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Jan 20th, 2020
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  1. "Meine Tochter soll von mir lernen, dass Geld wichtig ist"
  2. Frauen scheuen sich, über Geld zu reden. Oder es anzulegen. Unsere Autorin hat einen Fünf-Punkte-Plan entwickelt, um ihrer Tochter auch finanziell ein Vorbild zu sein.
  3. Von Luisa Jacobs
  4. 20. Januar 2020, 12:00 Uhr
  5. Geldanlage: Vorbild Mama, auch was Geld anbelangt.
  6. Ein Vorbild für die Tochter sein, auch in Fragen der Finanzen. © Kelly Sikkema/​unsplash.com
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  8. Während ich mit meiner Tochter schwanger war, habe ich mir oft Gedanken darüber gemacht, wie man ein Mädchen zu einer starken und selbstständigen Frau erzieht. Wie bringe ich ihr bei, dass sie für keine Matheübung zu doof ist und für keinen Beruf der Welt zu schwach? Wie bringe ich ihr bei, laut zu sein? Selbstbewusst? Ich nahm mir vor, meine Tochter auf dem Klettergerüst anzufeuern, statt zu bremsen, und sie niemals, auch nicht neckend, Prinzessin zu nennen. Natürlich trägt sie blau statt pink und besitzt schon jetzt, im Alter von ein paar Monaten, ein halbes Dutzend feministischer Kinderbücher, in denen steht, dass es okay ist, als Mädchen kurze Haare zu haben und mit Baggern zu spielen.
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  11. Eine Sache jedoch steht in keinem dieser Bücher. Dass sie sich nicht nur für Bagger und Puppen, sondern auch für Geld interessieren sollte. Weil man Geld nun mal zum Leben und zum Träumeverwirklichen braucht. Wenn sie später einmal ehrenamtlich am Nordpol Eisbären retten will, braucht sie dafür Geld. Wenn sie entscheidet, all ihre Energie in eine Astronautenausbildung zu stecken, muss sie sich das leisten können.
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  13. Die traurige Realität ist, dass Frauen immer noch weit weniger als Männer verdienen, die berühmte Lohnlücke lag 2018 und wird wohl auch 2019 wieder bei 21 Prozent liegen. Hochrechnungen zufolge wird bei bis zu 75 Prozent der heute 35- bis 50-jährigen Frauen die gesetzliche Rente unter dem jetzigen Hartz-IV-Niveau liegen. Und auch im Freundeskreis zeichnet sich so langsam ab, dass sich mit unserer Generation nur wenig ändern wird: Die jungen Mütter machen erst Elternzeit, um dann in Teilzeit zurückzukehren, die (meisten) Väter arbeiten bis auf die zweimonatige Elternzeitreise ungestört weiter. Bei den kinderlosen Freunden sieht es kaum besser aus: Die Männer verhandeln ihr Gehalt, die Frauen sagen, dass ihnen Geld nicht so wichtig sei.
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  15. "Ich will nicht, dass meine Tochter später einmal sagt: Geld interessiert mich nicht. Oder: Meine Mutter konnte nicht mit Geld umgehen."
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  17. Luisa Jacobs
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  19. Ich war eine dieser Frauen. Geld ist mir egal, behauptete ich und hatte dabei schon damals kein gutes Gefühl. Vor zwei Jahren habe ich deshalb ein Geldseminar besucht. Ich hatte mir erhofft, den Umgang mit Geld so einfach erlernen zu können wie eine Fremdsprache. Einen ganzen Samstag saß ich hochmotiviert im Seminarraum, lernte, wieso man ein Haushaltsbuch führen sollte, was ETFs (Exchange Traded Funds) sind, wo ich sie kaufe und was sie bringen – und setzte dann nichts davon um. Mir fehlte einfach die Motivation, das große Ziel vor Augen, so etwas wie die bevorstehende Italienreise, wenn man einen Italienischkurs besucht. Wenn nicht in Aussicht steht, bald nach Palermo zu fliegen oder den italienischen Kollegen zu verführen, macht selbst die schönste Sprache keinen Spaß.
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  22. Doch jetzt habe ich ein Ziel. Meine Tochter – ich will ihr ein finanzielles Vorbild sein. Ich will nicht, dass sie später einmal sagt: Geld interessiert mich nicht. Oder: Meine Mutter konnte nicht mit Geld umgehen. Sie soll von mir lernen, dass Geld nicht alles, aber wichtig ist. Dass man sich nicht schämen muss, Geld zu haben. Und dass es nicht bedeutet, dass man gierig oder geizig ist, wenn man sich für Geld interessiert.
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  24. Wie weit ich von meiner eigenen finanziellen Unabhängigkeit entfernt bin, musste ich feststellen, als mich eine Bekannte vor Kurzem aufrichtig interessiert fragte, ob ich mit meinem Elterngeld hinkäme. Ich hatte zwar Wochen damit verbracht, den Antrag auszufüllen, um überhaupt Elterngeld zu erhalten (ganz egal kann mir das Geld also doch nicht sein), und trotzdem konnte ich weder sagen, wie hoch mein Elterngeld eigentlich genau ist, noch, ob ich damit über die Runden komme. Vor zwei Jahren hätte ich das noch lässig gefunden – jetzt ist es mir einfach nur peinlich.
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  26. Also krame ich die Notizen des Geldworkshops wieder hervor, lade Hörbücher runter und lese alles, was Madame Moneypenny, die deutsche Vorreiterin in Sachen finanzieller Unabhängigkeit für Frauen, Natascha Wegelin, geschrieben hat. Ich lese und höre ihre Ratschläge so oft, bis ich sie auswendig mitsprechen kann: Ein Auto ist kein Vermögenswert, sondern eine Verbindlichkeit. Eine private Rentenversicherung ist noch lange kein Vermögensaufbau. Niemals investieren ohne einen Notgroschen auf dem Konto. Ein guter Notgroschen ist drei Mal so viel, wie ich zum Leben brauche. Ist der Notgroschen vorhanden, lohnt sich ein Investment schon ab 25 Euro. Eigentlich kann man mit Fonds nichts falsch machen, solange man breit streut, also Diversifikation betreibt. Und noch mal: Diversifikation. Diversifikation.
  27. Über Geld zu reden kann wehtun
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  29. Die Theorie sitzt. Damit ich mir diesmal aber nicht nur gute Gedanken mache, sondern auch Taten folgen, lade ich Freundinnen zum Finanzworkshop bei mir zu Hause ein. Sie alle sind erfolgreiche junge Frauen. Sie verdienen gutes Geld, haben eine Wohnung, manche ein Auto, manche ein erstes Kind. Aber keine von ihnen hat eine private Altersvorsorge oder schon mal Geld investiert. Darum trage ich fünf Punkte zusammen, die mir bei meiner Recherche von Büchern, Texten und Websites sinnvoll erschienen und die man recht einfach umsetzen kann.
  30. 1. Über Geld reden
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  32. Eigentlich soll man sich ja nicht mit anderen vergleichen, aber wenn es ums Geld geht, tut es uns Frauen gut. Es spornt uns an. Wenn wir hören, wie viel andere jeden Monat zur Seite legen, kriegen wir vielleicht auch Lust, das zu tun. Wenn wir hören, wie viel andere verdienen, wollen wir möglicherweise auch mehr verdienen.
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  34. Die Deutschen reden offenbar sehr ungern über Geld: Obwohl sie seit zwei Jahren das Recht haben, sich über die Gehälter ihrer Kollegen zu informieren, machen sie es nicht. Eine Auswertung der Bundesregierung hat ergeben, dass nur zwei Prozent aller befragten Beschäftigten vom neuen Lohntransparenzgesetz Gebrauch gemacht haben.
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  36. Ich verstehe das. Über Geld zu reden kann wehtun. Weil man etwa merkt, dass man viel weniger als die Freundinnen (und erst recht als die Freunde) verdient, obwohl man womöglich den fordernderen Job hat. Ist das fair? Wahrscheinlich nicht. Aber es wird auch nicht besser, wenn wir die Augen davor verschließen und von den Gehaltsunterschieden gar nicht erst wissen. Reden kann unser Gefühl für Ungerechtigkeit, für die Realität schärfen. Fragen Sie mal Ihre beste Freundin, Ihren Vater, einen Kollegen, wie viel er oder sie verdient. Sie werden staunen. Eine aktuelle Studie hat gezeigt, dass sich die Deutschen, was das Gehalt anbelangt, nur schlecht selbst einschätzen können. Menschen, die weniger gut verdienen, vermuten sich eher in der Mitte der Gesellschaft. Und wohlhabende Leute halten sich selten für besonders reich.
  37. 2. Wissen, was man hat
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  39. Letztlich kann man aber nur mit dem eigenen Geld arbeiten. Und dafür muss man wissen, was man hat. Der erste Schritt, den viele schon nicht wagen, ist ziemlich einfach: aufs Konto schauen. Und zwar regelmäßig, nicht nur zwei Mal im Jahr, wenn das Finanzamt etwas von einem will. Das hilft übrigens auch extrem dabei, verpasste Honorare oder falsche Abbuchungen zu bemerken. Noch einfacher wird das Kontochecken, wenn man eine App seiner Bank auf dem Handy hat. Falls nicht, einfach morgens beim Zähneputzen kurz einloggen, einen Blick auf die Ausgaben und Einnahmen werfen. Das Praktische: Wenn etwas nicht stimmt, kann man gleich zum Telefon greifen und das klären.
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  41. Weil auf dem Konto aber möglicherweise auch Erspartes rumliegt und es schnell unübersichtlich wird, sollte man sich zumindest für einen begrenzten Zeitraum einen Überblick darüber schaffen, wofür man Geld ausgibt, zum Beispiel drei Monate lang. Man sollte also ein Haushaltsbuch führen. Das geht per App, per Excel-Tabelle oder einfach mit dem Notizbuch. Als ich diesen Ratschlag vor zwei Jahren im Geldseminar bekam, tat ich ihn als genussfeindlich ab. Ich glaubte, dadurch ein schlechtes Gewissen zu bekommen, wenn ich Geld für eigentlich Unnötiges ausgeben wollte. Nachdem ich mich nun tatsächlich drei Monate lang mit einem Haushaltsbuch gequält und jede einzelne Ausgabe dort eingetragen habe, weiß ich: Den Spaß am Geld ausgeben habe ich mir dadurch zwar nicht nehmen lassen, aber die Bilanz tat am Ende weh. Im Monat November beispielsweise musste ich einsehen, dass ich mein Elterngeld um gut 300 Euro verfehlt hatte. Und zwar schon Mitte des Monats. Gut, in dem Monat habe ich einen Yogakurs und Reiseimpfungen bezahlt, trotzdem war das ein Schock. Ein heilsamer.
  42. 3. Weniger Geld ausgeben
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  44. Das Weniger-Geld-Ausgeben passiert mit dem Haushaltsbuch quasi schon automatisch. Es ist, als würde man anfangen, die Wohnung aufzuräumen, natürlich schmeißt man dann auch ein paar Dinge weg. In meinem Fall: 4,95 Euro monatlich für eine Domain, die seit 2012 nur etwa ein Dutzend Besucher hatte. 6 Euro im Monat für ein PS-Los der Sparkasse, das ich mir mal habe aufschwatzen lassen. Und den alten DSL-Vertrag, der immer noch auf meinen Namen lief, habe ich endlich an meine ehemaligen Mitbewohnerinnen überschrieben.
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  46. Aber da geht noch mehr. In Momenten der Langweile, wenn ich normalerweise im Internet surfe oder Facebook auf und ab scrolle, wechsele ich jetzt zur Excel-Tabelle mit meinen Ausgaben und suche nach Posten, die ich streichen kann. Mir fallen da zum Beispiel regelmäßig hohe Beträge in Buchläden auf. Natürlich will ich nicht aufhören, Bücher zu lesen. Aber vielleicht kann ich mal wieder in die Bibliothek gehen: Die zehn Euro Jahresgebühr habe ich ohnehin schon vor Monaten bezahlt.
  47. Da geht noch mehr
  48. 4. Mehr Geld verdienen
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  50. Um monatlich mehr Geld auf dem Konto zu haben, helfen eigentlich nur zwei Dinge. Erstens: Mehr arbeiten – schwer, wenn man ohnehin schon viel zu viel zu tun hat. Zweitens: mehr Geld für die gleiche Arbeit zu verdienen. Und das bedeutet, sein Gehalt zu verhandeln. Frauen tun sich mit Gehaltsforderungen tendenziell schwerer als Männer, das belegen zahlreiche Studien. Woran das liegt, haben Forscherinnen der Uni Lüneburg und des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung vor Kurzem untersucht.
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  52. Frauen empfinden ihre Entlohnung selten als ungerecht und gehen deshalb auch seltener zu ihrer Chefin oder ihrem Chef, um mehr Geld zu verlangen. Die Studie zeigt aber auch: Wenn Frauen und Männer sich ungerecht behandelt oder bezahlt fühlen, verhandeln sie besser. Regel Nummer eins, über Geld zu reden, wirkt sich also womöglich auch positiv auf die Gehaltsverhandlung aus.
  53. 5. Anlegen
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  55. Erst jetzt, wenn wir wissen, wie viel Geld wir zum Anlegen wirklich zur Verfügung haben, lohnt es sich, sich damit auseinanderzusetzen. Und das ist dann auch eigentlich gar nicht mehr so schwer. Wer ein Haushaltsbuch erfolgreich geführt hat, der kann auch einen ETF kaufen. Das geht mittlerweile schon sehr einfach über Apps wie Oskar oder Peaks. Die machen das Anlegen so einfach, dass Aktien kaufen kaum schwieriger ist, als ein Bahnticket zu buchen. Dafür zahlt man allerdings zusätzlich Geld an die Betreiber.
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  57. Wer wirklich nur die Gebühren für den Kauf der Fonds bezahlen will, der verlässt sich nicht auf Drittanbieter, investiert noch ein bisschen mehr Zeit für die eigene Recherche und stellt sein eigenes Portfolio zusammen. Günstig und relativ einfach geht das zum Beispiel bei der DKB und Comdirect. Wer erst mal üben will, kann sich bei On Vista ein Musterdepot eröffnen.
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  59. Verlässliche Unterstützung für Recherchefaule bietet das Magazin Finanztest. Für ein paar Euro kann man sich dort eine Schritt-für-Schritt-Anleitung für den sogenannten Pantoffelfond herunterladen. Ein Depot, bei dem man je nach Risikolust eine Mischung aus Staatsanleihen (sicher) und Aktien (weniger sicher) auswählen kann. Damit das Anlegen so komfortabel wie eine Pantoffel ist, haben die Verbraucherschützer eine Vorauswahl getroffen. Wirklich sehr bequem, dafür etwas weniger selbstbestimmt.
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  61. Wenige Tage bevor ich meinen Freundinnen all diese Dinge auf meinem ersten Finanzworkshop erzählen kann, schreibt mir mein Freund beiläufig per WhatsApp, dass er jetzt einen Fonds für unsere Tochter eröffnet hat. Für ihn keine große Sache. Nur ein Haken auf der To-do-Liste, zwischen Pfand wegbringen und Personalausweis beantragen. Während ich Notizbücher fülle, Excel-Tabellen bearbeite und meine wenigen freien Stunden in mein neues finanzielles Ich investiere, macht er einfach.
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  63. "Done is better than perfect", diesen Leitsatz aus der Start-up-Branche zitiert Natascha Wegelin alias Madame Moneypenny immer wieder in ihren Büchern. Ein Satz, der für viele Frauen das Problem auf den Punkt bringt: Denn wir wollen alles perfekt machen – und machen dann (zumindest in Finanzdingen) aus Angst vor Fehlern lieber gar nichts. Wir formulieren unseren Kommentar in der Konferenz lieber noch drei Mal um, bevor wir uns zu Wort melden. Wir schicken einen Textentwurf erst dann los, wenn zwei Freundinnen mit Germanistikabschluss Korrektur gelesen haben, und wir würden wahrscheinlich erst dann Geld investieren, wenn wir alle 4.779 ETFs persönlich auf Nachhaltigkeit und Rendite geprüft haben.
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  65. Darum lieber einfach machen. Selbst wenn das Haushaltsbuch noch Lücken hat. Selbst wenn man noch nicht jeden ETF mit Namen kennt. Aus Fehlern lernt man. Auch wenn es ein paar Euro kostet.
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