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18-Mann-Chor

Zorn: "Freiheit" und "Naturphilosophie"

Apr 6th, 2018
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  1. Daniel-Pascal Zorn
  2. 9 hrs · Bochum ·
  3. Zu Differenz und Dialektik von 'Trieb' und 'Freiheit' - mit einem Exkurs zur Authentizität von 'Emotionen'
  4.  
  5. Eine beliebte Opposition in der Auseinandersetzung zwischen naturalistischen und nicht-naturalistischen Positionen besteht darin, sich über die Natur des Menschen zu streiten.
  6.  
  7. Die naturalistische Position behauptet, der Mensch sei von Natur aus triebgesteuert. Sie nimmt also an, dass der Mensch das passive Objekt einer für ihn übermächtigen Aktivität ist, die irgendwo in ihm schlummert und seine wahre Natur ausmacht. Der Mensch ist nach dieser Ansicht auf Gedeih und Verderb dieser relativen Fremdbestimmung ausgeliefert - Fremdbestimmung, weil Gegenwehr sinnlos ist; relativ, weil es ja immer noch seine eigene, ihm wesentliche Natur sein soll, die ihn steuert.
  8.  
  9. Bei dieser naturalistischen Position helfen allerlei psychologische Begrifflichkeiten mit, sie plausibel zu machen: Unsere Emotionen 'überwältigen' uns und wir müssen ihrer 'Herr werden'. Wir sind unserer Lust oder unserem Begehren 'ausgeliefert', wenn sie 'die Kontrolle übernimmt' und wir werden von Angst 'übermannt'.
  10.  
  11. Erkennbar in diesen naturalistischen Positionen ist der ständige Versuch, den Menschen als für immer unselbstständiges Wesen auszuzeichnen. Natürlich gilt das dann stets immer genau in dem Moment nicht, in dem solche naturalistischen Positionen das äußern - die naturalistische Feststellung selbst ist nie von Angst, Lust oder Zorn übermannt, sie urteilt durchgängig vollkommen rational und darin endgültig.
  12.  
  13. Die Fremdbestimmung durch eine in mir wohnende Natur kann, in dieser Logik, nur dadurch ausgeglichen werden, dass ich mich ihr angleiche. Übereinstimmung mit mir selbst erreiche ich also nur, wenn ich auf vernünftige Reflexionen oder Logeleien pfeife und mich dem hingebe, was mich 'ruft', weil es irgendwo 'in mir wohnt', nämlich 'in meiner Brust'. Das Herz, der Bauch, der Unterleib - alles drängt den Menschen und dieser Drang ist sein Schicksal.
  14.  
  15. Aber was behauptet diese naturalistische Position da eigentlich? Betrachtet man sich diese Aussagen näher, dann fallen einige Merkwürdigkeiten auf:
  16.  
  17. - Die naturalistische Position muss einerseits sämtlich frei sein von den von ihr behaupteten uneinholbaren Bedingungen. Sonst hebt sie sich als solche selbst auf. Andererseits muss sie die Endgültigkeit von ihrem Gegenstand her übernehmen: ihre Feststellung ist die letzte, die der Mensch von sich selbst machen kann.
  18.  
  19. - Dabei ist die naturalistische Position, noch vor allem, was sie behauptet: eine mögliche Selbstauslegung des Menschen. Sie setzt also diese Möglichkeit der Selbstauslegung ein, um sie dann inhaltlich durchzustreichen.
  20.  
  21. - Was aber sind Begehren und Wille anderes, als Vorstellungen davon, was man gerne hätte oder tun würde, was man will, was noch nicht der Fall ist? Was also, andersherum gefragt, sind Begehren und Wille anderes als Selbstentwürfe auf das, was möglich ist? Und das noch dort, wo man stets dasselbe will: nämlich dass es auch in einer noch kommenden Zukunft so bleibe.
  22.  
  23. - Natürlich bietet eine naturalistische Position auch strategisch tolle Möglichkeiten: Man kann mit ihr z. B. einen Völkermord rechtfertigen, indem man behauptet, die anderen würden genauso denken - dass man gegen Triebe nichts machen kann - und wenn der Trieb ein Trieb der Vernichtung ist, dann muss man ihnen zuvorkommen. Das wussten schon die Athener. Man kann mit einer naturalistischen Position aber auch der eigenen Verantwortung entkommen. Man beruft sich einfach auf das, was immer schon in einem da ist und wogegen man - leider, leider - nichts machen kann. Und dann dreht man den Begriff 'Verantwortung' in sein Gegenteil herum: 'Verantwortung' ist, wenn man dem folgt, was einen immer schon und ohne, dass man etwas dagegen machen kann, bestimmt.
  24.  
  25. - Warum aber nennt man das immer noch 'Verantwortung'? Dafür muss man sich noch einmal den Widerspruch des Naturalismus vergegenwärtigen: Er setzt, offensichtlich in völliger rationaler Autonomie, fest, dass es keinerlei rationale Autonomie geben kann. Er ist Willkürsetzung und Unterwerfung unter Willkürsetzung in einem. Man ist absolut frei - und zugleich absolut unfrei, nämlich das betreffend, was man vorher selbst als das festgelegt hat, was einen bestimmt.
  26.  
  27. - Deswegen eignet sich der Naturalismus prima dazu, eigener Willkür, also beliebiger Festlegung mit absolutem Geltungsanspruch das Etikett der Natürlichkeit zu verleihen. Man verkleidet einfach die eigene Setzung als notwendige Verursachung durch einen natürlichen und niemals abwendbaren Urgrund. Man pflanzt, sozusagen, in absolut freier und unkontrollierter Willkür in allen anderen und einem selbst einen Urgrund ein - und dann klagt man darüber, wie sehr alle anderen davon abweichen.
  28.  
  29. - Anders aber als eine Behauptung über eine Voraussetzung, die sich stets der skeptischen Infragestellung stellen muss und erst durch ihr Scheitern ihren Beweis erhält, muss der Naturalismus diesen Urgrund als von vornherein gültig setzen. Ein Beweis ist nicht nötig - wer ihn fordert, beweist vielmehr damit (!), dass er sich zu weit vom Urgrund entfernt hat.
  30.  
  31. 'Freiheit' als Grundlage des 'Naturalismus'
  32.  
  33. Die These, der Mensch sei frei, vertritt einfach die Ansicht, dass wir uns selbst in manchen Hinsichten frei bestimmen können. Das Recht darauf nennen wir seit der Renaissance 'Würde'. Natürlich können wir nicht fliegen, nur weil wir uns so bestimmen - und natürlich beziehen wir uns manchmal oder sogar oft, wenn wir handeln, auf unsere Gefühlsregungen, unser Begehren oder unseren Willen. Aber Begehren und Wille verweisen geradezu auf die Freiheit unserer Selbstauslegungen: Man will, was noch nicht ist - man begehrt, was man noch nicht hat.
  34.  
  35. Noch mehr ist auch der Naturalismus eine mögliche Art und Weise, sich selbst auszulegen. Man legt sich dann eben so aus, dass man sich selbst als Betroffener einer Ursache begreift, die stets stärker ist als man selbst. Diese Selbstauslegung ist möglich, weil sie, wäre sie notwendig, unmöglich wäre. Wir können überhaupt nur die Notwendigkeit dieses angeblichen Urgrundes durchsetzen wollen, weil sie eben noch nicht von allen anderen anerkannt ist.
  36.  
  37. Aber wie bei einer Selbstviktimisierung, wo die unbegründete Setzung von Opfer- und Täterrolle den faktischen Täter und das faktische Opfer verschleiert, löscht sich auch hier die freie Selbstauslegung - d. h. die Möglichkeit, sich selbst als ... bestimmen zu können - nachträglich aus, durch die Erzählung, eine solche Selbstauslegung sei dem Menschen unmöglich, weil er ja durch seine Natur stets überwältigt wird.
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  39. 'Ich habe so viele Emotionen!'
  40.  
  41. Was ist aber mit 'Emotionen'? Sind die nicht Anzeichen unseres authentischen Selbst? Ergeben sie sich nicht geradezu als Äußerung dessen, was in uns wohnt? Keineswegs. Begrifflich mögen 'E-motionen', also 'Aus / Herausbewegungen' das behaupten. Phänomenologisch aber sind sie nicht aktiv, sondern reaktiv - nämlich als Reaktionen auf Aporien, Unwegsamkeiten im, den Menschen versichernden, Wahrnehmen und Denken. Zorn erwächst aus Macht- oder Hilflosigkeit, von unten wie von oben. Angst aus der Unfähigkeit, sich einen Begriff von etwas zu bilden. Trauer aus der Unmöglichkeit, eine Lücke zu füllen.
  42.  
  43. Wir erfahren Emotionen als unmittelbar, weil sie unser gesamtes Denken und Handeln kurzfristig färben. Und das hat damit zu tun, dass sie zu unseren ersten Reaktionen auf eine unverständliche Welt gehören. Unsere Gefühle kompensieren Erfahrungen von Kontingenz und Inkohärenz - und sie tun es in der Funktion eines Spannungsausgleichs. Deswegen kann Zorn 'verrauchen' und gibt es 'Trauerarbeit', deswegen muss Lust sich 'abreagieren'. Gefühle drücken Spannungen aus, die wir - zumeist nachträglich - abarbeiten müssen.
  44.  
  45. Kinder tun das, die ihre Welt noch als ihr Eigentum betrachten und sehr empfindlich auf Störungen darin reagieren. Erwachsene haben, idealerweise, gelernt, dass es auch andere Menschen wie sie gibt. Und erfahren Emotionen dementsprechend in Situationen, in denen sie mit tatsächlichen Ausweglosigkeiten konfrontiert sind. Der Blick weitet sich - ein Kind kann eine verschlossene Tür als existenzielle Situation erfahren. Ein Erwachsener wird sie einfach öffnen und nicht darüber nachdenken.
  46.  
  47. Aber stimmt das "dementsprechend"? Wenn Emotionen zugleich erfahrene Spannungen ausdrücken und abbauen, dann können sie sich auf alles mögliche beziehen, Gegebenes und bloß Vorgestelltes. Ich muss nicht von einem furchterregenden Hund angebellt werden, um vor bloß vorgestellten Verbrechern Angst zu haben. Und hier wird die Kombination aus verabsolutierter Weltsicht und der Funktion von Emotion politisch toxisch: Wenn ich alles, was ich mir so vorstelle, für bare Münze nehme, dann kann ich beliebig und beliebig oft Reize erzeugen, auf die meine Emotionen dann reagieren.
  48.  
  49. Weil so viele Menschen 'Emotionen' für den authentischen Ausdruck (m)einer Persönlichkeit halten, bieten sie auch einen strategischen Vorteil: Ich muss mich nur auf sie berufen, um Recht zu haben. Denn jeder, der das in Frage stellt, greift mich als Person an.
  50.  
  51. Hier schließt sich der Kreis zum Naturalismus, denn dieser strategische Vorteil ist eine Sonderform der naturalistischen Willkürstrategie. Indem ich mir selbst 'Emotionen' als natürlichen Urausdruck meiner selbst zuschreibe und damit rechne, dass andere das auch tun, kann ich mit ihnen jede Willkür, die mir so einfällt, rechtfertigen.
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  53. Eine Blickwendung
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  55. Wenn Emotionen aus der Kindheit übernommene erste Formen der Kompensation sind, mit denen ich auf Ausweglosigkeiten reagiere, dann muss ich sie aber keineswegs als Gegenpart zur reflektierten Freiheit der Selbstauslegung betrachten. Ich kann sie auch so betrachten, dass sie diese Freiheit allererst vorbereiten.
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  57. Zorn, als Reaktion auf Macht- oder Hilflosigkeit, drückt sich aus in Aktionismus, Über-Reaktion, Sich-Frei-Strampeln von Restriktionen. Er sorgt, auf einer sehr primordialen Ebene, für den Eindruck, dass wir handlungsfähig sind. Trauer, als Reaktion auf Verlust, versucht den unmöglichen Bezug, der mich fesselt, wieder herzustellen. Wo Leerstellen sind, wo der Mensch fehlt, dort nehmen Erinnerungen, auch plötzliche, unwillkürliche, seinen Platz ein - so lange, bis sich der eigene Bezug auf dieses Provisorium, das freilich stets eines bleiben wird, eingestellt hat. Und ich wieder freier zum Selbstentwurf bin. Auch Lust verweist stets auf ihre Kompensation - was angestrebt wird, wird deswegen angestrebt, weil das eigene Wollen als drängend gesetzt und dann als solches erfahren wird. Wäre es nur als solches erfahren, machten Fitness-Studios, das Konzept von Genuss um seiner selbst willen oder Bordelle keinen Sinn. Regulierung gibt es nur, wo es die Möglichkeit dazu gibt. Liebe, wenn sie nicht auch Postulat zwischen zwei Menschen ist, also ein Gemeinsames Drittes, das beide miteinander vermittelt und sie darin aufhebt, spielt oft genug die Rolle der Kompensation von Verlassensangst. Sie kompensiert Verluste der Vergangenheit und befreit so von der Fixierung auf dieselben.
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  59. Diese Explikation zeigt, dass Emotionen keineswegs nur als überfallartige Erfahrungen durch eine in einem schlummernde und einen grundsätzlich fremdbestimmende Natur verstanden werden müssen. Ihre Unmittelbarkeit ist nur Effekt unserer Hilflosigkeit, die sie uns als erste Reaktionen antrainiert hat. Aber aus dem Blick unserer zweiten Reaktionen - der Reflexion auf das, was wir tun und denken, wenn wir es tun und denken - erscheinen sie als Helfer auf dem Weg in die Einsicht einer Selbstauslegung, die Grundlage unseres Weltentwurfs ist.
  60.  
  61. Denn dass die Welt nur für uns da ist, dass wir sie erst essen und dann regulieren wollen, weil wir das zuallererst an uns selbst erfahren, das hat uns keiner gesagt. Dieser Entwurf - die Welt gehört mir - ist unsere Grundausstattung, mit der wir in sie geworfen werden. Und in dem Moment, in dem wir das begreifen können, sind wir auf sie nicht mehr so unbedingt angewiesen, wie sie uns in manchen hilflosen Momenten glauben machen will.
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  63.  
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  73. Josef Golderer
  74. Josef Golderer Wow! Da sind jetzt aber wirklich ne Menge Sätze und Gedanken, die ich mir am liebsten Einrahmen und als Merksätze neben den Schreibtisch hängen möchte. Danke, Daniel.
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  76. Eine Nachfrage nur schließt sich mir an. Die E-Motionen beschreibst Du als Ausdruck eines ursprünglich sich ereignenden Verlustes in der Beziehung von Ich und Welt, die den Menschen aufruft, in einer Reflexion die verlorengegangene Beziehung "auf den Begriff" zu bringen, d.h. wiederherzustellen. Du zeigst das am Paradigma von "negativen" Emotionen, also denen, die darauf drängen, verarbeitet zu werden, an Trauer und Wut und an der Lust, die ja auf Befriedigung drängt, d.h. zu handeln unter dem Impetus des "eigenen Wollens".
  77. Ich würde dazu noch eine vielleicht affektiv minder stark erlebte Emotion hinzufügen, das Stauen, θαυμάζειν, das ja nach Platons Theaitetos der Ur-Sprung der Philosophie ist - das zunächst als Ur-befindlichkeit vorhandene Wundern darüber, dass die Welt ist, wie sie ist mit dem Selbstanspruch, Welt und das Verhältnis zur Welt auszulegen.
  78.  
  79. Aber passen in das Schema auch diejenigen affirmierenden Emotionen, die gerade nicht auf einen Ausgleich von Spannungen hin auffordern, sondern sich gerade dann einstellen, wenn - vielleicht in seltenen, kurzen Momenten - die Beziehung zur Welt geklärt scheint, also ganz elementar Freude, Zufriedenheit, Glücksempfinden, was immer man für Begriffe dazu finden mag? Aber vielleicht entsteht die Spannung hier andersherum, aus der innewohnenden Wahrheit, dass diesen Zuständen immer schon die Vergänglichkeit innewohnt und daher der Mensch auch dazu aufgerufen ist, das reflektiv zu bewältigen. "Alle Lust will Ewigkeit", wie Nietzsche das im Zarathustra schreibt.
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  81. Manage
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  83. Daniel-Pascal Zorn
  84. Daniel-Pascal Zorn Ich würde sagen: Gerade die affirmativen Emotionen sind Erfahrungen der praktischen Übereinstimmung mit sich selbst und der eigenen Freiheit zur Selbstauslegung - was natürlich auch übertragbar auf dogmatische Verhältnisse ist (wo diese Gefühle oft nur momentan sind), aber was nachhaltig natürlich dort gelingt, wo die Übereinstimmung sich selbst erhalten kann. Und das muss gerade kein Gipfelpunkt sein - man kann in sehr kleinen, vielleicht sogar durchgängig repressiven Lagen Zufriedenheit und Glück erleben. Die Stoa setzt auf genau diesen Aspekt. Und auch bei Kindern liegen Zufriedenheit und Selbstvergessenheit oft nah beieinander.
  85.  
  86. Das 'Staunen', lieber Josef, scheint mir gerade bei Platon eine Verschleierung zu sein - es ist ja nur in Sokrates' Monolog der Anfang der Philosophie - doch dort, wo dieser im gleichen Dialog von seinem Denkproblem berichtet, das ihn ins Fragen gebracht hat, sagt er 'thrattei me': 'Es beunruhigt mich'. Und dort spricht er dann auch von der Aporie.
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  90. Michael Behrent
  91. Michael Behrent Danke für die klugen Gedanken!
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  94. Monika Lobinger
  95. Monika Lobinger besonders für den letzten Absatz.
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  98. Michael Storch
  99. Michael Storch Tendenziell problematisch an naturalistischen Positionen finde ich auch, dass sie meistens mit mehr oder weniger offen explizierten Dekadenznarrativen einhergehen, dass hier also stets die klassische kulturkritische Triade lauert. 'Natürlichkeit' wird in vielfältiger Schattierung als 'Eigentlichkeit' diskursiviert, bekommt dadurch normativ einen positiven Wert zugeschrieben und dies wird meist noch mit nostalgischen Gefühlen aufgeladen. Das erlaubt die bequeme Einteilung der Welt nach dem Muster von (konstruierter) Norm und Devianz, oft pathologisierend verschärft nach 'Gesundheit' und 'Krankheit' (wie bei Nietzsche). Naturalismen operieren also mit heimlichen Wertsetzungen.
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  103. Daniel-Pascal Zorn
  104. Daniel-Pascal Zorn Deswegen der Hinweis auf die "Träume eines geheimen Monismus" im vorherigen Post zur 'wissenschaftlichen Philosophie'.
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  106. Übrigens kann man die heimliche Wertsetzung auch philosophiegeschichtlich nachweisen: im englischen, empirisch geprägten, Hegelianismus wird Hegel vor allem als Systemiker rezipiert, der von Axiomen anfangend ein philosophisches System begründet. Eine absurde Hegel-Lektüre, aber offenbar das, wonach der vom Skeptizismus geplagte Empirismus gesucht hat. Der junge Bertrand Russell ist nun einige Zeit, bis er auf Moore trifft, ein empirischer Hegelianer - und seine Abgrenzung davon behält den Systemgedanken bei, nur so, dass er statt Hegels (so wahrgenommenen) ontologischen Axiomen, die er als metaphysisch verwirft, logische Axiome setzen will. Diese Grundidee einer Axiomatisierung der Philosophie prägt die Analytische Philosophie, sie kommt in der Suche nach Protokollsätzen im Wiener Kreis zum Ausdruck, gerinnt beim mittleren Carnap und seiner Schule zu einem Sprachnormativismus, der sich noch auf den verblichenen Moritz Schlick berufen kann. Gottlob Frege, der sich vor allem für die logische - gegen die psychologistische - Begründung der Arithmetik interessiert, wird in diesem Sinne ausgelegt, auch wenn man seine Texte nochmal ganz anders lesen kann.
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  108. Naturalismus und Logischer Positivismus sind verwandt.
  109. Manage
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