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- Karlsruhe: Wie der OB dem KSC-Geschäftsführer ein „VIP-Grundstück“ verschaffte
- Die Stadt Karlsruhe hat ein strenges Punktesystem für die Vergabe von Baugrundstücken. Doch für KSC-Geschäftsführer Michael Becker machte Oberbürgermeister Mentrup eine Ausnahme. Das steckt dahinter.
- Ein Wohngebiet in einem Karlsruher Höhenstadtteil. Ganz oben thront ein Dutzend großzügiger Architektenhäuser. Der Blick geht hinauf in den Schwarzwald, nach unten schaut man zu den preiswerteren Wohnlagen.
- Hinderliche Bauvorschriften werden dort oben pragmatisch pariert. Ein Unternehmer und Autonarr bekam für seine Villa keine Doppelgarage genehmigt, erzählt ein Bekannter. Da habe er sich eben eine Tiefgarage in den Hügel graben lassen, in dreifacher Größe.
- Doch wer in dieser exklusiven Lage baut, braucht mehr als genug Geld. Er muss auch wichtig genug sein. So wie KSC-Geschäftsführer Michael Becker.
- Eigentlich gelten in Karlsruhe strenge Vergaberichtlinien
- Der Reihe nach: Eigentlich gelten bei städtischen Baugrundstücken in Karlsruhe für Ein- und Zweifamilienhäuser strenge Vergaberichtlinien, die der Gemeinderat festgelegt hat.
- Ein ausgeklügeltes Punktesystem bestimmt, wer bei einem städtischen Bauplatz den Zuschlag erhält und etwa einen Abschlag auf den Kaufpreis gewährt bekommt. Ganz oben steht die Kinderzahl, pro Kind gibt es 20 Punkte
- Auch Menschen mit Behinderungen sollen nach dem Willen der Ratsmitglieder profitieren, je nach Grad der Behinderung gibt es bis zu 25 Punkte pro Person. 15 Punkte erhalten Bedienstete der Stadt Karlsruhe. Junge Familien und Pflegebedürftige können sich zehn Punkte anrechnen lassen
- Die Vergaberichtlinie der Stadt Karlsruhe scheinen getragen vom Geist der sozialen Gerechtigkeit und von Transparenz. Allerdings findet sich darin eine Klausel, die geeignet scheint, Gerechtigkeit und Transparenz bei Bedarf auszuhebeln
- Hierüber entscheidet der Oberbürgermeister“
- Unter Ziffer 4 heißt es: „Von den festgelegten Vergaberichtlinien kann im Einzelfall eine Ausnahme gemacht werden, wenn dies im städtischen Interesse liegt.“ Die Entscheidung darüber, was als Ausnahme und städtisches Interesse zu gelten hat, ist ebenfalls in den Richtlinien geregelt. Der Passus ist deutlich einfacher gehalten als das komplexe Punktesystem. „Hierüber entscheidet der Oberbürgermeister“, heißt es schlicht.
- Derweil ranken sich Legenden um die Vergabekriterien für die Höhengrundstücke. Gespräche dieser Redaktion mit erfolgreichen sowie gescheiterten Bewerbern ergeben ein schillerndes Bild. Ein Bauherr müsse Geschäftsführer einer großen Karlsruher Firma sein, meint ein Ansprechpartner. Ein anderer glaubt, man müsse überdies Gesellschafter ein. Doch das trifft nicht auf alle zu, die auf dem Hügel residieren.
- Der OB vergibt diese Grundstücke völlig willkürlich.
- Ein Karlsruher Firmenchef
- aus der Nachbarschaft
- Ein Nachbar glaubt hingegen: „Der Oberbürgermeister vergibt diese Grundstücke völlig willkürlich.“ Der Firmenchef will bei dem Thema aber keinesfalls namentlich genannt werden, weil er Nachteile befürchtet, wie er sagt.
- Auch andere Personen, mit denen diese Redaktion zur Praxis der Grundstücksvergabe sprach, bitten um Diskretion. Schließlich gehe es im jüngsten Vergabefall um zwei mächtige Männer in Karlsruhe: Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) und KSC-Geschäftsführer Michael Becker.
- Becker ist seit 2018 kaufmännischer Geschäftsführer beim Karlsruher Sport-Club. Sein Vater ist das KSC-Urgestein Edmund Becker. Als Trainer führte der Reichenbacher den KSC im Jahr 2007 zurück in die erste Liga.
- Auch privat setzt KSC-Geschäftsführer auf Karlsruhe
- Heute prägt sein Sohn Michael den KSC wie wohl kein kaufmännischer Geschäftsführer vor ihm. Vergangenes Jahr wurde die Position des Sport-Geschäftsführers abgeschafft, nachdem man sich im Streit von Oliver Kreuzer getrennt hatte.
- Nach Angaben des KSC läuft Beckers aktueller Geschäftsführer-Vertrag bis Juni 2026. Privat setzt der Fußballmanager wohl langfristig auf Karlsruhe. Er lässt derzeit ein Eigenheim in besagter Höhenlage bauen.
- Dem städtischen Vergabesystem musste sich der kinderlose 39-Jährige nicht stellen. Becker erhielt ein „VIP-Grundstück“. Das ist eine verwaltungsinterne Bezeichnung für rund ein Dutzend Bauplätze in der begehrten Höhenlage. Die Abkürzung kennt man sonst eher von Events, für „besonders wichtige Personen“ (Very Important Person).
- Ein Sprecher der Stadt erklärte auf Anfrage: „Im Jahr 1999 wurde vonseiten der Stadt festgelegt, dass diese Grundstücke für Personen vorgehalten werden, die für die Stadt von besonderem Interesse sind.“
- Im Klartext: Oberbürgermeister Mentrup persönlich verschaffte dem KSC-Geschäftsführer sein Baugrundstück – auf Grundlage der Ausnahmeklausel.
- Der Bauplatz ist der letzte in der begehrten Lage. Er wurde städtischen Angaben zufolge „seit 2013 verschiedenen Personen, die für die Stadt von besonderem Interesse sind, angeboten“. Warum ging er schließlich an den KSC-Manager?
- Michael Becker hat sich ganz offiziell beim Liegenschaftsamt beworben.
- Christopher Lymberopoulos
- KSC-Kommunikationschef
- „Er hat sich ganz offiziell beim Liegenschaftsamt beworben“, sagt KSC-Kommunikationschef Christopher Lymberopoulos nach Rücksprache mit Becker, der für die Vergabepraxis der Stadt nichts kann.
- Ein Sprecher von OB Mentrup erklärt auf Nachfrage lediglich: „Der Geschäftsführer eines deutschlandweit bekannten Profifußballvereins wurde als eine Person dieses Personenkreises gesehen.“
- Dass der KSC und die Stadt Karlsruhe über den Pachtvertrag für das Wildparkstadion eine spezielle Geschäftsbeziehung pflegen, ist für das Rathaus offenbar kein Anlass für mehr Transparenz, was Raum für Spekulationen öffnet.
- Verhältnis zwischen Mentrup und KSC war schon angespannter
- Eine Person, die mit den Verhältnissen beim KSC vertraut ist, erinnert daran, dass unter Mitwirkung von Michael Becker das Verhältnis zwischen der KSC-Führungsebene und Mentrup deutlich besser geworden sei. Das Verhältnis zwischen dem bis 2020 amtierenden KSC-Präsidenten Ingo Wellenreuther (CDU) und dem SPD-Oberbürgermeister galt als angespannt. Wellenreuther hatte bei der OB-Wahl 2012 eine empfindliche Niederlage gegen Mentrup eingefahren.
- Nach Angaben der Stadt fielen vier der „VIP“-Grundstücksverkäufe in die Amtszeit von OB Mentrup; zuletzt an Michael Becker.
- „Bis auf den letzten Vorgang wurden sie aufgrund der Vorgaben der Hauptsatzung auch regelmäßig dem Gemeinderat im Wege der Offenlage zur Kenntnis gebracht. Zuletzt galten hier jedoch höhere Wertgrenzen“, so ein Sprecher. In den städtischen Vergaberichtlinien heißt es zur Einzelfallregelung: „Der Hauptausschuss wird über Abweichungen informiert.“
- „Ständige Anfragen“ nach „VIP-Grundstücken“
- Im Ortschaftsrat des Stadtteils wurde der Verkauf ebenfalls diskret abgehandelt. In einem nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Protokoll heißt es knapp: „Das letzte der VIP-Grundstücke ist nun vergeben worden.“ Dies begrüße man in der Ortsverwaltung, „da ständig Anfragen“ dazu erfolgt seien.
- Auch was das übrige Stadtgebiet anbelangt, müssen sich bauwillige VIPs derzeit in Geduld üben. Ein Sprecher stellt klar: „Die Stadt hat keine weiteren Baugrundstücke im Portfolio, die für Personen von besonderem Interesse vorgehalten werden.“
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