Die Nacht ruht – still, und finster. Nur ein paar gelbe Straßenlampen erleuchten die sonst düstere Gasse.  Eine kalte Brise bläst mir schwächlich durch die Haare.
Niemand wird mich hier sehen. Polizeisirenen ertönen in der Ferne, zeugen von Menschlichkeit. Von Habgier, Eigensinn, Wahn und Hass.

Ich wollte es immer verstehen.  Ich nahm es nie so hin – ich wollte wissen, was die Leute zu solcher Verderbtheit treibt. Ich wollte es verstehen, sodass ich etwas verändern kann. Irgendetwas. Zum Besseren. Das Schicksal hat diesen Willen zerstört.
Nicht mit Kraft oder roher Gewalt, nein.

Mit Beständigkeit, und Geduld. So wie auch ein friedlicher Bach mit der Zeit die härtesten Steine einkerbt. Ich werfe einen Blick nach unten. Die Stimmen, die mir vorher noch entgegengeschrien hätten, von Orten wie diesen augenblicklich zu verschwinden, sind verstummt, denn auch sie sind müde. Meine Augen wässern.

Ich war ein guter Mensch. Immer. Ich habe versucht, gut zu sein. Zu jedem. Ich habe versucht, die Menschen zu versöhnen, wo sie gespalten waren, sie zu erheitern, wo sie deprimiert waren, und ihnen aufzuhelfen, wo sie am Boden lagen.

Es gibt nun einmal keinen Richter, der über das Leben urteilt.
Welch Pech, dass das Leben keine Ohren hat, sodass man ihm Moral unterrichten könnte.

Ich habe nicht früh genug gemerkt, wie viele Lasten sich an meine helfende Hand geklammert, mich am Arm gepackt haben, bevor ich selbst auf die Knie fiel. Ich habe nicht gemerkt, wie viele sich bereits auf meinen Schultern aufstützten, bevor ich unter dem Gewicht knickte. Nur wegen mir werden sie auch noch fallen.
Weil ich derjenige war, der nicht stark genug war. Weil ich nicht für sie da war.

Eine Träne rollt meine Schläfe hinauf, während der Luftzug stärker wird.