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Oct 26th, 2024
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  1. WELT AM SONNTAG: Die Öffentlichkeit rätselt über die russischen Kriegskapazitäten . Was wissen Sie über das wahre Waffen-Potenzial Russlands?
  2.  
  3. ARMIN PAPPERGER: Moskaus Kapazitäten sind viel größer als die des Westens. Sie können pro Jahr vier bis fünf Millionen Schuss Artilleriemunition produzieren. Es geht ihnen um Menge, nicht um Technologie. Damit wird Trommelfeuer wie im Zweiten Weltkrieg möglich. Der russische Präsident Wladimir Putin hat die Produktionskapazitäten in Vorbereitung auf den Krieg schon seit Jahren hochgefahren. Wir hingegen brauchen nicht so viel Kapazität, weil wir bessere Technologie einsetzen. In Europa werden wir Ende 2026 eine Kapazität von rund 2,2 Millionen Schuss haben, davon rund 1,1 Millionen
  4. bei Rheinmetall .
  5.  
  6. WAMS: Zu Ihren Großkunden zählt die Bundeswehr. Die wiederum sucht dringend Soldaten. Wie stehen Sie zur Wehrpflicht ?
  7.  
  8. PAPPERGER : Habe ich immer befürwortet. Auch heute stehe ich zurWehrpflicht
  9. oder etwas Ähnlichem, um dem Land zu dienen. Ein Dienst, auch an der Waffe, würde jungen Leuten nicht schaden.
  10.  
  11. WAMS: Zur Zeitenwende gehört , dass die Rüstungsindustrie in der öffentlichen Diskussion neu bewertet wird. Das muss Sie freuen .
  12.  
  13. PAPPERGER: Früher wollten uns viele in die Schmuddelecke stellen, ich habe mich nie dort gesehen. Ich wusste immer, dass es das Richtige ist, was wir tun. Ich freue michüber den Imagewandel der Branche, vor allem für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter .
  14.  
  15. WAMS: Im Sommer wurden Attentatspläne auf Sie bekannt, angeblich durch russische Agenten . Seitdem werden Sie von Personenschützern begleitet , haben den gleichen Schutzstatus wie der Bundeskanzler. Das muss ein unangenehmes Leben sein.
  16. PAPPERGER: Für mich ist das mittlerweile ganz normal. Ich habejetzt immer ein paar Beschützer dabei. Unsere Familie ist praktisch etwas größer geworden. Viele Details zu meinem Schutz sind allerdings geheim.
  17.  
  18. WAMS: Der Aktienkurs von Rheinmetall ist mit dem Ausbruch des Ukraine Kriegs um rund 450 Prozent gestiegen. Vor 20 Jahren lag der Kurs bei etwa 20 Euro, derzeit bei knapp 500. Profitieren davon auch die Beschäftigten?
  19.  
  20. PAPPERGER: Ja , natürlich. Wir haben ein Aktienkaufprogramm, bei dem Beschäftigte vergünstigte Aktien mit 30 Prozent Abschlag erwerben können – für
  21. bis zu 400 Euro im Monat. Gut 15.500 Beschäftigte waren im vergangenen Jahr
  22. berechtigt, davon haben rund 4000 mitgemacht. Für den oberen Führungskreis gibt es Erfolgsbeteiligungen in Form von Aktien . Wer schon seit vielen Jahren dabei ist und die Aktien behalten hat, kann inzwischen Millionär sein.
  23.  
  24. WAMS: Ihr Geschäft wächst, doch gerade an Bewerbern für technische Jobs herrscht großer Mangel in Deutschland. Finden Sie überhaupt genügend Personal?
  25.  
  26. PAPPERGER : Wir werden mit Bewerbungen geradezu überflutet. Bis Ende dieses Jahres erwarten wir über 200.000 Initiativbewerbungen, davon 160.000 allein aus Deutschland. 2023 gab es im Konzern gut 5300 Neueinstellungen. In diesem und nächstem Jahr könnten esjeweils etwa 6000 sein.
  27.  
  28. WAMS: Der Ukraine-Krieg beschert Ihrem Unternehmen Milliardenaufträge. Sie nehmen in der Ukraine Panzer Wartungshallen in Betrieb,-
  29. bauen vor Ort ein Pulver- und ein Munitionswerk, liefern und produzieren den Lynx Schützenpanzer, und die Ukraine bekommt das Flugabwehrsystem Skynex. Warum ist Rheinmetall so viel stärker präsent als die Wettbewerber ?
  30.  
  31. PAPPERGER: Ich war als einer der Ersten in der Ukraine, noch vor den meisten Politikern. Ich hatte ein Treffen mit Wolodymyr Selenskyj in Kiew. Unser Geschäft ist ein Vertrauensgeschäft, und er wünschte sich zuallererst so viel Munition wie möglich. Hinzu kamen eine Fahrzeugplanung und erwünschte Kooperationen mit der ukrainischen Industrie. Bei dem Treffen haben wir Geschäfte im Umfang von sechseinhalb Milliarden Euro besprochen. Derentscheidende Punktwar: Wir hatten genau das, was benötigt wurde
  32. und wir konnten kurzfristig liefern. Präsident Selenskyj zeigt sich zufrieden mit
  33. unseren Leistungen.
  34.  
  35. WAMS: Anfangs haben Sie Marder-Schützenpanzer aus eigenen Beständen geliefert , künftig wird es das moderne Modell Lynx sein. Wie groß wird das Liefervolumen ?
  36.  
  37. PAPPERGER: Die erste Lieferung umfasst zehn Stück. Eigentlich würde die Ukraine 3000 Lynx-Schützenpanzer benötigen, aber es gibt kein Budget dafür. Die genaue Anzahl steht noch nicht fest.
  38.  
  39. WAMS: Jüngst hat Präsident Selenskyj ein als Siegesplan bezeichnetes Konzept für eine friedliche Lösung des Krieges präsentiert. Was würde ein Friedensabkommen für die Rheinmetall-Geschäfte bedeuten?
  40.  
  41. PAPPERGER: Erst einmal gar nichts. Der entscheidende Punkt ist: Wir haben ein dickes Orderbuch. Derzeit sind es über 50 Milliarden Euro, zum Jahresende rechnen wir mit über 60 Milliarden. Wir erwarten rund zehn Milliarden Euro Umsatz in diesem Jahr , nach 7,2
  42. Milliardenim Jahr 2023.
  43.  
  44. WAMS: Und danach?
  45.  
  46. PAPPERGER: Nächstes Jahr könnten es zwölf oder 13 Milliarden Euro Umsatz sein, dann 15 Milliarden und zum Ende der Dekade etwa 20 Milliarden. Diese Umsätze sind durch bereits existierende Aufträge abgedeckt - und der Nachholbedarf unserer militärischen Kunden in Europa und der Nato ist weiterhin enorm.
  47.  
  48. WAMS: Sie verdienen einen Großteil mit der Herstellung von Munition. Dieser Bereich Ihres Ukraine-Geschäfts dürfte bei einer Friedenslösung einbrechen.
  49.  
  50. PAPPERGER: Keinesfalls. Die Ukraine lebt bei der Munition derzeit von der Hand in den Mund. Benötigt werden etwa vier Millionen Schuss Artillerie zum Auffüllen der Lager. Die Ukraine wird sich bei einem Frieden bereits auf eine nächste mögliche Invasion vorbereiten. Das Land ist nicht so naiv, wie wir es hier in Deutschland lange Zeit waren. Hier dachte man, der ewige Frieden ist da.
  51.  
  52. WAMS: Aber die gigantischen Summen aus dem Westen fließen möglicherweise nicht mehr, vielleicht entsteht eine Art Kriegsmüdigkeit in der Öffentlichkeit .
  53.  
  54. PAPPERGER: Auch bei einem Ukraine Frieden haben wir weitere Großaufträge in der Pipeline wie die jüngst vereinbarte Zusammenarbeit mit dem italienischen Leonardo-Konzern über rund 24 Milliarden Euro, davon 50 Prozent für uns. Im kommenden Jahr könnten davon zwei bis vier Milliarden Euro gebucht werden, im Jahr darauf neun Milliarden Euro und 2027 rund zehn Milliarden. Hinzu kommen die Chancen aus US-Großprogrammen. Jüngst sind wir beim US-Fahrzeugspezialisten Loc Performance eingestiegen. Dann können wir Tausende Lkw und bis zu 300 Schützenpanzer pro Jahr in den USA fertigen.
  55.  
  56. WAMS: Welche weiteren Pläne verfolgen Sie im lukrativen US-Markt?
  57.  
  58. PAPPERGER: Wir stehen beispielsweise mit dem von unserer US-Tochter geführten Konsortium in der Endausscheidung für den neuen US-Schützenpanzer als Bradley-Nachfolger. Dabei geht es um etwa 4000 neue Schützenpanzer im Wert von ungefähr 40 Milliarden Euro.
  59.  
  60. WAMS: Sie wollen laut eigener Aussage als europäischer Champion in die globale Topliga der Rüstungskonzerne aufsteigen und streben dazu 40 Milliarden Euro Umsatz an. Das erscheint extrem ambitioniert .
  61.  
  62. PAPPERGER : Dazu muss eine weitere Konsolidierung in der Branche stattfinden. Ich kann mir im Augenblick alles und nichts vorstellen. Eine Strategie kann nicht allein von der Industrie umgesetzt werden, sondern immer nur gemeinsam mit der Politik . Eine Größenordnung von 40 Milliarden Euro Umsatz kann nur erreicht werden, wenn es etwas Größeres gibt . Darüber kann ich heute nicht sprechen.
  63.  
  64. WAMS: Seltsamerweise wird Rheinmetall an der Börse schon jetzt wie ein Großer der Branche eingestuft .
  65.  
  66. PAPPERGER: Wir sind derzeit das profitabelste Rüstungsunternehmen der Welt. Wir können also bereits mit den "big boys" aus den USA mithalten. Es gibt schon Analysen, die unseren Aktienkurs bei 800 Euro in den nächsten Jahren sehen, wenn der Wachstumskurs
  67. anhält. Wir haben unseren Börsenwert in den vergangenen zehn Jahren um gut 1300 Prozent gesteigert .
  68.  
  69. WAMS: Das hat dazu geführt , dass Rheinmetall derzeit mit gut 20 Milliarden Euro an der Börse bewertet wird . Amerikas größter Rüstungskonzern Lockheed Martin kommt auf umgerechnet gut 130 Milliarden Euro. Wie weit können Sie diese Lücke schließen ?
  70.  
  71. PAPPERGER: Bei etwa 50 Milliarden Eurowären wir ebenfalls ein "big boy". Aber man muss realistisch bleiben. Fakt ist jedoch auch, dass die Wachstumskurve anderer großer US-Rüstungskonzerne relativ flach ist. Wir holen also schnell auf.
  72.  
  73. WAMS: Bei Waffensystemen der Zukunft ist vom Einsatz künstlicher Intelligenz die Rede.
  74.  
  75. PAPPERGER : Prognosen, dass der Krieg der Zukunft ein Cyberkrieg ist und keine Panzer mehr benötigt werden, haben sich als falsch erwiesen. Was kommt, ist die Vernetzung von Sensoren mit künstlicher Intelligenz , die sogenannte Sensor Fusion. Große Datenmengen und Bilder, sogar aus dem Weltraum, werden verarbeitet. Hier sehen wir uns in einer Vorreiterrolle. Wir sind kein Hardwarehaus, wir sind eigentlich ein Softwarehaus, mit Hunderten von IT-Entwicklern .
  76.  
  77. WAMS: Sie bauen überwiegend Panzer und stellen Munition her. Das klingt kaum nach Software.
  78.  
  79. PAPPERGER: Wir stellen Soldatensysteme her und entwickeln Führungssysteme. Die künftig mit Leonardo in Italien gefertigten Panzer werden künstliche Intelligenz beinhalten. Auch im Schützenpanzer Lynx für Ungarn schlägt die Rheinmetall-Software eine Prioritätenliste vor, welche Ziele zuerst zu bekämpfen sind. Wir haben netzwerkbasierte Anwendungen weit vor der Konkurrenz fertig entwickelt und in der Praxis getestet. Wir können schon, was andere erst noch beweisen müssen. Viele Firmen und unsere Branche erleben einen Hype, weil sie das Schlagwort künstliche Intelligenz für sich nutzen.
  80. Diese Riesenblase wird bald platzen.
  81.  
  82.  
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