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EGMR, 30562/04 u. 30566/04 (S. u. Marper/UK)

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Oct 21st, 2011
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  1. EGMR (Große Kammer), Urt. v. 4.12.2008 – 30562/04 u. 30566/04 (S. u. Marper/Vereinigtes Königreich)
  2.  
  3. Zum Sachverhalt: 1. Die Bf., britische Staatsbürger, 1989 und 1963 geboren, leben in Sheffield. Der Bf. zu 1, S , damals elf Jahre alt, wurde am 19.1.2001 verhaftet und wegen versuchten Raubes angeklagt, aber am 14.6.2001 freigesprochen. Der Bf. zu 2, Michael Marper, wurde am 13.3.2001 verhaftet: seine Partnerin hatte ihn beschuldigt, sie belästigt zu haben, zog ihre Anzeige aber vor Eröffnung des Hauptverfahrens zurück, worauf die StA das Verfahren am 14.6.2001 einstellte. Beide Bf. beantragten ohne Erfolg die Vernichtung der Fingerabdrücke, die ihnen die Polizei nach der Verhaftung abgenommen hatte, sowie der DNA-Profile, die aus ebenfalls abgenommen Zellproben hergestellt worden waren. Ihre Anträge auf gerichtliche Überprüfung wies das zuständige Verwaltungsgericht am 22.3.2002 zurück. Seine Entscheidungbestätigten das Berufungsgericht (Court of Appeal) am 12.9.2002 und das House of Lords am 22.7.2004, beide Gerichte nach eingehender Auseinandersetzung mit Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) und Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot).
  4.  
  5. 2. Am 16.8.2004 haben die Bf. den Gerichtshof angerufen und geltend gemacht, die britischen Behörden hätten mit der Speicherung ihrer Fingerabdrücke, der Zellproben und der DNA-Profile Art. 8 EMRK und Art.14 EMRK verletzt. Eine Kammer der IV. Sektion hat die Beschwerde am 16.1.2007 für zulässig erklärt und die Sache am 10.7.2007 an die Grosse Kammer abgegeben (Art. 30 EMRK; Art. 72 VerfO). Der Präsiden hat Liberty und Privacy International (beide London) Gelegenheit gegeben, in dem Verfahren schriftlich Stellung zu nehmen (Art. 36 II EMRK; Art. 44 II VerfO). Aufgrund einer mündlichen Verhandlung vom 27.2.2008 hat der Gerichtshof am 4.12.2008 einstimmig entschieden, Art. 8 EMRK sei verletzt, es sei nicht erforderlich, den auf Art. 14 EMRK gestützten Beschwerdepunkt zu prüfen, und die Feststellung der Verletzung von Art. 8 EMRK sei eine ausreichende Entschädigung für den Nichtvermögensschaden der Bf.. Außerdem hat er das Vereinigte Königreich, ebenfalls einstimmig, verurteilt, den Bf. als Ersatz für Kosten und Auslagen 42.000 € zu zahlen, abzüglich der vom Europarat gewährten Prozesskostenhilfe in Höhe von 2613,07 €.
  6.  
  7. Aus den Gründen: I. Behauptete Verletzung von Art. 8 EMRK
  8.  
  9. 58. Die Bf. beschweren sich darüber, dass ihre Fingerabdrücke, die Zellproben und die DNA-Profile nach § 64 I A des (2001 geänderten) Gesetzes von 1984 über die Polizei und die Beweismittel im Strafverfahren („Gesetz von 1984“) auf Vorrat gespeichert wurden. Sie sehen darin eine Verletzung von Art. 8 EMRK ... .
  10.  
  11. A. Eingriff in das Privatleben
  12.  
  13. 59. Zunächst ist zu prüfen, ob die britischen Behörden mit dieser Speicherung in das Privatleben der Bf. eingegriffen haben.
  14.  
  15. 1. Vortrag der Parteien
  16.  
  17. a) Die Bf.
  18.  
  19. 60.-62. Die Bf. machen (zusammengefasst) geltend, ihre Fingerabdrücke sowie die Zellproben und die DNA-Profile seien eng mit ihrer persönlichen Identität verknüpft und enthielten Informationen zu ihrer Person, über die sie die Kontrolle zu behalten berechtigt seien. Sie weisen insbesondere auf die gesellschaftliche Stigmatisierung und die psychologischen Auswirkungen einer solchen Speicherung bei Kindern wie dem Bf. zu 1 hin. Bei Zellproben sei der Eingriff noch schwerer, da sie umfassende genetische Informationen über den Betroffenen und seine nahen Angehörigen enthielten.
  20.  
  21. b) Die Regierung
  22.  
  23. 63.-65. Die Regierung räumt (zusammengefasst) ein, dass Fingerabdrücke, Zellproben und DNA-Profile „personenbezogene Daten“ i.S. des britischen Gesetzes über den Datenschutz („Datenschutzgesetz“) vom 16.7.1998 sind, doch falle die Vorratsspeicherung allein nicht in den Anwendungsbereich von Art. 8 EMRK. Die Bf. fürchteten in Wahrheit die künftige Verwendung des gespeicherten Materials, die das Gesetz aber klar und ausdrücklich begrenze. Selbst wenn Art. 8 EMRK in diesem Fall anwendbar sei, wäre die Vorratsspeicherung angesichts der äußerst geringen Wahrscheinlichkeit nachteiliger Auswirkungen nicht ernst genug, um einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens darzustellen.
  24.  
  25. 2. Beurteilung durch den Gerichtshof
  26.  
  27. a) Grundsätze
  28.  
  29. 66. Der Begriff des „Privatlebens“ ist umfassend und einer abschließenden Definition nicht zugänglich. Darunter fallen die körperliche und die geistige Integrität einer Person (s. EGMR, Slg. 2002-III Nr. 61 = NJW 2002, 2851 (2853) – Pretty/Vereinigtes Königreich; EGMR, Slg. 2003-IX Nr. 33 – Y.F./Türkei) und damit auch zahlreiche Aspekte der körperlichen und sozialen Identität (EGMR, Slg. 2002-I Nr. 53 – Mikulic/Kroatien). Teilbereiche wie etwa die geschlechtliche Identität, der Name und die sexuelle Ausrichtung sowie das Sexualleben gehören zu der von Art. 8 EMRK geschützten Privatsphäre (s. u.a. EGMR, Slg. 2001-I Nr. 47 – Bensaid/Vereinigtes Königreich, mit weiteren Nachweisen; EGMR, Slg. 2003-I Nr. 57 = ÖJZ 2004, 651 – Peck/Vereinigtes Königreich). Neben dem Namen kann das Privat- oder Familienleben einer Person auch andere Formen der persönlichen Identifizierung und der Verbindung mit einer Familie einschließen (s. mutatis mutandis EGMR, 1994, Serie A, Bd. 280, S. 28 Nr. 24 = ÖJZ 1994, 559 – Burghartz/Schweiz; EGMR, Slg. 2004-X Nr. 42 = FamRZ 2005, 427 – Ünal Tekeli/Türkei). Informationen über den gesundheitlichen Zustand einer Person sind wichtiger Bestandteil des Privatlebens (s. EGMR, Slg. 1997-I, S. 342 Nr. 71 = ÖJZ 1998, 152 – Z./Finnland). Auch die ethnische Identität gehört dazu (s. insbesondere Art. 6 des Übereinkommens des Europarats zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten vom 28.1.1981 („Datenschutzkonvention“), der personenbezogene Daten, die auf die ethnische Herkunft schließen lassen, zusammen mit anderen sensiblen Daten über eine Person als eine besondere Art von Daten bezeichnet ...). Art. 8 EMRK schützt außerdem das Recht auf persönliche Entwicklung sowie das Recht darauf, Beziehungen zu anderen Personen und zur Außenwelt herzustellen (s. z.B. EKMR, Serie A, Bd. 280, S. 37 Nr. 47 = ÖJZ 1994, 559 – Burghartz/Schweiz; EKMR, Serie A, Bd. 305, S. 20 Nr. 45 – Friedl/Österreich). Schließlich umfasst der Begriff des Privatlebens auch Aspekte, die das Recht einer Person auf ihr Bild betreffen (s. EGMR, Slg. 2005-I Nr. 29 – Sciacca/Italien).
  30.  
  31. 67. Schon die Vorratsspeicherung von Daten über das Privatleben einer Person ist ein Eingriff i.S. von Art. 8 EMRK (s. EGMR, 1987, Serie A, Bd. 116, S. 22 Nr. 48 – Leander/Schweden). Ob die gespeicherten Informationen später verwertet werden oder nicht, spielt dabei keine Rolle (s. EGMR, Slg. 2000-II Nr. 69 = ÖJZ 2001, 71 – Amann/Schweiz). Doch ist bei der Entscheidung, ob die von Behörden gespeicherten personenbezogenen Daten einen der oben genannten Aspekte des Privatlebens berühren, der besondere Zusammenhang zu berücksichtigen, in dem die Informationen gesammelt und gespeichert wurden, sowie die Art der Informationen, die Form ihrer Verwendung und Verarbeitung und das Ergebnis, zu dem das führen kann (s. EKMR, Serie A, Bd. 305, S. 21 Nr. 49-51 – Friedl/Österreich; EGMR, Slg. 2003-I Nr. 59 = ÖJZ 2004, 651 – Peck/Vereinigtes Königreich).
  32.  
  33. b) Anwendung dieser Grundsätze im vorliegenden Fall
  34.  
  35. 68. Zunächst ist festzuhalten, dass die drei Arten der von den Behörden im Fall der Bf. gespeicherten Informationen, nämlich die Fingerabdrücke, die Zellproben und die DNA-Profile, personenbezogene Daten i.S. der Datenschutzkonvention des Europarats von 1981 sind (für das Vereinigte Königreich am 1.12.1987 in Kraft getreten), da sie sich auf bestimmte oder bestimmbare Personen beziehen. Die Regierung hat zugestanden, dass es sich bei diesen drei Kategorien um „personenbezogene Daten“ i.S. des britischen Datenschutzgesetzes von 1998 handelt, die sich in Händen von Personen befinden, welche die Betroffenen identifizieren können.
  36.  
  37. 69. Die Konventionsorgane waren bereits in verschiedenen Fällen mit der behördlichen Speicherung solch personenbezogener Daten in Zusammenhang mit einem Strafverfahren befasst. Hinsichtlich der Art und des Umfangs der in jeder jener drei Arten von Daten enthaltenen Informationen hat der Gerichtshof in der Vergangenheit zwischen der Speicherung von Fingerabdrücken sowie der von Zellproben und DNA-Profilen unterschieden, weil die Informationen in den Daten der zwei letzteren Kategorien größere Möglichkeiten für eine spätere Verwertung bieten (s. EGMR, Slg. 2006-XV – Van der Velden/Niederlande). Es ist daher angebracht, den Eingriff in das Recht der Bf. auf Achtung ihres Privatlebens für die Vorratsspeicherung der Zellproben und der DNA-Profile und für die der Fingerabdrücke jeweils getrennt zu prüfen.
  38.  
  39. (i) Zellproben und DNA-Profile
  40.  
  41. 70. Im Fall Van der Velden/Niederlande (EGMR, Slg. 2006-XV) hat der Gerichtshof entschieden, dass die systematische Vorratsspeicherung angesichts der in der Zukunft durchaus vorstellbaren Verwertung insbesondere von Zellmaterial ausreiche, sie als einen Eingriff in das Recht auf Privatleben zu werten. Die Regierung greift diese Feststellung mit der Begründung an, das sei Spekulation über die theoretische künftige Verwendung des Materials, zurzeit liege kein Eingriff vor.
  42.  
  43. 71. Der Gerichtshof hält an seiner Auffassung fest, dass die Befürchtungen des Einzelnen über die mögliche zukünftige Benutzung personenbezogener, von den Behörden gespeicherter Informationen berechtigt und für die Entscheidung, ob ein Eingriff vorliegt, erheblich ist. Angesichts der rapiden Entwicklung auf den Gebieten der Genforschung und der Informationstechnologie lässt sich nicht ausschließen, dass Interessen des Privatlebens in Zusammenhang mit genetischen Informationen auf neue und heute noch nicht vorstellbare Art und Weise beeinträchtigt werden können. Daher gibt es keinen hinreichenden Grund, von der Entscheidung im Fall Van der Velden/Niederlande (EGMR, Slg. 2006-XV) abzugehen.
  44.  
  45. 72. Berechtigte Sorge um die in der Zukunft mögliche Verwendung von Zellmaterial ist jedoch nicht der einzige Aspekt, der bei der hier zu treffenden Entscheidung zu berücksichtigen ist. Zusätzlich zu der höchst persönlichen Art dieses Materials enthält es viele sensible Informationen über eine Person, einschließlich ihrer Gesundheit, außerdem einen einzigartigen genetischen Code von größter Bedeutung für den Betroffenen wie für seine Angehörigen. Insoweit stimmt der Gerichtshof Baroness Hale im Urteil des House of Lords zu ... .
  46.  
  47. 73. Angesichts der Art und des Umfangs der im Zellmaterial enthaltenen personenbezogenen Informationen muss die bloße Vorratsspeicherung von Zellproben als Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens der betroffenen Person angesehen werden. Dass die Behörden mit einem DNA-Profil tatsächlich nur wenige Informationen gewinnen und verwenden und im Einzelfall kein unmittelbarer Schaden eintritt, ändert nichts an dieser Feststellung (s. EGMR, Slg. 2000-II Nr. 69 = ÖJZ 2001, 71 – Amann/Schweiz).
  48.  
  49. 74. DNA-Profile enthalten eine geringere Menge an personenbezogenen Informationen, die in kodierter Form aus dem Zellmaterial gewonnen werden. Die Regierung führt aus, ein DNA-Profil sei nicht mehr als eine Folge von Zahlen oder ein Strichcode mit rein objektiven und nicht widerlegbaren Informationen und nur im Fall einer Übereinstimmung mit einem anderen Profil in der Datenbank sei es möglich, eine Person zu identifizieren. Wegen der kodierten Form müssten die Informationen mit Hilfe von Computertechnologie lesbar gemacht werden und nur eine begrenzte Anzahl von Personen sei in der Lage, die fraglichen Daten zu lesen.
  50.  
  51. 75. Nichtsdestotrotz enthält ein DNA-Profil erhebliche Mengen einzigartiger personenbezogener Daten. Selbst wenn die darin liegenden Informationen objektiv und unwiderlegbar sind, wie es die Regierung sieht, ermöglicht die automatische Datenverarbeitung den Behörden, weit über eine neutrale Identifizierung einer Person hinauszugehen. Die Regierung selbst hat eingeräumt, dass DNA-Profile für die Suche nach Familienangehörigen benutzt werden können, was auch vorgekommen ist, um eine mögliche genetische Verbindung zwischen verschiedenen Personen aufzudecken. Sie hat auch zugestanden, dass eine solche Suche höchst heikel ist und eine sehr strenge Kontrolle verlangt. Dass es mit DNA-Profilen möglich ist, genetische Verbindungen zwischen Personen aufzudecken ..., reicht nach Auffassung des Gerichtshofs für die Feststellung, dass ihre Vorratsspeicherung in das Recht auf Achtung des Privatlebens des Betroffenen eingreift. Die Häufigkeit solcher Suche nach Familienbanden, die dabei vorgesehenen Sicherungen und die Wahrscheinlichkeit eines Schadens im Einzelfall sind insoweit unerheblich (s. EGMR, Slg. 2000-II Nr. 69 = ÖJZ 2001, 71 – Amann/Schweiz). Auch der Umstand, dass die Informationen, weil kodiert, nur mittels Computertechnologie lesbar sind und nur von einer begrenzten Anzahl von Personen gelesen werden können, berührt diese Feststellung nicht.
  52.  
  53. 76. Die Regierung bestreitet im Übrigen auch nicht, dass die Nutzung von DNA-Profilen den Behörden ermöglicht, die ethnische Herkunft des Betroffenen mit einiger Wahrscheinlichkeit festzustellen, und dass die Polizei bei ihren Ermittlungen tatsächlich auf solche Techniken zurückgreift ... . Die Möglichkeit, aus DNA-Profilen Schlüsse auf die ethnische Herkunft einer Person zu ziehen, macht ihre Speicherung noch heikler und anfällig für eine Beeinträchtigung des Rechts auf Achtung des Privatlebens. Dieses Ergebnis stimmt mit den Grundsätzen der Datenschutzkonvention des Europarts überein, die sich im britischen Datenschutzgesetz widerspiegeln: in beiden Texte gehören personenbezogene Daten, aus denen sich die ethnische Herkunft ergibt, zu den besonderen Kategorien sensibler Daten mit erhöhten Anforderungen an ihre Sicherheit ...
  54.  
  55. 77. Angesichts all dessen kommt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass die Vorratsspeicherung von Zellproben und DNA-Profilen ein Eingriff in das Recht der Bf. auf Achtung ihres Privatlebens i.S. von Art. 8 I EMRK ist.
  56.  
  57. (ii) Fingerabdrücke
  58.  
  59. 78. Feststeht, dass Fingerabdrücke nicht so viele Informationen enthalten wie Zellproben und DNA-Profile. Mit der Frage, ob ihre Speicherung durch die Behörden in das Recht auf Achtung des Privatlebens des Betroffenen eingreift, haben sich die Konventionsorgane bereits auseinandergesetzt.
  60.  
  61. 79. Im Fall McVeigh, O’Neill u. Evans/Vereinigtes Königreich (EKMR, 1981, Decisions and Reports (D.R.), Bd. 25, S. 15 Nr. 224) hat die Kommission die Abnahme und Speicherung von Fingerabdrücken als Teil verschiedener Ermittlungsmaßnahmen behandelt. Dabei hat sie gemeint, wenigstens einige dieser Maßnahmen hätten in das Privatleben der Bf. eingegriffen, allerdings offen gelassen, ob die Speicherung von Fingerabdrücken allein einen solchen Eingriff darstellt.
  62.  
  63. 80. Im Fall Kinnunen/Finnland (EKMR, Entsch. v. 15.5.1996 – 24950/94) war sie der Auffassung, die nach der Verhaftung des Bf. gespeicherten Fingerabdrücke und Fotos hätten nicht in sein Privatleben eingegriffen, da sie keine subjektive, angreifbare Wertung enthielten. Allerdings hat sie dabei vermerkt, dass Fingerabdrücke und Fotos neun Jahre später auf Antrag des Bf. vernichtet worden waren.
  64.  
  65. 81. Angesichts dieser Feststellungen und der Fragen, die sich im vorliegenden Fall stellen, ist es notwendig, das Problem erneut zu prüfen. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass die Fingerabdrücke der Bf. personenbezogene Daten sind ... mit einigen äußeren Merkmalen, die – wie Fotos oder Stimmproben - ihre Identifizierung ermöglichen.
  66.  
  67. 82. Im Fall Friedl/Österreich (EGMR, 1995, Serie A, Bd. 305, Nr. 49-51) hat die Kommission gemeint, die Speicherung anonymer Fotos von einer öffentlichen Demonstration greife nicht in das Recht auf Achtung des Privatlebens ein. Dabei hat sie besonderes Gewicht darauf gelegt, dass die Fotos nicht in ein Datenverarbeitungssystem aufgenommen worden waren und die Behörden keine Schritte unternommen hatten, die fotografierten Personen durch Datenverarbeitung zu identifizieren.
  68.  
  69. 83. Im Fall P.G. u. J.H./Vereinigtes Königreich (EGMR, Slg. 2001-IX Nr. 59-60 = ÖJZ 2002, 911) hat der Gerichtshof entschieden, dass die Datenerhebung und die systematische oder ständige Form der Speicherung die Anwendbarkeit des Rechts auf Achtung des Privatlebens begründen können, obwohl die fraglichen Daten möglicherweise öffentlich oder anders zugänglich waren. Die dauerhafte Speicherung der Stimme einer Person für spätere Analysen erleichtere eindeutig die Identifizierung, wenn man diese Maßnahme zusammen mit anderen personenbezogenen Daten sehe. Daher sei die Speicherung der Stimme der Bf. für solche späteren Analysen ein Eingriff in ihr Recht auf Achtung ihres Privatlebens.
  70.  
  71. 84. Dieser allgemeinen Linie der Konventionsorgane für Fotos und Stimmproben ist auch bei Fingerabdrücken zu folgen. Die Regierung sieht das anders. Sie meint, Fingerabdrücke seien neutrales, objektives und unwiderlegbares Material und, im Gegensatz zu Fotos, für das ungeübte Auge sowie ohne Abgleichung mit anderen Fingerabdrücken nicht lesbar. Das stimmt zwar, aber es ändert nichts an der Tatsache, dass Fingerabdrücke objektiv unverwechselbare, personenbezogene Informationen enthalten, die unter vielerlei Umständen eine genaue Identifizierung des Betroffenen ermöglichen. Daher können sie sein Privatleben berühren, und die Speicherung dieser Informationen ohne seine Zustimmung lässt sich nicht als neutral oder belanglos ansehen.
  72.  
  73. 85. Deswegen kann schon die Vorratsspeicherung von Fingerabdrücken einer identifizierten oder identifizierbaren Person in einer behördlichen Datenbank erhebliche Befürchtungen wegen ihres Privatlebens wecken, obwohl es sich bei ihnen um objektives und nicht widerlegbares Datenmaterial handelt.
  74.  
  75. 86. Die Fingerabdrücke der Bf. wurden hier außerdem in Zusammenhang mit einem Strafverfahren abgenommen und anschließend in einer landesweiten Datenbank ausschließlich zum Zweck ihrer dauerhaften Aufbewahrung und einem regelmäßigen, automatischen Abgleich zur Identifizierung von Straftätern gespeichert. Es ist richtig, dass sich in dieser Hinsicht die Speicherung von Zellproben und DNA-Profilen wegen der in ihnen enthaltenen Informationen stärker auf das Privatleben auswirkt als die Speicherung von Fingerabdrücken. Doch ist der Gerichtshof mit Baroness Hale im House of Lords ... der Meinung, dass auch die Speicherung von Fingerabdrücken in das Recht auf Achtung des Privatlebens eingreift, wenngleich bei der Frage der Rechtfertigung zu unterscheiden sein mag zwischen der Abnahme, Verwertung und Speicherung von Fingerabdrücken einerseits und von Zellproben und DNA-Profilen auf der anderen Seite.
  76.  
  77. B. Rechtfertigung des Eingriffs
  78.  
  79. 1. Vortrag der Parteien
  80.  
  81. a) Die Bf.
  82.  
  83. 87.-89. Die Bf. tragen (zusammengefasst) vor, die Vorratsspeicherung der Fingerabdrücke, Zellproben und DNA-Profile sei nach Art. 8 II EMRK nicht gerechtfertigt. Die damit verfolgten Ziele seien unbestimmt und öffneten Missbrauch Tür und Tor. Die verfahrensrechtlichen Sicherungen dagegen seien unzulänglich. Nicht nur die Polizei, auch 56 andere Behörden hätten Zugriff auf diese Daten. Außerdem sei die Datenbank mit dem Informationssystem von Schengen verbunden. Die Regierung habe nicht nachgewiesen, dass die dank der Datenbank erreichte hohe Zahl der Übereinstimmungen zu erfolgreicher Strafverfolgung geführt hätte. Die Speicherung sei unverhältnismäßig, weil sie generell und ohne Rücksicht auf die Art der Straftat durchgeführt werde. Im Fall eines Freispruchs oder der Einstellung eines Strafverfahrens entstünde bei fortdauernder Speicherung außerdem der Eindruck, die Betroffenen seien nicht ganz unschuldig.
  84.  
  85. b) Die Regierung
  86.  
  87. 90.-94. Die Regierung erwidert (zusammengefasst), der Eingriff sei nach Art. 8 II EMRK gerechtfertigt: gesetzlich vorgesehen und gerichtlich überprüfbar, verfolge er berechtigte Ziele, nämlich die Aufrechterhaltung der Ordnung, die Verhütung von Straftaten sowie den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Die Gesellschaft habe ein vitales Interesse daran, dass die Sicherheitsbehörden im Kampf gegen das Verbrechen und den Terrorismus mit modernster Technik ausgestattet würden. Die landesweite Datenbank enthalte 181.000 DNA-Profile, die vor Änderung des Gesetzes von 1984 im Jahre 2001 auf Antrag der Betroffenen hätten vernichtet werden müssen. Bei 8.251 wäre eine Verbindung zu insgesamt 13.079 Straftaten entdeckt worden, darunter 109 Morde, 55 versuchte Morde, 116 Vergewaltigungen, 67 andere Sexualdelikte, 105 Fälle schweren Raubes und 126 Fälle von Drogenbeschaffung. Die Vorratsspeicherung sei sicher und abgesichert, stigmatisiere die Betroffenen nicht und habe keinerlei praktische Konsequenzen für sie, es sei denn, das gespeicherte Material stimme mit den an einem Tatort gefundenen Spuren überein.
  88.  
  89. 2. Beurteilung durch den Gerichtshof
  90.  
  91. a) „gesetzlich vorgesehen“
  92.  
  93. 95. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs verlangt der Begriff „gesetzlich vorgesehen“, dass die angegriffene Maßnahme eine Rechtsgrundlage im staatlichen Recht hat und dem Rechtsstaatsprinzip entspricht, das ausdrücklich in der Präambel der Konvention erwähnt wird und Ziel und Zweck des Art. 8 EMRK zu Grunde liegt. Das Gesetz muss für die Betroffenen angemessen zugänglich und so bestimmt gefasst sein, dass sie – notfalls mit sachkundiger Hilfe – ihr Verhalten danach ausrichten können. Um diesen Anforderungen zu entsprechen, muss es angemessenen Rechtsschutz gegen Willkür bieten und daher mit ausreichender Klarheit den Umfang des Ermessens festlegen, den es den zuständigen Behörden einräumt, sowie die Art seiner Ausübung (s. EGMR, 1984, Serie A, Bd. 82, S. 31-32 Nr. 66-68 = EGMR 2, 452 – Malone/Vereinigtes Königreich; EGMR, Slg. 2000-V Nr. 55 = ÖJZ 2001, 74 – Rotaru/Rumänien; EGMR, Slg. 2000-II Nr. 56 = ÖJZ 2001, 71 – Amann/Schweiz).
  94.  
  95. 96. Der Grad der erforderlichen Bestimmtheit für das staatliche Recht – das natürlich nicht jede Einzelheit regeln kann – hängt erheblich vom Inhalt des Gesetzes ab, seinem Anwendungsbereich sowie der Zahl und Rechtsstellung der Adressaten (s. EGMR, Slg. 2000-XI Nr. 84 – Hasan u. Chaush/Bulgarien, mit weiteren Nachweisen).
  96.  
  97. 97. Das Gesetz von 1984 bestimmt in § 64, dass Fingerabdrücke und Proben, die einer Person in Zusammenhang mit strafrechtlichen Ermittlungen abgenommen wurden, nach Erfüllung ihres Zwecks aufbewahrt werden können ... . Der Regierung ist zuzustimmen, dass die Speicherung der Fingerabdrücke und DNA-Profile der Bf. eine klare Rechtsgrundlage im britischen Recht hat. Es steht auch eindeutig fest, dass diese Daten, von Ausnahmen abgesehen, in der Praxis aufbewahrt werden. Dadurch, dass höhere Polizeibeamte sie in seltenen Fällen vernichten können, wird das britische Gesetz unter dem Blickwinkel der Konvention nicht unbestimmt.
  98.  
  99. 98. Hinsichtlich der Voraussetzungen und Art und Weise der Vorratsspeicherung und Verwendung der persönlichen Informationen ist § 64 des Gesetzes von 1984 allerdings weit weniger bestimmt. Es heißt dort, gespeicherte Proben und Fingerabdrücke dürfen nur zu Zwecken benutzt werden, die mit der Verhütung oder Aufdeckung einer Straftat, ihrer Ermittlung oder der Strafverfolgung zusammenhängen.
  100.  
  101. 99. Die Bf. haben Recht, dass zumindest der erste Zweck ziemlich allgemein gefasst ist und weit ausgelegt werden kann. Dabei sind hier wie bei Telefonüberwachung, geheimer Überwachung und verdecktem Sammeln von Beweismaterial klare und detaillierte Vorschriften unverzichtbar, die Umfang und Anwendung solcher Maßnahmen regeln und Mindestanforderungen aufstellen, u.a. für die Dauer, Aufbewahrung und Verwendung, den Zugang Dritter, das Verfahren zur Sicherung der Integrität und Vertraulichkeit der Daten sowie ihre Vernichtung, also ausreichende Sicherungen gegen die Gefahr von Missbrauch und Willkür (s. mutatis mutandis EGMR, 1990, Serie A, Bd. 176, S. 23-28 Nr. 33, 35 = ÖJZ 1990, 564 – Kruslin/Frankreich; EGMR, Slg. 2000-V Nr. 57-59 = ÖJZ 2001, 74 – Rotaru/Rumänien; EGMR, Slg. 2006-XI = NJW 2007, 1433 ff – Weber u. Saravia/Deutschland; EGMR, Urt. v. 28.6.2007 – 62540/00 Nr. 75-77 – Association for European Integration and Human Rights u. Ekimbzhiev/Bulgarien; EGMR, Urt. v. 1.7.2008 – 58243/00 Nr. 62-63 – Liberty u.a./Vereinigtes Königreich). Diese Fragen sind allerdings eng mit der weiter gehenden Frage verbunden, ob der Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft notwendig gewesen ist. Im Hinblick auf seine Prüfung in Nr. 105-126 unten hält es der Gerichtshof für nicht erforderlich zu entscheiden, ob § 64 des Gesetzes von 1984 den Anforderungen an die „Qualität“ eines Gesetzes i.S. von Art. 8 II EMRK entspricht.
  102.  
  103. b) Berechtigtes Ziel
  104.  
  105. 100. Der Gerichtshof stimmt der Regierung zu, dass die Vorratsspeicherung von Fingerabdrücken und DNA-Material das berechtigte Ziel der Aufdeckung und damit der Verhütung von Straftaten verfolgt. Mit der ursprünglichen Aufnahme dieser Daten suchen die Behörden festzustellen, ob es eine Verbindung zwischen einer bestimmten Person zu der Straftat gibt, derer sie verdächtigt wird, die Speicherung verfolgt das weiter gehende Ziel, in Zukunft die Identifizierung von Straftätern zu erleichtern.
  106.  
  107. c) „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“
  108.  
  109. (i) Grundsätze
  110.  
  111. 101. Ein Eingriff ist „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ zur Verfolgung eines berechtigten Ziels wenn er einem „dringenden sozialen Bedürfnis“ entspricht und insbesondere verhältnismäßig zu dem verfolgten berechtigten Ziel ist und wenn die von den staatlichen Behörden und Gerichten zu seiner Rechtfertigung angeführten Gründe „stichhaltig und ausreichend“ sind. Während zunächst die staatlichen Behörden und Gerichte beurteilen müssen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, liegt die endgültige Entscheidung darüber, ob der Eingriff im Hinblick auf die Anforderungen der Konvention notwendig war, beim Gerichtshof (s. EGMR, Urt. v. 18.1.2001 – 24876/94 Nr. 104 – Coster/Vereinigtes Königreich, mit weiteren Nachweisen).
  112.  
  113. 102. Die zuständigen staatlichen Behörden und Gerichte haben bei ihrer Entscheidung einen Ermessensspielraum, dessen Umfang unterschiedlich ist, u.a. je nach dem Recht der Konvention, um das es geht, seiner Bedeutung für den Bf., der Art des Eingriffs und dem mit dem Eingriff verfolgten Ziel. Der Ermessensspielraum ist enger, wenn das Recht, in das eingegriffen wurde, für die wirksame Ausübung intimer oder zentraler Rechte des Einzelnen wesentlich ist (s. EGMR, Urt. v. 27.5.2004 – 66746/01 Nr. 82 – Connors/Vereinigtes Königreich, mit weiteren Nachweisen). Steht ein besonders wichtiger Aspekt der Existenz oder der Identität einer Person auf dem Spiel, ist der dem Staat zustehende Ermessensspielraum beschränkt (s. EGMR, Slg. 2007-XIII Nr. 77 = NJW 2008, 2013 (2015) – Evans/Vereinigtes Königreich). Gibt es aber unter den Mitgliedstaaten des Europarats keinen Konsens über die relative Bedeutung des Interesses, um das es geht, oder wie dieses am besten zu schützen ist, ist der Ermessensspielraum weiter (s. EGMR, Slg. 2007-XIII Nr. 78 = NJW 2009, 971 (974-975) – Dickson/Vereinigtes Königreich).
  114.  
  115. 103. Der Schutz personenbezogener Daten hat große Bedeutung für die Ausübung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens einer Person, wie es Art. 8 EMRK garantiert. Das staatliche Recht muss angemessene Sicherungen vorsehen, um eine Verwendung solcher Daten zu verhindern, die mit den Garantien jener Vorschrift nicht vereinbar wäre (s. mutatis mutandis EGMR, Slg. 1997-I, S. 347 Nr. 95 = ÖJZ 1998, 152 – Z./Finnland). Derartige Sicherungen sind besonders notwendig, wenn es um Daten geht, die automatisch verarbeitet werden können, nicht zuletzt, wenn sie zu polizeilichen Zwecken benutzt werden. Das staatliche Recht muss vor allem gewährleisten, dass solche Daten für den Zweck, zu dem sie gespeichert werden, erheblich sind und im Umfang nicht über das Notwendige hinausgehen, und dass die Form ihrer Aufbewahrung eine Identifizierung des Betroffenen nur solange gestattet, wie es der Zweck der Speicherung verlangt (s. Art. 5 der Datenschutz-konvention des Europarats und ihre Präambel sowie Prinzip 7 der Empfehlung R(87)15 des Ministerkomitees des Europarats vom 17.9.1987 über den Schutz personenbezogener Daten im Polizeibereich). Das staatliche Recht muss außerdem für gespeicherte personenbezogene Daten angemessene Sicherungen gegen falschen Gebrauch und Missbrauch vorsehen (s. insbesondere Art. 7 der Datenschutzkonvention). Das alles gilt ganz besonders für den Schutz bestimmter Kategorien sensibler Daten (s. Art. 6 der Datenschutzkonvention) und dabei vor allem für DNA-Daten, die das Erbgut eines Menschen enthalten und damit für ihn und seine Familie große Bedeutung haben (s. Empfehlung R(92)1 des Ministerkomitees des Europarats vom 10.2.1992 über die Anwendung der DNA-Analyse im Rahmen der Strafrechtspflege).
  116.  
  117. 104. Gegenüber den Interessen der Betroffenen und der Gesellschaft insgesamt am Schutz personenbezogener Daten einschließlich Fingerabdrücken und DNA-Daten kann das berechtigte Interesse an der Verhütung von Straftaten allerdings überwiegen (s. Art. 9 der Datenschutzkonvention des Europarats). Doch der zutiefst private Charakter dieser Informationen verlangt, dass der Gerichtshof jede staatliche Maßnahme, die eine Speicherung und Verwendung solcher Informationen durch die Behörden ohne Zustimmung des Betroffenen gestattet, genauestens prüft (s. mutatis mutandis EGMR, Slg.1997-I, S. 347-348 Nr. 96 = ÖJZ 1998, 152 – Z./Finnland).
  118.  
  119. (ii) Anwendung dieser Grundsätze im vorliegenden Fall
  120.  
  121. 105. Es steht außer Frage, dass der Kampf gegen das Verbrechen und insbesondere gegen das organisierte Verbrechen und den Terrorismus, dem sich Europa heute stellen muss, weitgehend vom Einsatz moderner wissenschaftlicher Techniken der Ermittlung und Identifizierung abhängt. Der Europarat hat schon vor mehr als 15 Jahren anerkannt, dass die Techniken der DNA-Analyse der Strafrechtspflege Vorteile verschafft (s. Empfehlung R(92)1 des Ministerkomitees ...). Unbestritten ist auch, dass die Mitgliedstaaten des Europarats seitdem rapide und große Fortschritte bei der Verwertung von DNA-Daten für den Nachweis von Schuld und Unschuld eines Verdächtigen gemacht haben.
  122.  
  123. 106. Doch muss der Gerichtshof, wenngleich die Bedeutung solcher Informationen für die Aufdeckung von Strafdaten anzuerkennen ist, den Umfang seiner Prüfung begrenzen. Es geht in diesem Fall nicht darum, ob die Vorratsspeicherung von Fingerabdrücken, Zellproben und DNA-Profilen allgemein unter dem Blickwinkel der Konvention gerechtfertigt ist. Die einzige hier zu entscheidende Frage ist, ob die Speicherung der Fingerabdrücke und DNA-Daten der Bf., die bestimmter Straftaten verdächtigt worden waren, aber nicht verurteilt wurden, nach Art. 8 II EMRK gerechtfertigt ist.
  124.  
  125. 107. Der Gerichtshof prüft diese Frage unter Berücksichtigung der einschlägigen Texte des Europarats sowie des Rechts und der Praxis anderer Vertragsstaaten. Nach den wesentlichen Grundsätzen des Datenschutzes muss die Speicherung von Daten zum Zweck ihrer Sammlung verhältnismäßig und zeitlich beschränkt sein... . Diese Grundsätze haben die Vertragsstaaten für den Polizeibereich entsprechend der Datenschutzkonvention des Europarats und späterer Empfehlungen des Ministerkomitees stets angewendet ... .
  126.  
  127. 108. Zellproben dürfen in den meisten Vertragsstaaten im Strafverfahren nur von Personen genommen werden, die verdächtig sind, eine Straftat von bestimmter Mindestschwere begangen zu haben. In der großen Mehrzahl der Vertragsstaaten mit DNA-Datenbanken müssen Zellproben und daraus hergestellte DNA-Profile nach einem Freispruch oder der Einstellung eines Verfahrens entweder sofort oder innerhalb einer bestimmten Frist aus der Datenbank entfernt oder vernichtet werden. Einzelne Vertragsstaaten lassen wenige Ausnahmen von dieser Grundregel zu ... .
  128.  
  129. 109. Die derzeitige Lage in Schottland, Teil des Vereinigten Königreich, ist in dieser Beziehung besonders bezeichnend ... . ... das schottische Parlament hat die Vorratsspeicherung von DNA-Daten nicht verurteilter Personen nur im Fall von Erwachsenen zugelassen, die wegen Gewalttaten oder Sexualdelikten angeklagt worden waren, und das nur für drei Jahre, wenngleich mit der Möglichkeit einer Verlängerung um weitere zwei Jahre, die allerdings richterlicher Zustimmung bedarf.
  130.  
  131. 110. Das entspricht insbesondere der Empfehlung R(92)1 des Ministerkomitees des Europarats, die unterstreicht, dass zwischen den einzelnen Fallarten unterschieden und die Dauer der Speicherung genau festgelegt werden muss, selbst in schwereren Fällen der Kriminalität ... . Auf diesem Hintergrund erlauben von den Mitgliedstaaten des Europarats allein England, Wales und Nordirland, Fingerabdrücke und DNA-Material einer Person, die einer im Polizeiregister einzutragenden Straftat verdächtig ist, unbeschadet ihres Alters auf unbegrenzte Zeit zu speichern.
  132.  
  133. 111. Die Regierung weist mit Nachdruck darauf hin, dass das Vereinigte Königreich bei der Entwicklung der Benutzung von DNA-Proben zur Aufdeckung von Straftaten eine Spitzenposition einnimmt und andere Staaten noch nicht denselben Standard bei Umfang und Einsatzmöglichkeiten von DNA-Datenbanken erreicht hätten. Eine Vergleichsanalyse von Recht und Praxis in anderen Staaten mit weniger entwickelten Systemen habe daher nur beschränkte Aussagekraft.
  134.  
  135. 112. Doch kann nicht unbeachtet bleiben, dass sich andere Vertragsstaaten trotz der erheblichen Vorteile einer maximalen Erweiterung von DNA-Datenbanken dafür entschieden haben, die Vorratsspeicherung solcher Daten und ihre Verwertung einzuschränken, um einen angemessenen Ausgleich mit den widerstreitenden Interessen der Wahrung des Rechts auf Achtung des Privatlebens herzustellen. Der durch Art. 8 EMRK gewährte Rechtsschutz würde in unzumutbarer Weise geschwächt, wenn die Verwendung moderner wissenschaftlicher Techniken bei der Strafverfolgung um jeden Preis zugelassen würde, ohne die möglichen Vorteile eines umfassenden Einsatzes solcher Techniken gegen wesentliche Interessen des Privatlebens sorgfältig abzuwägen. Der in diesem Punkt bestehende weitgehende Konsens unter den Vertragsstaaten hat erhebliche Bedeutung und beschränkt den Ermessensspielraum des Vereinigten Königreichs bei der Entscheidung über die zulässigen Grenzen des Eingriffs in das Privatleben. Jeder Staat, der sich bei der Entwicklung neuer Technologien einer Vorreiterrolle berühmt, hat besondere Verantwortung, einen gerechten Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen herzustellen.
  136.  
  137. 113. Die Fingerabdrücke und Zellproben der Bf. wurden in Zusammenhang mit Strafverfahren abgenommen, und die DNA-Profile wurden zur Ermittlung von Straftaten hergestellt. Dabei ging es um den Verdacht versuchten Raubes im Fall des Bf. zu 1 und um Belästigung der Partnerin durch den Bf. zu 2. Die Daten wurden aufgrund gesetzlicher Vorschriften gespeichert, die eine zeitlich unbegrenzte Aufbewahrung erlauben, trotz Freispruchs des Bf. zu 1 und Einstellung des gegen den Bf. zu 2 eingeleiteten Verfahrens.
  138.  
  139. 114. Zu prüfen ist, ob es für eine unbegrenzte Speicherung von Fingerabdrücken und DNA-Profilen verdächtigter, aber nicht verurteilter Personen stichhaltige und ausreichende Gründe gibt.
  140.  
  141. 115. Obwohl es in England und Wales erst seit 2001 möglich ist, Fingerabdrücke, Zellproben und DNA-Profile nicht verurteilter Personen auf Vorrat zu speichern, macht die Regierung geltend, die Speicherung habe sich im Kampf gegen das Verbrechen als unverzichtbar erwiesen. Tatsächlich sind die Statistiken und das sonstige Beweismaterial, das dem House of Lords vorgelegen hat ... und Teil der von der Regierung eingereichten Unterlagen ist, beeindruckend. Sie zeigen, dass es zwischen DNA-Profilen, die vor 2001 vernichtet worden wären, in einer Reihe von Fällen Verbindung zu Spuren gab, die an Tatorten gefunden worden waren.
  142.  
  143. 116. Die Bf. meinen allerdings, die Statistiken seien irreführend, und ihre Auffassung wird durch einen Bericht des Nuffield Council of Bioethics vom 18.9.2007 gestützt. Es ist richtig, wie sie vortragen, dass die Zahlen nicht erkennen lassen, in welchem Ausmaß die „Verbindung“ mit den Tatortspuren zu Verurteilungen geführt hat, und auch nicht die Anzahl der Verurteilungen, die der Speicherung von Proben nicht verurteilter Personen zu verdanken sind. Außerdem beweisen sie nicht, dass die hohe Zahl erfolgreicher Abgleichungen mit Tatortspuren nur durch die zeitlich unbegrenzte Speicherung von DNA-Daten solcher Personen möglich war. Gleichzeitig haben DNA-Daten von Verdächtigen in der Mehrzahl der von der Regierung genannten Einzelfälle ... eine erfolgreiche Abgleichung nur mit in den Banken gespeicherten Daten früherer Tatorte bewirkt. Solche Abgleichungen hätten aber auch vorgenommen werden können, wenn es das derzeitige System, das die zeitlich unbegrenzte Speicherung von DNA-Daten aller verdächtigten, aber nicht verurteilten Personen gestattet, nicht gegeben hätte.
  144.  
  145. 117. Weder die von der Regierung vorgelegten Statistiken noch die von ihr angeführten Beispiele beweisen allein, dass die erfolgreiche Identifizierung und Verfolgung von Straftätern nicht auch ohne die zeitlich unbegrenzte und undifferenzierte Speicherung von Fingerabdrücken und DNA-Daten aller Personen in ähnlicher Lage wie die Bf. hätten gelingen können. Gleichwohl ist anzuerkennen, dass die Erweiterung der Datenbank zur Aufdeckung und Verhütung von Verbrechen beigetragen hat.
  146.  
  147. 118. Doch bleibt die Frage, ob eine solche Vorratsspeicherung verhältnismäßig ist und einen fairen Ausgleich zwischen den widerstreitenden öffentlichen und privaten Interessen herstellt.
  148.  
  149. 119. In dieser Hinsicht überrascht die allgemeine und nicht differenzierte Befugnis zur Speicherung in England und Wales. Das Material kann unabhängig von der Art oder der Schwere der Straftat, derer jemand ursprünglich verdächtigt worden ist, und auch ohne Berücksichtigung seines Alters gespeichert werden. Fingerabdrücke und Proben können jedem, unabhängig vom Alter, abgenommen – und dann auf Vorrat gespeichert – werden, der mit einer polizeilich einzutragenden Straftat in Verbindung gebracht worden ist, und das schließt geringe, nicht mit Gefängnisstrafe bedrohte Straftaten ein. Die Speicherung ist zeitlich unbegrenzt: das Material wird auf unbestimmte Zeit gespeichert, unabhängig davon, um welche Art von Straftat es sich handelt oder wie schwer sie ist, derer der Betroffene verdächtigt wurde. Außerdem gibt es für einen freigesprochenen Angeklagten nur beschränkte Möglichkeiten, seine Daten aus der landesweiten Datenbank entfernen oder sie vernichten zu lassen ... . Insbesondere fehlt eine Vorschrift für eine unabhängige Überprüfung der Rechtfertigung einer Speicherung nach genauen Kriterien, darunter die Schwere der Straftat, frühere Verhaftungen, die Dringlichkeit des Verdachts und andere besondere Umstände.
  150.  
  151. 120. Anzuerkennen ist, dass der Grad des Eingriffs in das Recht der Bf. auf Achtung ihres Privatlebens für jede der drei Arten personenbezogener Daten unterschiedlich sein kann. Die Vorratsspeicherung von Zellproben ist wegen der Menge an genetischen und gesundheitlichen Informationen ein besonders schwerer Eingriff. Doch verlangt ein so undifferenziertes und unbegrenztes System wie das in diesem Fall besonders sorgfältige Prüfung, und das ungeachtet der unterschiedlichen Schwere des Eingriffs.
  152.  
  153. 121. Die Regierung macht geltend, die Vorratsspeicherung habe keine unmittelbaren und wesentlichen Auswirkungen auf die Bf., es sei denn, Abgleichungen mit den Daten in der Datenbank zeige später, dass sie in Straftaten verwickelt seien. Dem kann nicht zugestimmt werden. Allein die Speicherung und Aufbewahrung personenbezogener Daten durch die Behörden, wie immer sie dazu gekommen sind, haben unmittelbare Auswirkungen auf das Privatleben des Betroffenen, unabhängig davon, ob diese Daten später verwendet werden ... .
  154.  
  155. 122. Besonderen Anlass zur Sorge gibt dabei die Gefahr der Stigmatisierung, die daraus folgt, dass Personen in der Lage der Bf., die wegen keiner Straftat verurteilt worden sind und Anspruch auf die Unschuldsvermutung haben, ebenso behandelt werden wie verurteilte Straftäter. Das in der Konvention garantierte Recht eines jeden, als unschuldig zu gelten, beinhaltet auch, dass nach dem Freispruch eines Angeklagten keinerlei Verdacht hinsichtlich seiner Unschuld geäußert werden darf (EGMR, Urt. v. 21.3.2000 – 28389/95 Nr. 31 – Asan Rushiti/Österreich, mit weiteren Nachweisen). Es ist richtig, dass die Vorratsspeicherung der personenbezogenen Daten der Bf. nicht mit einer solchen Äußerung gleichgesetzt werden kann. Gleichwohl wird ihre eigene Wahrnehmung, sie würden nicht als unschuldig behandelt, dadurch verstärkt, dass ihre Daten wie bei verurteilten Straftätern auf unbegrenzte Zeit gespeichert werden, während die solcher Personen, die nie einer Straftat verdächtig waren, vernichtet werden müssen.
  156.  
  157. 123. Die Regierung betont, die Befugnis zur Vorratsspeicherung gelte für alle Fingerabdrücke und Zellproben, die jemandem in Zusammenhang mit strafrechtlichen Ermittlungen abgenommen worden seien, und hänge nicht von Schuld oder Unschuld ab. Die Fingerabdrücke und Zellproben der Bf. seien außerdem in Einklang mit dem Gesetz abgenommen worden und ihre Speicherung habe nichts damit zu tun, dass die Bf. ursprünglich verdächtigt wurden, eine Straftat begangen zu haben. Bei der Speicherung ihrer Daten gehe es allein darum, die Datenbank zu erweitern und damit ihren Einsatz zur Identifizierung von Straftätern in Zukunft zu verbessern. Diese Begründung lässt sich jedoch nur schwer mit der Verpflichtung in § 64 III des Gesetzes von 1984 vereinbaren, wonach freiwillig abgegebene Fingerabdrücke und Zellproben auf Antrag der betreffenden Personen vernichtet werden müssen, obwohl der Wert ihrer Daten für die Erweiterung und Verbesserung der Datenbank vergleichbar ist. Die Regierung müsste gewichtige Gründe vortragen, um den Gerichtshof davon zu überzeugen, dass eine solche unterschiedliche Behandlung der personenbezogenen Daten der Bf. gegenüber den Daten anderer, nicht verurteilter Personen gerechtfertigt ist.
  158.  
  159. 124. Die Vorratsspeicherung der Daten nicht verurteilter Personen kann im Übrigen besonders nachteilig im Fall von Minderjährigen – wie dem Bf. zu 1 – sein, und zwar wegen ihrer Situation als Jugendliche und der Bedeutung ihrer Entwicklung und gesellschaftlichen Integrierung. Unter Bezugnahme auf Art. 40 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes vom 20.11.1989 hat der Gerichtshof bereits früher die besondere Stellung von Minderjährigen in der Strafjustiz unterstrichen und u.a. darauf hingewiesen, dass es notwendig ist, ihr Privatleben im Strafprozess zu schützen (s. EGMR, Urt. v. 16.12.1999 – 24724/94 Nr. 75, 85 – T./Vereinigtes Königreich). Ebenso muss auf den Schutz Jugendlicher vor Nachteilen geachtet werden, die sich aus der Vorratsspeicherung ihrer personenbezogenen Daten nach einem Freispruch von der Anklage einer Straftat ergeben können. Der Gerichtshof teilt die Auffassung des Nuffield Council of Bioethics über die Auswirkungen einer zeitlich unbegrenzten Speicherung von DNA-Material auf Jugendliche und nimmt die Bedenken des Council zur Kenntnis, wonach die hier umstrittene Politik dazu geführt hat, dass Minderjährige und Angehörige von Minderheiten, die wegen keiner Straftat verurteilt wurden, in der Datenbank überproportional vertreten sind
  160.  
  161. 125. Zusammenfassend stellt der Gerichtshof fest, dass die generelle und undifferenzierte Befugnis, Fingerabdrücke, Zellproben und DNA-Profile von Personen auf Vorrat zu speichern, die – wie die Bf. – einer Straftat verdächtigt, aber nicht verurteilt wurden, keinen fairen Ausgleich zwischen den widerstreitenden öffentlichen und privaten Interessen herstellt und das Vereinigte Königreich jeden Ermessensspielraum in dieser Hinsicht überschritten hat. Folglich ist die Speicherung im Fall der Bf. ein unverhältnismäßiger Eingriff in ihr Recht auf Achtung des Privatlebens und kann nicht als notwendig in einer demokratischen Gesellschaft angesehen werden. Angesichts dieses Ergebnisses erübrigt es sich, auf die Kritik der Bf. an bestimmten Schutzvorschriften für die Datenspeicherung einzugehen, wie den Zugang zu den fraglichen Daten, der nach ihrer Auffassung zu weit gefasst ist, und den aus ihrer Sicht unzureichenden Schutz gegen Missbrauch oder falschen Gebrauch.
  162.  
  163. 126. Somit ist Art. 8 EMRK im vorliegenden Fall verletzt.
  164.  
  165. II. Behauptete Verletzung von Art. 14 EMRK i.V. mit Art. 8 EMRK
  166.  
  167. 127.-129. (zusammengefasst) Die Bf. machen weiter geltend, sie würden gegenüber anderen, nicht verurteilten Personen, deren Daten nach dem Gesetz von 1984 vernichtet werden müssten, diskriminiert. Angesichts seiner Entscheidung zu Art. 8 EMRK hält es der Gerichtshof für nicht erforderlich, diesen Beschwerdepunkt gesondert zu prüfen.
  168.  
  169. III. Art. 41 EMRK
  170.  
  171. ...
  172.  
  173. 131. Die Bf. beantragen Entschädigung als Ersatz für Nichtvermögensschaden und für Kosten und Auslagen.
  174.  
  175. A. Nichtvermögensschaden
  176.  
  177. 132.-133. (zusammengefasst) Die Bf. verlangen Entschädigung für Nichtvermögensschaden in Höhe von 5.000 £. Die Regierung meint, eine Feststellung der Verletzung der Konvention sei ausreichende Entschädigung für jeglichen Nichtvermögensschaden.
  178.  
  179. 134. Der Gerichtshof hat entschieden, dass die Speicherung der Fingerabdrücke und des DNA-Materials der Bf. ihre Rechte aus Art. 8 EMRK verletzt. Nach Art. 46 EMRK hat das Vereinigte Königreich unter der Überwachung des Ministerkomitees des Europarats angemessene allgemeine und individuelle Maßnahmen zu ergreifen, um seine Verpflichtung zu erfüllen, das Recht der Bf. und anderer Personen in ihrer Lage auf Achtung ihres Privatlebens zu gewährleisten (s. EGMR, Slg. 2000-VIII Nr. 249 = ÖJZ 2002, 74 – Scozzari u. Giunta/Italien; EGMR, Slg. 2002-VI Nr. 120 = NJW-RR 2004, 289 – Cristine Goodwin/Vereinigtes Königreich). Unter diesen Umständen lässt sich die Feststellung der Konventionsverletzung mit den Folgen, die sich daraus für die Zukunft ergeben, als ausreichende Entschädigung für Nichtvermögensschaden ansehen. Daher weist der Gerichtshof den Antrag der Bf. in diesem Punkt zurück.
  180.  
  181. B. Kosten und Auslagen
  182.  
  183. 135.-136. (zusammengefasst) Die Bf. verlangen als Ersatz für Kosten und Auslagen 52.066,25 £. Die Regierung hält diese Forderung für völlig überzogen.
  184.  
  185. 137. Nach Art. 41 EMRK sind nur solche Kosten und Auslagen zu ersetzen, die tatsächlich und notwendigerweise entstanden und der Höhe nach angemessen sind (s. u.a. EGMR, Slg. 2005-X Nr. 182 = NJOZ 2007, 865 – Roche/Vereinigtes Königreich, mit weiteren Nachweisen).
  186.  
  187. 138. Die Beschwerden in diesem Fall waren von einiger Schwierigkeit: sie machten eine Prüfung in einer Kammer und dann in der Grossen Kammer erforderlich, den mehrfachen Austausch von Schriftsätzen sowie eine mündliche Verhandlung. Der Fall hat wichtige, grundsätzliche Rechtsfragen aufgeworfen, deren Behandlung einen erheblichen Arbeitsaufwand verlangt hat. Insbesondere war eine gründliche Prüfung der derzeitigen Diskussion im Vereinigten Königreich über die Vorratsspeicherung von Fingerabdrücken und DNA-Daten notwendig und eine umfassende Analyse von Recht und Praxis anderer Vertragsstaaten sowie der einschlägigen Texte und Dokumente des Europarats.
  188.  
  189. 139. Andererseits ist der von den Bf. verlangte Betrag ... übertrieben hoch. Insbesondere ist der Regierung zuzustimmen, dass die Beauftragung eines vierten Anwalts in einem späten Stadium des Verfahrens zu gewisser Doppelarbeit geführt haben mag.
  190.  
  191. 140. Nach billigem Ermessen und im Licht seiner Praxis in vergleichbaren Fällen spricht der Gerichtshof den Bf. 42.000 € als Ersatz für Kosten und Auslagen zu, abzüglich der vom Europarat bereits als Verfahrenskostenhilfe gezahlten 2613,07 €.
  192.  
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