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- Mit dem Ziel, die Clubkultur zu verändern, hat Holger Siegmund-Schultze vor einem Jahr das Präsidentenamt beim Fußball-Zweitligisten Karlsruher SC übernommen – Zeit für eine erste Bilanz.
- Nach knapp zwölf Monaten Amtszeit kann Holger Siegmund-Schultze (54) auf ein ereignisreiches Jahr als Präsident des Fußball-Zweitligisten Karlsruher SC zurückblicken. Im Interview mit der Mittelbadischen Presse sprach der studierte Architekt und erfolgreiche Immobilienunternehmer über die neue Clubkultur, die Corona-Krise, die Kommerzialisierung des Fußballs und den Anspruch einiger Fans.
- Herr Siegmund-Schultze, in Ihrer Antrittsrede vor knapp einem Jahr sagten Sie, Ihr Ziel sei, als Präsident möglichst wenig die Schlagzeilen zu prägen. Das ist Ihnen gelungen, oder?
- Ich glaube schon. Und ich glaube, es war wichtig, das damals zu betonen. Damals sind diejenigen, die im Hauptamt hier tätig waren, intern wie extern viel zu wenig zur Geltung gekommen. Es ist aber wichtig, dass man die Verantwortung dahin zurückgibt, wo sie hingehört, zu den Mitarbeitern und den Geschäftsführern. Es ging und geht letztlich um eine Veränderung der Clubkultur.
- Eine Veränderung der Clubkultur zu Coronazeiten durchführen zu wollen, erscheint ambitioniert.
- Das war sogar hilfreich, so paradox das klingen mag. Natürlich haben wir seit dem Ausbruch von Corona Geld verloren, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich für die ganze Branche massiv verschlechtert. Aber um eine andere Kultur einziehen zu lassen, war die Lage sogar hilfreich. Corona hat uns zusammengeschweißt.
- Das müssen Sie erklären.
- Wir standen schon unmittelbar vor Corona mit dem Rücken zur Wand, waren also bereits im Krisenmodus. Das hat das Bewusstsein dafür geschärft, dass wir alle im gleichen Boot sitzen und absaufen, wenn nicht jeder rudert. Bei anderen Clubs hat es länger gedauert, bis sie gemerkt haben, was die Stunde geschlagen hat. Es war wichtig, dass wir eine strikte Budgetdisziplin eingeführt haben, einfach, weil uns das Wasser bis zum Hals stand. Wir hatten in der vergangenen Saison einen der geringsten Etats der Liga und sind dann Sechster geworden. Das hat allen hier noch mal einen Motivationsschub gegeben.
- Und prompt fingen manche Fans an, von der Bundesliga zu träumen.
- Tatsächlich haben uns einige gefragt, warum wir vor dem letzten Saisondrittel nicht den Aufstieg als Ziel ausgegeben haben. Ich verstehe diese Anspruchshaltung sogar. Der Großraum Karlsruhe ist eine erfolgreiche Region, und der KSC kann da noch nicht mithalten. Aber es bringt nichts, ständig von früher zu reden. Valencia ist Tradition, die gehört ins Museum, darauf sind wir im Rückblick stolz, sie bringt uns aber heute nichts mehr. Wenn du nur aus der Vergangenheit lebst, kannst du keine neue Tradition begründen, die auf Erfolg beruht.
- Auch Trainer Christian Eichner schien regelrecht erschrocken, als er gemerkt hat, wie schnell die Ansprüche wieder explodieren.
- Ich habe das so wahrgenommen, dass das eher eine Minderheit war. Es gab viele Leute, die loben, wie die Mannschaft Fußball spielt, und wie sich der KSC – auch in der Haushaltsführung – präsentiert. Auch künftig wollen wir nur noch das Geld ausgeben, das wir verdienen, und nicht auf der Grundlage von Schulden oder seltsamen Darlehensmodellen arbeiten. Wenn uns das gelingt, sind wir dann, wenn das neue Stadion voll nutzbar ist, so fit, dass wir dann so richtig durchstarten können.
- Sie sagten damals ebenfalls, dass der KSC der Entwicklung 15 bis 20 Jahre hinterherhinke. Sind es ein paar weniger geworden?
- Was ich meinte: Der KSC hat es lange verpasst, sich ein paar wichtige Fragen zu stellen. Jetzt haben wir für uns entschieden, welchen Teil der Kommerzialisierung wir mitmachen wollen, und welchen nicht, weil er nicht zu uns passt. Das sind wir sehr entschlossen angegangen, zuletzt in Workshops: Worauf kommt es uns an? Was ist der innere Antrieb? Daraus haben wir Handlungsfelder abgeleitet: Für Finanzen, Sport, Ticketing, Marketing, aber auch für den Umgang untereinander.
- Nach innen bestand also Handlungsbedarf. Haben die Fans und Mitglieder denn auch etwas von den Veränderungsprozessen?
- Wenn wir hier eine Idee entwickeln, die aber bei einer Gruppe – seien es die aktiven Fans oder Partner – nicht gut ankommt, wird es ja erst spannend. Der Profifußball muss sich damit auseinandersetzen, was von ihm erwartet wird. Sonst wird er seiner gesellschaftlichen Rolle nicht gerecht. Unser Umfeld war ausgetrocknet, viele haben sehr dankbar registriert, dass sie miteinbezogen und vor allem ernst genommen werden.
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