Sachsen will Babyklappen legalisieren

Donnerstag, 13. Dezember 2012
(Sächsische Zeitung)

Sachsen will Babyklappen legalisieren
Von Thilo Alexe
Wer anonyme Geburten unterstützt, verstößt eigentlich gegen das Gesetz. Das soll sich ändern.
Womöglich ist es die Angst, etwas nicht zu schaffen. Vielleicht sind es aber auch andere psychische Nöte oder Auseinandersetzungen mit dem Partner, die Frauen zu einem extremen Schritt treiben: ihr Kind anonym zu gebären oder es kurz nach der Entbindung abzugeben.

Bis zum Frühjahr wurden 44 Säuglinge im Freistaat in sogenannte Babyklappen gelegt. Seit Ende der 90er-Jahre gibt es die Einrichtungen in Deutschland. Bis Mai 2010 kamen nach einer Studie des Deutschen Jugendinstituts bundesweit 973 Kinder anonym zur Welt. Etwa ein Drittel wurde in Babyklappen gelegt. Zwei Drittel kamen im Krankenhaus zur Welt. Allerdings verweigerten die Entbindenden Angaben zu ihrer Person und ließen die Babys zurück.

Das ist nicht nur für Mutter und Kind problematisch. Denn genau genommen sind Babyklappen sowie anonyme Geburten nicht völlig gesetzeskonform. Ärzte oder Hebammen müssen Geborene beim Standesamt namentlich melden. Tun sie das nicht, begehen sie eine Ordnungswidrigkeit, die jedoch nicht geahndet wird. Wie aber kann eine Geburt gemeldet werden, wenn die Mutter nicht bekannt ist oder schweigt?

Sachsen will diese juristische Grauzone beseitigen. Die Koalitionsfraktionen von CDU und FDP beauftragen die Staatsregierung, sich im Bundesrat für eine neue Gesetzgebung einzusetzen. Die Zustimmung des Landtags am Freitag gilt als Formsache. „Wir wollen mit dem Antrag Rechtssicherheit schaffen“, sagt einer der Autoren, der FDP-Fraktionsvize und Justizpolitiker Carsten Biesok.

Sechs Standorte im Freistaat

20 Mal sind in sächsischen Kliniken Kinder anonym zur Welt gekommen, wie aus der Regierungsantwort auf eine Anfrage der Abgeordneten Annekatrin Klepsch (Linke) hervorgeht. Die Möglichkeit zur anonymen Geburt bieten demnach unter anderem das Diakonissenkrankenhaus in Dresden, mehrere Leipziger Kliniken und die Geburtsklinik Mittweida an. Zu den Standorten der sechs Babyklappen zählen neben den Großstädten Bautzen, Aue und Plauen.

„Alle Personen, die eine Babyklappe betreiben oder die Frauen bei anonymen Geburten beistehen, handeln damit streng genommen rechtswidrig“, sagt Biesok. Ein Zustand, den er nicht länger akzeptieren will. Unproblematisch ist das allerdings nicht. Kritiker bemängeln, dass gesetzliche Erleichterungen womöglich mehr Mütter dazu veranlassen, ihr Kind anonym zur Welt zu bringen. Auf Bundesebene scheiterten deshalb bereits mehrere Anläufe für eine Rechtsänderung. Derzeit versucht sich Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) an einer Neuregelung. Sachsen soll sie dabei unterstützen.

„Wir stehen zu Babyklappen und anonymen Geburten als Ultima Ratio“, sagt Biesok. „Es geht darum, sie als allerletzten Weg in der Not anzubieten.“ Selbst bei äußerst konservativen Politikern dürfte unstrittig sein, dass die an ein Alarmsystem gekoppelten Babyklappen dem Säugling eine rasche und professionelle Versorgung garantieren.

Kinder kehren zurück

Am häufigsten wurde in Sachsen die Chemnitzer Babyklappe genutzt. Unbekannte legten 21 Kinder hinein, darunter einen toten Säugling. 16 Fälle sind für Dresden bekannt. Die Kinder werden meist adoptiert oder kommen in die sogenannte Adoptionspflege.

Das Wichtigste: Sie überleben. Nicht ausgeschlossen ist, dass sie später doch Kontakt zu ihrer Mutter oder beiden Eltern bekommen. In fünf Fällen haben sich die Eltern, die sogenannte Herkunftsfamilie, bei den Jugendämtern gemeldet. Sie konnten versichern, dass es sich bei den zunächst abgegebenen Kindern um ihre handelt. Diese kehrten darauf in ihre Familien zurück.