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Guest User

Religion in Deutschland

a guest
Mar 22nd, 2018
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  1. Vorab zur Einordnung meiner Perspektive: Ich selbst bin Agnostiker und u.a. im religionswissenschaftlichen Bereich tätig. Die beiden großen Staatskirchen und ihre institutionellen und rechtlichen Privilegien kenne ich durch und durch. Sie sind z.T. (wie im Gesundheits- oder Bildungswesen) massiv, aber Du kannst ihnen ziemlich problemlos ausweichen, wenn Du denn willst.
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  3. Die christlichen Kirchen befinden sich seit vielen Jahrzehnten in einer grunddefensiven Haltung: Die Mitgliederzahlen schwinden, Kirchenhäuser verfallen, (Sex-)Skandale belasten die moralische Glaubwürdigkeit, die gesellschaftliche Relevanz christlicher Positionen schwindet. Weder von den kirchlichen Funktionären, und erst recht nicht vom durchschnittlichen Kirchenmitglied (das in den meisten Fällen maximal Weihnachten in die Kirche geht), hast Du eine aggressiv-fordernde Haltung in Bezug auf „mehr Raum und Rücksichtnahme auf das Religiöse im öffentlichen Raum“ zu befürchten. Die sind alle froh, wenn sie das behalten dürfen, was sie haben, ohne ständig dafür einzustecken.
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  5. Der Einfluss der Kirche beruht auf der Rechtssicherheit z.T. jahrhundertealter Staatskrichenverträge – und kann nicht ohne Weiters zurückgefahren werden, ohne in einem Willkürstaat zu landen. Die Kirchenvertreter wiederum wissen, dass sie gut beraten sind, nicht allzu fordernd auftreten – es könnte ja z.B. ein Bundesland auf die Idee kommen, ob es sich wirklich eine theologische Fakultät leisten muss, in der solche religiösen Querulanten ausgebildet werden.
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  7. Meine zentrale These ist: Das Problem des Islam in Deutschland lässt sich bereits heute in vielen Stadtteilen als klare Tendenz (noch nicht als die alles bestimmende Kraft) beobachten: Wo die Muslime Mehrheiten bilden, fordern sie zunehmend eine Gestaltung des öffentlichen Raumes nach ihren Wertmaßstäben (und zwar auch von Nichtmuslimen): Getrennter Sportunterricht, kein Sportunterricht während des Ramadan, Frauenbadetage, kein Schweinefleisch an Kantinen, Forderung von Gebetsräumen usw. Hinzu kommt eine gegenseitige Sozialkontrolle wie etwa die Ächtung von Mädchen, die kein Kopftuch tragen, als „Schlampen“.
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  9. Die Reaktion auf religiöse Provokation im öffentlichen Raum habe ich nun aus folgendem Grund eingeführt: An ihr kannst Du besser als an irgendeinem anderen Orientierungskriterium erkennen, wie ausgeprägt die Distanzierungsfähigkeit des „durchschnittlichen Gläubigen“ von den moralischen Forderungen seines Glaubens bzgl. des Verhaltens im öffentlichen Raum ist. Hier „kommt Butter bei Fische“, wie sehr Dein Gegenüber wirklich akzeptiert, dass in einer säkularen Gesellschaft, das Recht auf öffentliche Religionskritik (die historisch und normativ das Fundament der westlichen Gesellschaften bildet), wichtiger ist als die Unversehrtheit seiner religiösen Gefühle und Überzeugungen.
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  11. Und das bedeutet, dass Du hieran erkennst, ob Dein Gegenüber sich damit abfinden kann, dass Religion seine Privatsache ist – und sich aus ihr keine Forderungen im (und an den) öffentlichen Raum entwickeln lassen, die man zur Not auch mit Gewalt durchsetzt bzw. verteidigt.
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  13. Insofern führen wir jetzt eine definitorische Diskussion darum, wie der Begriff ‚größter religiöser Einfluss‘ in Deutschland zu füllen ist – und was daraus dann für praktische Prioritäten im „Säkularistsein“ ableiten.
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  15. Dass Du hier meiner Konsequenz aus dem Dom-Beispiel so deutlich ausweichst, verstehe ich ehrlich gesagt nicht. Denn es dürfte in den letzten 15 Jahren mehr als deutlich geworden sein, wie sehr die Gewaltbereitschaft einiger (aber keinesfalls weniger) Muslime den öffentlichen Raum bestimmt. Islamkritiker wie Hamed Abdel-Samad oder Seyran Ateş können sich innerhalb deutscher Großstädte nur mit Polizeischutz bewegen. Die Reaktion auf (also solche wahrgenommene) Provokation bestimmt unser Leben heute schon massiv. Dies gilt besonders für liberal-säkulare Muslime, die z.B. den Koran kritisieren oder gar Atheisten oder Christen werden.
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  17. Solche eine Bedrohungslage für Leib und Leben hast Du von ca. 46 Mio. Christen in Deutschland auch bei massivster Provokation nicht zu befürchten – aber unter ca. 5 Mio. Muslimen finden sich bereits heute genügend, damit es zu einer solchen Bedrohungslage kommt.
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  19. Daher kann ich Deine Prioritätensetzung beim besten Willen nicht verstehen. Was nicht bedeutet, dass eine Kritik an christlich-politischer Einflussnahme nicht immer wieder Not tut (und u.a. mein „täglich Brot“ darstellt).
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