problem, der deutschen Kulturförderung ist, dass in erster Linie nicht Talent, handwerkliches Können oder bloße Tiefsinnigkeit gefördert wird, sondern die "richtige Botschaft".
  42. Das erzeugt erstens eine Darstellung, die häufig mit der Realität nichts zu tun hat; zweitens jede echte Tiefe abgeht, weil man das Thema nicht bis ins Innerste beleuchtet und drittens dann zum Teil doch nicht kinotauglich ist.
  43. Betrachtet man die Hollywood-Filme, dann fällt auf, dass man dort zwar auch hässliche Häuser, Trostlosigkeit und so weiter zu sehen bekommt, aber es ist immer schon "ästhetisch" verwertet. Man zeigt zum Beispiel nicht irgendwelche Plattenbauwohnungen inklusive Graffitis und Unrat und nutzt dies als selbstverständliche Kulisse, weil es solche Stadtteile nun mal gibt. Wenn solche Szenen vorkommen, dann sind sie ebenfalls durchgestyled und vermitteln den Zuschauer zwar immer noch ein Bild real existierender Armut, aber eben ein künstlerisches.
  44. Es war fast 20 Jahre üblich, dass Szenen in New York nicht tatsächlich in New York gedreht wurden, sondern in Studios irgendwo in günstigeren Staaten.
  45. In Deutschland dagegen hält man einfach so auf die Sozialbauwohnungen drauf, um den Zuschauer ein Bild von "Authentizität" zu geben. Nichts gegen Naturalismus als künstlerisches Programm per se, doch den Zuschauern bleibt doch immer klar, dass er grade einen Film sieht. Deshalb muss die Wirklichkeit nicht 1:1 abgebildet werden.
  46. Nehmen wir allein so eine Kleinigkeit wie das Happy End. Der Kritiker mag zurecht die Nase darüber rümpfen, dass die Standard-Hollywoodproduktionen quasi fabrikmäßig auf ein glückliches Ende, zumindest für die Protagonisten, zusteuert. Und ja, aus erzählerischer Sicht mag das sogar ein Fehler sein. Doch teilt der zerstreuungssuchende Gelegenheitszuschauer nicht unbedingt die Perspektive des Kritikers. Für ihn ist es vielleicht rein psychologisch ein Vorteil, dass er das Kino mit einem guten Gefühl verlässt und sich zumindest solange den Glauben hingibt, die Welt sei gut. Das schicksalhafte Zusteuern auf ein tragisches Ende hat zwar auch seinen Reiz, dieser wird aber eingeschränkt wenn er mit einer belehrenden Botschaft kombiniert wird. Die großen Tragödien kommen meines Erachtens nicht umsonst ohne sie aus. Der Zuschauer musste zu eigenen Ergebnissen kommen.
  47.  
  48. Was die Welt der Kunst angeht, traue ich mir kaum ein Urteil zu. Auch hier ist es aber meines Wissens so, dass die Bilder, Plastiken und Skulpturen alter Meister die Leute eher in Museen und Galerien treibt als die geförderten Produkte.
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  50. Das alles könnte man doch an vielen anderen Bereiche durchspielen.
  51. Für mich bleibt das Fazit, dass die deutsche Kulturförderung zwar sehr teuer, dafür aber leider auch ineffizient und zum Teil sogar erfolglos ist.
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