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- ## Die barocke Seele Österreichs: Schloss Schönbrunn als Monument der Geschichte und Kultur
- Im Westen Wiens thront, umgeben von kunstvoll gestalteten Gärten und eingebettet in das reiche historische Narrativ Europas, ein Monument von einzigartiger Pracht und Bedeutung: Schloss Schönbrunn. Dieser ehemalige kaiserliche Sommersitz, dessen Name (zu Deutsch "Schöner Brunnen") auf einen kostbaren Quellfund zurücksgeht, ist weit mehr als nur ein beeindruckender Palast. Er ist ein Schlüssel zum Verständnis der Habsburger Dynastie, ein Juwel barocker Architektur und Gartengestaltung sowie ein lebendiges Symbol Österreichs, das Millionen Besucher aus aller Welt in seinen Bann zieht. Mit seinen rund 1.441 Räumen, der weitläufigen Parkanlage und seiner faszinierenden Geschichte ist Schönbrunn eine Geschichtsspalterin aus Stein, Stuck und Gold.
- Die Wurzeln des Ortes reichen ins Mittelalter zurück, doch seine glanzvolle Epoche begann dank Kaiser Leopold I., der Ende des 17. Jahrhunderts den architektonischen Visionär Johann Bernhard Fischer von Erlach mit dem Bau einer prunkvollen Jagdresidenz beauftragte. Das ursprünglich ambitionierte Projekt wurde zwar in bescheidenerem Maßstab realisiert, legte aber das Fundament. Seine definitive Gestalt und weltberühmte Erscheinung verdankt Schönbrunn jedoch einer Frau: Kaiserin Maria Theresia. Sie verwandelte den Ort ab 1743 unter Federführung ihres Hofarchitekten Nicolò Pacassi in ihren geliebten Hauptwohnsitz und politischen Mittelpunkt. Das strahlende Schönbrunn-Gelb, das wir heute kennen, und die grandiosen Prunkräume wie der **Millionsenzimmer** und der **Große Galerie** – Stätten rauschender Feste und diplomatischer Wendungen – sind Großteils ihr Vermächtnis. Hier regierte, feierte und spiegelte sie die Macht und den kulturellen Höhepunkt des Wohlstands ihrer Zeit.
- Die Architektur Schönbrunns ist paradigmatisch für den spätbarocken bzw. frühklassizistischen Stil Österreichs. Die majestätische, streng symmetrische Fassade mit ihrer prägenden gelben Farbgebung strahlt eine würdevolle Heiterkeit aus. Die Raumfolgen im Inneren bilden das Herzstück: Beginnend mit der imposanten **"Blauen Stiege"**, taucht man ein in eine Welt der Repräsentation. Prunkräume wie der **Vieux-Lacque-Zimmer**, der **Zeremoniensaal** oder das **Spiegelzimmer** beeindrucken durch reiche Stuckdekorationen ("Nympburger Stuck"), voll plastische Deckengemälde (oft von Gregorio Guglielmi), kostbare Boiserien, entzündete Kristalllüster und eine opulente, oft chinoise beeinflusste Ausstattung. Diese Räume dienten nicht dem persönlichen Komfort, sondern waren Bühnen für die Machtinszenierung des Kaiserhauses, Orte für Empfänge, Audienzen und Staatsgeschäfte unter oft steifer Etikette.
- Neben dieser öffentlichen Pracht barg das Schloss auch die privateren Räume des Herrscherhauses, besonders die **Appartements Kaiser Franz Josephs I.** und der legendären Kaiserin Elisabeth ("Sisi"). Hier wird Geschichte durch Geschichten persönlicher Dimension greifbar. Der kahle Eisenrahmenbett des unermüdlichen Kaisers Franz Joseph, sein einfacher Waschtisch und sein Arbeitszimmer mit Erinnerungsstücken wie der Feldzeichen des "Franzosenkriegs" von 1859 zeigen die asketische Lebensweise des Monarchen, der Schönbrunn den Großteil seiner Herrschaft als Arbeitsresidenz nutze und von hier aus das Imperium durch ein Weltbild fundamentaler Umbrüche lenkte. Im Gegensatz dazu wirken Sisis Prachträume, wie der Turnraum und der Toilette-, oder die sie beherrschenden Garderobenkammern, nicht so verbunden. Sie geben dem Besucher Räume des Fühlens und Mitfühlens frei, die hinter der verschlossenen Schlossfassade lagen und auch fragile Persönlichkeiten und menschliche Schicksale in den kaiserlichen Hallen enthüllen. Auch die private Wohnung Maria Theresa und die Franz' I. Stephans finden sich erhalten.
- Doch Schönbrunn beschränkt sich nicht nur auf das Schloss; es ist eine zusammenhängende Gesamtkomposition. Die **Parkanlage** ist ein barockes Meisterwerk der Landschaftsarchitektur – vermutlich nach Plänen von Jean Trehet –, das sich vom Ostportal auspenetrant symmetrisch mit hervorragend geometrischen Hecken, Alleen und Rankwerk entlang einer präzise berechneten Mittelachse erstreckt und harmonische Ausblicke schafft. Sie bildet die nächste Inszenierungs-Ebene der Habsburger Macht, die Natur in Kultur formte. Epischen Punkten entlang dieser Achse erheben sich noch bedeutendere Bauwerke: Nach oben führt ein schrittweiser Aufstieg erst zum **Neptunbrunnen**, einem prächtigen Beispiel barocker Wasserspielarchitektur mit der bronzenen Statue des Meeresgottes im Kampf mit nackten Giganten und Meeresgöttern. Die Krönung und der atemberaubende Endpunkt der Sichtachse ist jedoch die **Gloriette**. Erbaut aus Ruinenmauerwerk der zerstörten Burg Neugebäude, thront dieser monumentale Triumphbogen- und säulenkonstruktion auf dem Anstieg des "Schönbrunner Bergs". Ursprünglich ein Speise- und Festsaal für die kaiserliche Familie, bietet sie heute den wohl beeindruckendsten Panoramablick über Wien. Diese Kombination aus der kunstvoll gezähmten Natur und architektonischen Krönung symbolisiert den höchsten Triumph des Herrscherhauses über sein Reich und die Beherrschung der natürlichen Umgebung. Sonntagsspaziergänger, Touristen sowie Wienerinnen und Wiener strömen zu jeder Saison dorthin und trinken Filterkaffee auf der historisch umbauten Terrasse.
- Zusätzlich beherbergt der Park andere kulturhistorische Schätze: Der **Schlosspark beinhält den ältesten noch bestehenden Zoo der Welt: den Tiergarten Schönbrunn**, gegründet 1752 von Franz I. Stephan als Menagerie für exotische Säugetiere, Vögel sowie Reptilien. Dahin im rechtwinkligen Prinzip angeordnete Vogelanlagen, erweitert mit Gehegen und Meyer im klassischen Stil errichtete Tierhäusern bietet tausenden Tieren auch heute Obdach. Hinzu kommen Stätten wie **das Palmenhaus**, ein monumentales Jugendstil-Glashaus voller tropischer und subtropischer Pflanzenlandschaften, und das weitläufige Schlosstheater, das noch heute für Aufführungen im Rokokosaal genutzt wird. Die **Wagenburg**, angeschlossenen Gesandtenhäuserseite des Schlosses, verwahrt eine der kostbarsten Kutschensammlungen der Welt – Vehikel für Krönungen, Hochzeiten und Begräbnisse, bevor sie sich einem breiten Publikum öffnete.
- Schloss Schönbrunn hat die Monarchie überlebt; nach dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie ging es 1918 in Staatsbesitz über und wurde akribisch restauriert und als Museums- und Kulturstätte neu konzipiert. 1996 wurde das Ensemble zu Recht in die prestigeträchtige UNESCO-Welterbeliste aufgenommen, als herausragendes Beispiel eines barocken Gesamtkunstwerks von Schloss und Garten. Heute ist es einer der meistbesuchten Orte Österreichs, ein Ort, der Erholung und Hochkultur vereint. Touristen schlängeln zu Zehntausenden täglich durch die Prunksäle und Wohnappartementschen, während sich die Wiener Bevölkerung zu Spaziergängen im Park, mit ihren Kindern im Tiergarten, bei Konzerten im Ehrenhof oder auf dem romantischen Christkindlmärkten einzufinden.
- Das Schloss Schönbrunn hat nicht nur Denkmäler erbaut, es hat Geschichte geschrieben. Hier entschied Napoleon über Europas Landkarte; hier wurde 1805 der „Friede von Pressburg“ unterzeichnet; hier feierte der Wiener Kongress seinen Abschluss; und hier verließ 1918 Kaiser Karl I. resigniert das Schloss und das Habsburger Reich endete formell. Es war Residenz, Kraftzentrum, Kulisse ungeahnter Feste aber auch tragisches Kapitel persönlicher Einzelschicksale und diplomatischer Dramen.
- Der Besuch von Schloss Schönbrunn ist mehr als nur der Eintritt in ein Museum; es ist eine Reise durch mehrere Jahrhunderte europäischen Geschichte, Politik und Kultur. Die atemberaubenden Räume betäuben mit ihrer künstlerischen Perfektion; der Park lädt mit seiner geometrischen Pracht zur Kontemplation und Weite der Natur; selbst Luft zu holen ist hier Begleitung einer besonderen Art von geschichtsträchtiger Luft. Schönbrunn ist kein architektonischer Körper aus toter Materie; es ist eine Macht- und Kulturmaschine aus Stein, Grün und Gold, die Sinnbild der Geschichte ist. Es verewigt den Schwindel erregenden Prunk der Monarchie genauso wie die geheimen Spuren menschlicher Zerbrechlichkeit die hinter majestätischen Fassaden trug. Bis heute erfüllt es eine herausragende Rolle als identitätsstiftende Schatzkammer Österreichs und als über die Grenzen hinweg respektierter Ort gemeinsames europäisches Kulturerbe – wahrlich eine schöne Brunn aus dem Österreich schöpfen kann: Vergangenheitsbewusstsein, Gegenwartsfreude und eine dauerhafte Zukunft als Sinnbild schmückender Schönheit und historischer Reflexion.
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