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Jan 21st, 2018
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  1. „Hauptsache, es wird warm ums Herze“
  2. Der Kabarettist Uwe Steimle feiert einen Heimsieg beim CDU-nahen Wirtschaftsrat und schimpft reichlich.
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  4. Von Karin Großmann
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  6. Seltsame Bündnisse entstehen derzeit in Sachsen. Der Dresdner Kabarettist Uwe Steimle trägt die Farben der Jamaika-Koalition.
  7. Seltsame Bündnisse entstehen derzeit in Sachsen. Der Dresdner Kabarettist Uwe Steimle trägt die Farben der Jamaika-Koalition.
  8. © Thomas Kretschel
  9. Wer am Beispiel von sechs weißen Baumwollschlüpfern mit Eingriff das Wachstumsbeschleunigungsgesetz erklären kann, ist auf dieser Veranstaltung richtig. Vertreter der sächsischen Wirtschaft feiern an diesem Freitagabend im Dresdner Art’otel das neue Jahr. An runden Tischen mit kantenscharfen Stoffservietten sitzen Projektleiter, Gesellschafter und Geschäftsführer. Mancher Gast betreibt eine Arztpraxis, eine Bäckerei oder ein Steuerbüro, das Ärzte und Bäcker berät. „Und wie sieht Ihr Finanzrahmen aus?“
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  11. Männer sind in der Überzahl, aber nicht mehr so deutlich wie früher. Es gibt auch das kleine Schwarze mit Perlenkette, das Statusdress für die Aufsteigerin. Tigeroptik scheint immer noch Mode zu sein. Manche Damen gehören zur Kaste der mithelfenden Ehefrauen und müssen mitunter lange warten, bis der Chef sein wichtiges Plaudern beendet. Denn Gespräche sind der Sinn des Abends und nicht die Kartöffelchen auf dem Büfett. Wer hätte gedacht, dass Pellkartoffeln mal Luxus werden.
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  13. Ein Technikprofi gehört offenbar nicht zu den Vertretern der sächsischen Wirtschaft. Deshalb verzögert sich der Auftritt des Kabarettisten Uwe Steimle. Simone Hartmann überbrückt die Zeit mit einer Rede, die den fehlenden Mut zu neuen Wegen in der Berliner Politik kritisiert und einer Minderheitsregierung aus CDU und CSU einige Tränen nachweint. Das verwundert nicht weiter. Frau Hartmann leitet die Landesvertretung Sachsen des CDU-nahen Wirtschaftsrates, der an diesem Abend feiert. Bundesweit sind in dem Verein rund 12 000 Mitglieder organisiert. Das muss man sich leisten können und wollen. Der Mindestbeitrag für einen Firmenchef liegt bei einem Tausender pro Jahr. Bei einem Eigenkapital von 75 Millionen steigt der Beitrag auf 30 000 Euro. Die Runde sei „ein Ausdruck exklusiver Zusammengehörigkeit“, sagt Simone Hartmann. „Darf ich Ihnen meine Visitenkarte geben?“
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  15. Da wirkt das Rechenbeispiel mit männlicher Unterwäsche vielleicht doch etwas deplatziert, zumal in der sächsischen Variante von Uwe Steimle. Dass er ein Arbeiterkind ist, sagt er in diesem Kreis gern.
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  17. Gedanklich spannt er den Bogen von der Wiege bis zur Bahre, erinnert sich an das nützliche Töpfchensitzen im DDR-Kindergarten und erzählt von seiner Liegenschaft auf dem alten Katholischen Friedhof in Dresden-Friedrichstadt. Dort hat er im Halbschatten schon mal ein Grab gebucht, gleich neben dem Bildhauer Permoser. „So geht sächsisch!“, sagt Steimle. „Hauptsache, es wird warm ums Herze.“ Er schimpft auf die Werbekampagne des Freistaates, sie sei nicht nur viel zu teuer, sondern auch viel zu lahm. Wer den Spruch verbrochen habe, gehöre an die Panzerwaschanlage. Steimle regt sich auch sonst auf, „ich echauffifiere mich“, sagt er. Das exklusive Managerpublikum freut es. Seltsame Bündnisse entstehen derzeit in Sachsen. Ein Wort gegen den Islam genügt, um bewährte Freund-Feind-Bilder zu erschüttern und neue Allianzen zu gründen.
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  19. Uwe Steimle changiert wie so oft. Er sagt, dass der Islam genauso nach Sachsen gehört wie Vulkane ins Eismeer. Applaus. Er übersetzt die Koalitions-Kurzformel Gro-Ko mit großes Kotzen. Applaus. Er lässt das Partisanenlied „Durchs Gebirge, durch die Steppe“ singen und fordert mehr Handel mit Russland. Applaus. Aus seiner Fernsehsendung „Steimles Welt“ zitiert der Mittfünfziger die Episode mit einer Frau, die behauptet, dass der Freiberger Dom außerhalb von Führungen geschlossen sei, weil „die hintern Altar kacken“. Wer? Deutsche Haufen seien das jedenfalls nicht. Und auch dafür gibt es herzlichen Beifall.
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