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Jun 22nd, 2017
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  1. Talfahrt durch Preußen
  2.  
  3. Kapitel 1: Der Fan
  4.  
  5. „Und Bröker steht alleine vor dem Torwart, jetzt muss er ihn lupfen...“
  6. Im Fernsehen lief das Zweitliga-Spiel Fortuna Düsseldorf gegen den SC Paderborn. Die Farben Rot und Weiß dominierten das Zimmer, in dem der kleine Röhrenfernseher stand. Über der Tür hing ein Fortuna-Schal, im Schrank standen diverse Tassen mit dem Logo des Vereins.
  7. Die Stimme des Fernseh-Kommentators wurde jetzt hektischer. „Und Bröker lupft ihn... Der Ball ist im Netz! Bröker erzielt zum wiederholten Male das 1:0 für die Fortuna!“
  8. Thomas brach in lautes Gejubel aus. Seine Mutter, mit der er alleine lebte, würde zwar wieder einen abfälligen Kommentar darüber ablassen, dass er als Münchener sich so für einen Zweitliga-Verein interessierte, aber das war ihm egal. Er war eben kein mustergültiger Bayer. Er trank lieber Wodka als Weißbier, wählte die Linkspartei und nicht die CSU und lernte in seiner Freizeit sogar richtiges Deutsch.
  9. Nur eines hatte er mit den führenden Köpfen der in Bayern seit Jahren führenden Partei gemeinsam: Er wollte regieren. Nicht jedoch in Deutschland nein, das wäre viel zu einfach für ihn. Ein Land, in dem Stuttgart 21 die größte Herausforderung ist, der sich ein Regierungsbeamter stellen kann, war ihm einfach nicht reizvoll genug. Er suchte seine Herausforderung lieber dort, wo Dissidenten noch gewaltbereit waren, wo keine verweichlichten Polizisten mit Wasserwerfern größtenteils vergeblich versuchten, Rentnern die Augen auszuschießen, sondern dort, wo die Exekutive noch ohne Vorwarnung den Bannhammer zückte und das beliebteste rhetorische Mittel unter Politikern nicht das Lügen sondern der Hitlervergleich war. Thomas fand seine Erfüllung im Winhistory-Forum.
  10. Trotz seiner bayrischen Herkunft war er natürlich nicht so dumm unvorbereitet die Leitung des härtesten Computer-Forums der Welt zu übernehmen. Jahrelanges Studium seiner Vorgänger sollten ihn vor allen Gefahren warnen. Bevor Thomas seinen Singlecore-Powermac-G4 aus dem Ruhezustand erweckte und den IE5 öffnete, ging er noch einmal im Geiste die Erkenntnisse seiner Studien durch.
  11. „ConiKost hat einen unter Admins eher gering verbreiteten Fehler gemacht. Nachdem er genug Daten gesammelt hat um sie gewinnbringend an die Bundesregierung zu verkaufen wollte er den Server mitgehen lassen, ganz in polnischer Tradition. Wäre er dabei nicht aus Versehen auf das Stromkabel getreten, was einen Totalverlust der Datenbank verursachte, hätte das vermutlich sogar funkioniert.
  12. Shippos Fehler war eher klassischer Natur. Während er Tage und Nächte in der Uni verbrachte, um seinen Doktor in Elementarphysik zu machen, verschaffte sich sein alkoholabhängiger kleiner Bruder Zugang zu seinem PC, gab sich als Shippo aus und stürzte das Forum ins Verderben.
  13. Freaked hätte sich denken können, dass der Anbieter des von ihm angemieteten Servers heterosexuell ist und kein Interesse an einer Sexbeziehung zu seinen Kunden hat.
  14. Aber da ich den Server erstens kein Pole bin, zweitens keine Geschwister habe und ich mir drittens nicht einbilde, dass irgendjemand eine Beziehung mit mir wollen würde, kann mir das alles nicht passieren. Ich bin der alleinige Herrscher über Forum und IRC. Ich bin von außen unmöglich als Preuße identifizierbar. Ich werde niemals untergehen!“
  15.  
  16. „Du musst in der vierten Gleichung den Antimaterie-Anteil in Beziehung zur Masse der Atome setzen, dann kannst du meine Theorie verifizieren.“
  17. „Ich glaube immer noch nicht, dass deine Materie-Antimaterie Gleichung durch das Einbeziehen von externer Beeinflussung durch Atom-Kollisionen funktioniert.“
  18. Spit und Jeix streiteten sich wieder mal. Es war 6 Uhr früh am Morgen. Nur zu spät-nächtlichen Zeiten hatten sie den IRC-Channel für sich und konnten ungestört über Quantenphysik diskutieren, ohne dass sie durch die unqualifizierten Äußerungen der anderen IRC-Nutzer gestört wurden.
  19. Sie vertrieben sich so gerne die Zeit, die sie auf ihren Boss warteten. In wenigen Minuten würde Wolfi schon da sein und ihnen neue Anweisungen für den heutigen Tag geben.
  20. Doch Wolfi kam nicht pünktlich. Jeix und Spit hatten noch Zeit ihre Theorien zur Quantenphysik durchzugehen und über Jeix’ neues Diätbuch zu reden, das in den USA ein echter Verkaufserfolg war. Dann endlich betrat Wolfi den Kanal.
  21. „Guten Morgen Männer! Wir wollen nicht über die Gründe meiner Verspätung reden, die im Übrigen mit Alkoholismus zu tun haben, wir kommen gleich zur Sache. Wie ihr wisst stehe ich kurz davor, die Herrschaft über alle Channel im euirc-Netzwerk an mich zu reißen. Nur in #winhistory wird von diversen politischen Gegnern Widerstand geleistet. Ich habe sehr viel Zeit in einen Plan gesteckt, der diese politischen Gegner in sehr kurzer Zeit aus meinem Herrschaftsgebiet vertreiben werden. Schaut bitte in eure Facebook-Postfächer und liest euch eure Aufgaben durch. Ich möchte, dass ihr genau das macht was im Manuskript steht! Fangt sofort an zu Proben!“
  22. <spit> jeix ist fett
  23. <jeix> patrick frisst plastik
  24. <spit> deine mudda ist ne hure, müllfresser
  25. <jeix> klempner
  26. Wolfi schient mit der Probe zufrieden zu sein. „Wunderbar! Und das zieht ihr bitte den ganzen Tag durch! Die Widerstandsgruppen werden den Channel bald sicher freiwillig verlassen! Muahahaha!
  27. Nun denn Männer! Ich werde jetzt wieder ein |off hinter meinen Namen setzen und so tun, als wäre ich nicht da, während ich den ganzen Tag mitlese was im Channel passiert! Gutes Gelingen!“
  28. Spit und Jeix waren sich beide nicht sicher, ob dieser Plan wirklich funktionieren würde. Ihr Fachwissen reichte durchaus aus, um Atomwaffen für einen gezielten Stoß in das Herz des Gegners zu konstruieren. Für dieses Gespamme fühlten sie sich beide unterqualifiziert. Aber sie fügten sich, und so präsentierte sich der Channel in seinem üblichen Bild, als Thomas seinen IRC-Client startete...
  29.  
  30. Ein eisiger Hauch strich ihm über den Rücken. Er fühlte sich allein, jetzt da die Stimmen verschwunden waren. Ein permanentes Gefühl der Nacktheit begleitete ihn bei allem, was er tat.
  31. Gandro vermisste sein Ungeziefer. In der Armee zwangen sie ihn, seine Haare abzuschneiden. Niemand dort weinte den winzigen Wesen, die in gandros Haaren ihr Paradies gefunden hatten, eine Träne nach.
  32. Gandro wollte Rache. Zunächst plante er einen Anschlag die Militärbasis, indem sie ihn um sein Ungeziefer gebracht hatten. Dieses fand er jedoch leer vor, da sämtliche Regimenter damit beschäftigt waren, die Schweiz von bösen Minaretten zu befreien.
  33. Gandro fühlte sich hilflos ohne sein Ungeziefer. Seitdem ihm niemand mehr PHP-Code ins Ohr flüsterte konnte er yafu nicht mehr weiterentwickeln, und im Studium versagte er ganz auf sich allein gestellt ebenfalls kläglich.
  34. All seine verbliebene Kraft selbstständig zu denken zusammenkratzend hatte er deshalb einen Plan entwickelt: Er wollte sich scheinbar mit Thomas verbünden und ihn bei seiner Terrorherrschaft unterstützen. Dann, wenn Thomas sich in seiner Nähe sicher fühlte, wollte er ihm seine Haare abschneiden und an seinen eigenen Kopf kleben. So hoffte er an neues Ungeziefer zu kommen.
  35. Und bisher lief für ihn alles bestens. Als er Colloquy auf seinem Macbook startete wurde er, wie immer, mit offenen Armen begrüßt. Niemand schöpfte Verdacht.
  36.  
  37. Von all dem ahnte Thomas nichts. Nachdem sein IRC-Client gestartet war schrieb er ein paar Zeilen dazu, wie Apple wieder auf PowerPC umsteigen würde, niemand Arch brauchte und der neue Commodore Heimcomputer mit gentoo ausgeliefert werden würde.
  38. Er wähnte sich als der unangefochtene Herrscher über IRC und Forum, und so war er völlig unvorbereitet auf die Prüfungen, die ihm als Admin bevorstanden...
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