Advertisement
kaputt_machen

Hakenkreuz-Fahnen fürs Kino

Mar 7th, 2013
259
0
Never
Not a member of Pastebin yet? Sign Up, it unlocks many cool features!
text 4.01 KB | None | 0 0
  1. Sächsische Zeitung online
  2. Donnerstag, 07.03.2013
  3. Hakenkreuz-Fahnen fürs Kino
  4. In Görlitz werden häufig Kriegsfilme gedreht – vor allem am Untermarkt. Ist das trotzdem gute Werbung für die Stadt?
  5.  
  6. Von Daniela Pfeiffer
  7.  
  8. Die Nazis verbrennen in Görlitz Bücher. Am Untermarkt wehen Hakenkreuzfahnen. Obwohl das voraussichtlich nur eine Szene für den Film „Die Bücherdiebin“ sein wird, den das Filmstudio Babelsberg in Zusammenarbeit mit Hollywood dreht, sorgen schon die Gerüchte darüber für Verwirrung. Zwar sind die Görlitzer ja mittlerweile gewöhnt, dass in ihrer Stadt immer wieder auch Kriegsszenen gedreht werden. Das bislang beeindruckendste Beispiel waren die Schießszenen, die hier 2008 für „Inglourious Basterds“ entstanden. Doch ein in rot-schwarze Flaggen getauchter Untermarkt ist noch mal eine andere Dimension.
  9.  
  10. Eine Dimension allerdings, die für das Filmstudio Babelsberg nichts Ungewöhnliches ist. Sprecher Eike Wolf sagt: „Wir haben für unsere Produktionen zum Beispiel in Berlin schon so viele Flaggen gehisst und Naziaufmärsche gehabt und noch nie eine negative Reaktion darauf bekommen.“ Die Kriegsfilme „Operation Walküre“ oder „Enemy at the Gates“ seien hier entstanden. Filme, die absolut nichts naziverherrlichendes hätten, sondern im Gegenteil, die aufklären und Themen wie den deutschen Widerstand im Zweiten Weltkrieg bekannter machen. „Es ist wichtig, das zu zeigen“, sagt Eike Wolf. Damit in Görlitz kein Unmut und keine Diskussionen über die Dreharbeiten zu „Die Bücherdiebin“ aufkommen, will Babelsberg noch vor Drehbeginn genauer darüber informieren, was genau am Untermarkt geplant ist.
  11.  
  12. Das wird auch Alex Jacobowitz interessieren, der Amerikaner, gläubiger Jude und Mitglied des Förderkreises Synagoge in Görlitz ist. Er hat durchaus ein Problem mit dem Vorhaben am Untermarkt. Er hat in Görlitz schon mehrmals echte Hakenkreuze gesehen, unter anderem an der Synagoge. „Jetzt ist es zwar ‚nur‘ für einen Film. Doch die Stadt sollte hier sehr aufpassen, wie sie damit umgeht“, sagt Jacobowitz. „Klar ist es schön, Hollywood hier zu haben, das bringt Ruhm und Geld. Aber das darf keine Ausrede sein, schwelendes nationalsozialistisches Gedankengut zu ignorieren. Realität und Fantasie sind manchmal nur einen Hauch voneinander entfernt.“
  13.  
  14. Im Rathaus kann man nichts Verwerfliches an dem Filmvorhaben entdecken. Die Görlitzer Altstadt sei nun einmal interessant als Drehort für historische Stoffe. „Die beschränken sich aber nicht nur auf die Zeit des Nationalsozialismus“, sagt Stadtsprecherin Ina Rueth und nennt „In 80 Tagen um die Welt“, „Der Vorleser“, dessen in Görlitz gedrehte Szenen bereits in der Nachkriegszeit spielen, oder auch „Goethe!“ und „Die Vermessung der Welt“.
  15.  
  16. Lutz Thielemann, der in Görlitz für Stadtmarketing zuständig ist, sieht die Sache ebenfalls gelassen: „Ich glaube nicht, dass es negative Auswirkungen auf das Ansehen eines Produktionsortes gibt, denn Filmstoffe aus den 1930er und 1940er Jahren wurden auch schon in Berlin, Breslau oder St. Petersburg gedreht, ohne dass es ihrem Image geschadet hätte.“
  17.  
  18. Angst davor, mit Nazi-Szenen Touristen zu verschrecken, hat man in Görlitz nicht. Bei Filmführungen würden Auswärtige ohnehin am liebsten nach Anekdoten fragen. Und dann könne man erzählen, wo Kate Winslet geschlafen und Schuhe gekauft hat, wo das Dixieklo stand, auf das Jude Law ging, wo Jeff Goldblum so gern Klavier spielte oder in welchem Fitnessstudio Edward Norton und Adrien Brody trainierten.
  19.  
  20. „Bedenken zur Verfilmung von ‚Die Bücherdiebin‘ in Görlitz teilen wir nicht“, sagt Ina Rueth. Jede Anfrage von Filmteams gehe mit einer tiefgreifenden Befassung mit dem Thema einher. „Görlitz ist kein originaler Schauplatz, sondern Kulisse, der sich der Produzent mit künstlerischer Freiheit bedient. Damit, dass wir derartige Dreharbeiten zulassen, zeigen wir unseren weltoffenen Umgang damit. All diese Filme sind Beiträge zur Aufarbeitung eines düsteren Kapitels deutscher Geschichte.“
Advertisement
Add Comment
Please, Sign In to add comment
Advertisement