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Staatsanwalt fordert Gefängnis für alle Hooligans

Apr 9th, 2013
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  1. Sächsiche Zeitung online
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  3. Dienstag, 09.04.2013
  4. Staatsanwalt fordert Gefängnis für alle Hooligans
  5. Im Mammut-Prozess gegen die fünf Angeklagten wurde gestern überraschend das erste Plädoyer gehalten.
  6. Von Alexander Schneider
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  8. Es dauert ein paar Minuten, ehe die fünf Angeklagten und ihre Verteidiger wieder ihre Fassung zurückerlangen. Soeben hat Staatsanwalt Ingolf Wagner harte Haftstrafen für alle fünf gefordert. An diesem Montag fand im Landgericht Dresden gerade der 88. Sitzungstag im sogenannten Hooligan-Prozess statt. „Als hätte es keine eineinhalbjährige Beweisaufnahme gegeben“, schimpft ein Anwalt als Erster. „Was haben wir eigentlich die ganze Zeit gemacht?“ Das Plädoyer der Staatsanwaltschaft sei „Unfug“, ein „Trauerspiel“, pflichtet ein Kollege bei.
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  10. Der Prozess gegen die mutmaßlichen Anführer der „Hooligans Elbflorenz“ begann im August 2011. Erstmals stehen in Deutschland Fußball-Hooligans wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung vor Gericht. Die strafrechtlich bisher unklare Situation ist einer der Gründe, warum die Beweisaufnahme so lange dauerte. Dass jeder Angeklagte zwei Verteidiger an seiner Seite hat, ist ein anderer. Doch auch Staatsanwalt Wagner ist völlig überrascht, als Richter Peter Lames, der Vorsitzende der Staatsschutzkammer, vormittags plötzlich die Beweisaufnahme schließt und ihn um das Plädoyer bittet. Wagner fordert, alle fünf Männer so wie im Mai 2011 angeklagt zu verurteilen – wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, schweren Landfriedensbruchs und, mit Nuancen im Detail, gefährlicher Körperverletzung.
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  12. Bis zu dreieinhalb Jahre Haft
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  14. Die höchste Strafe von dreieinhalb Jahren Haft soll der mutmaßliche Chef der Gruppe erhalten, ein 37-jähriger Versicherungsmakler aus Pirna. Sein Stellvertreter, ein 36-jähriger Unternehmer aus Dresden, sowie zwei Mitangeklagte (27, 29) aus Dresden und Pirna, die laut Wagner „in der Hierarchie der Vereinigung nicht ganz so weit oben angesiedelt“ gewesen seien, sollen je zweieinhalb Jahre in Haft. Die mit 22 Monaten geringste Strafe fordert Wagner für den bereits einschlägig vorbestraften Willy K. (26) – jedoch ohne Bewährung.
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  16. In knapp eineinhalb Stunden fasst Wagner die Ergebnisse der eineinhalbjährigen Beweisaufnahme zusammen, nennt das regelmäßige Training zweimal die Woche in einer Pirnaer Turnhalle und das „hoch konspirative Vorgehen“. Zweck der kriminellen Vereinigung waren gezielte Verabredungen zu sogenannten Drittort-Auseinandersetzungen, wie Ermittler die Hooligan-Matches nennen. Diese nicht immer einvernehmlichen Schlägereien fanden laut Wagner nicht nur abseits der Zivilisation statt, auch auf Parkplätzen, neben Stadien oder in Innenstädten. Regeln habe es bei diesen Hooligan-Kämpfen nach seiner Überzeugung nur bedingt gegeben, sie seien wohl auch „Auslegungssache“ gewesen.
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  18. Bei einem solchen Match in einem hessischen Waldstück sei ein Hooligan aus Frankfurt lebensgefährlich verletzt worden. „Er wurde von hinten niedergeschlagen“, sagt Wagner, minutenlang habe sich niemand um den Verletzten gekümmert. Einige der Angeklagten hätten auch im Juni 2008 während der Fußball-EM an den Überfällen auf vier Dönerläden mitgewirkt – und sei es nur im Hintergrund.
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  20. Weil Willy K. als einziger schon eine Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren wegen schweren Landfriedensbruchs im Zusammenhang mit den Döner-Überfällen verbüßt hat, könne er dafür nicht erneut verurteilt werden, sagt Wagner. Daher fordere er für K. eine geringere Strafe.
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  22. Interessant ist, was Wagner in seinem Plädoyer nicht sagt: Dass nämlich alle Angeklagten eine „mehr oder weniger stark ausgeprägte rechte Gesinnung vereine“, was anhand der Überfälle auf die türkischen oder kurdischen Lokale in der Neustadt sichtbar geworden sei. Diese Ansicht vertritt die Staatsschutzkammer. Doch sie wird weder von Wagner, noch von den Angeklagten und ihren Verteidigern geteilt.
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  24. Wagner dagegen betont, dass selbst heute – nach also fast fünf Jahren – das Motiv der Überfälle nicht geklärt ist. Es könnte sich dabei auch um eine Fehde oder Macht-Demonstration in der Türsteherszene handeln. Die Staatsanwaltschaft geht bei diesen Überfällen offenbar eher nicht von einer klassischen, politisch motivierten Tat Rechtsextremer aus. Nicht allen Angeklagten sei eine rechtsextreme Gesinnung nachzuweisen, so Wagner. Die Beweisaufnahme habe jedoch ergeben, dass sie darauf aus waren, ihre Gegner zu verletzen. Daher fordere er eine Strafe, die nicht mehr am unteren Bereich liegen könne.
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  26. Die Verteidiger werden ab der kommenden Woche plädieren und sind auf Freisprüche aus. Sie sehen in den Matches einvernehmliche Sportwettkämpfe, mit Regeln und Schiedsrichtern. Die müsse man ja nicht gutheißen, aber nicht alles, was man nicht gut findet, erfülle zwangsläufig einen Straftatbestand, sagt einer.
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