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„Ohne Quellen wären wir völlig blind“

Jan 2nd, 2014
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  1. Donnerstag, 02.01.2014
  2. „Ohne Quellen wären wir völlig blind“
  3. Verfassungsschutzchef Gordian Meyer-Plath hält einen kompletten Verzicht auf V-Leute in der NPD für gefährlich.
  4.  
  5. Herr Meyer-Plath, Holger Apfel ist nach offenbar schweren internen Auseinandersetzungen erst als NPD-Chef zurück- und dann aus der Partei ausgetreten. Was sagt dieser Rückzug über den Zustand der NPD?
  6.  
  7. Die NPD war in den letzten Jahren immer wieder durch interne Querelen, Strategiediskussionen und Führungsstreitigkeiten geschwächt. Der Rückzug Holger Apfels aus Partei- und Fraktionsvorsitz und aus der Partei insgesamt ist der vorläufige Höhepunkt dieser Entwicklung. Der Charakter der Partei ändert sich dadurch nicht wesentlich, ihre Inhalte bleiben dieselben, lediglich die Vermittlung der Inhalte könnte radikaler und weniger,weichgespült‘ werden.
  8.  
  9. Hat Apfels Rücktritt Auswirkungen auf das NPD-Verbotsverfahren?
  10.  
  11. Das Verbotsverfahren richtet sich gegen die Partei, das jeweilige Führungspersonal der NPD ist dafür irrelevant.
  12.  
  13. Die NPD ist eine Splitterpartei - außer in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. Werden es die Rechtsextremisten im nächsten Jahr wieder in den sächsischen Landtag schaffen?
  14.  
  15. Ich widerspreche der Behauptung, dass nur diese beiden Bundesländer Hochburgen der NPD sind. Sie hat sowohl in Thüringen als auch in Sachsen-Anhalt gute Wahlergebnisse gehabt. Auch in Brandenburg hätte sie besser abgeschnitten, wenn es nicht die DVU gäbe. Allerdings hat die Partei in Sachsen ein gewisses Stammwählerpotenzial und ist in einigen Kommunen gut verankert. Bei der Bundestagswahl im September hat sie Stimmen verloren, aber nicht so, dass man sagen muss, eine Rückkehr in den Landtag ist nicht mehr denkbar. Zum Zeitpunkt der Bundestagswahl konnte die NPD zudem noch nicht von der Debatte um die Unterbringung von Asylbewerbern profitieren.
  16.  
  17. Werden aus den Protesten gegen Flüchtlingsheime Stimmen für die NPD?
  18.  
  19. Die Demonstrationen in Schneeberg sind ebenso wie die Grenzkriminalität und der geplante Moscheebau in Leipzig Anknüpfungspunkte für die NPD. Sie wird damit auch für Menschen interessant, die sagen, eigentlich ist die NPD nicht meine politische Heimat, aber bei diesen Themen vertritt sie meine Interessen. Das ist das Potenzial, das die NPD braucht, um über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen. Die Frage, wo und wie politische Flüchtlinge in Sachsen untergebracht werden, verläuft allmählich wieder in geregelteren Bahnen. Das Euro-Thema wird inzwischen von der AfD besetzt, die in Sachsen gut abgeschnitten hat. Der Versuch der NPD, damit im Bundestagswahlkampf Stimmen zu holen, ist nicht gelungen. Nun ist auch der Vorsitzende Holger Apfel zurückgetreten. Die Bedingungen für die NPD sind also 2014 nicht ideal, aber ich will noch keine Entwarnung geben.
  20.  
  21. Die Verfassungsschutzämter haben 2012 sämtliche Quellen in den oberen Führungsgremien der Neonazi-Partei abgeschaltet. Behindert das Ihre Arbeit?
  22.  
  23. Ich bin froh, dass wir uns nicht von allen V-Leuten auf allen Ebenen trennen mussten. Wir wären völlig blind, wenn wir auf Quellen verzichten müssten. Immerhin ist die NPD so gefährlich, dass sie verboten werden soll. Daher wäre es meines Erachtens nicht passend, wenn wir auf eine Beobachtung völlig verzichten würden. Klar, bestimmte Informationen erhalten wir nicht mehr. Aber wenn das der Preis dafür ist, diese Partei verbieten zu können, ist es das wert.
  24.  
  25. Ein Großteil der Beweismittel gegen die NPD im Zuge des Verbotsverfahrens steuert Ihre Behörde bei?
  26.  
  27. Der Antrag ist eine echte Gemeinschaftsleistung, die unter Federführung des Bundesamtes für Verfassungsschutz entstanden ist. Viele Beweismittel kommen aus unserer Behörde, aber wir haben auch interessante Belege aus Ländern, die nicht als NPD-Hochburgen gelten. Von dort kommt zum Beispiel ein verschrobener NPD-Funktionär mit Hitler-Schrein in der Wohnung - ein wichtiger Hinweis, um die Wesensverwandtschaft der NPD mit dem Nationalsozialismus belegen zu können. Mecklenburg-Vorpommern spielt vielleicht eine noch wichtigere Rolle als Sachsen. Es gibt in dem Verbotsantrag das Gutachten eines Sozialwissenschaftlers, der beschreibt, wie die NPD die Demokratie in Mecklenburg-Vorpommern behindert und in einigen Regionen sogar politische Prozesse bedroht.
  28.  
  29. Der sächsische Verfassungsschutz warnt zurzeit vor dem Zwangs-Outing von Neonazis durch linksextremistische Aktivisten. Was spricht dagegen, wenn die Namen von Rechtsextremisten etwa im Internet öffentlich bekannt werden?
  30.  
  31. Diese Form der Selbstjustiz stellt den Rechtsstaat und sein Gewaltmonopol des Staates infrage. Die Antifa entscheidet völlig willkürlich, wer Neonazi ist. Wir haben in den sozialen Netzwerken Hinweise auf derartige Aktivitäten gefunden. Da hatte jemand unter falscher Identität bei Facebook Kontakt zu einem Rechtsextremisten aufgenommen und zu einem angeblichen Bewerbungsgespräch eingeladen. Er sollte in eine Falle gelockt werden, und wir wissen nicht, was mit ihm passiert wäre, wenn die Sache nicht aufgeflogen wäre.
  32.  
  33. Der Verfassungsschutz hat schwierige Zeiten hinter sich. Das Ansehen ist bundesweit eher miserabel...
  34.  
  35. ... da muss ich widersprechen. Das ist absolut nicht überall so. In Brandenburg lobt sogar die Linke die Arbeit des Verfassungsschutzes.
  36.  
  37. Sie haben früher im brandenburgischen Verfassungsschutz gearbeitet. Wo liegen im Vergleich zu Sachsen die Unterschiede?
  38.  
  39. In Brandenburg gibt es einen Konsens über die Aufgaben von Sicherheitsbehörden und die Rolle der Zivilgesellschaft bei der Bekämpfung des Extremismus. Dort sind Forderungen nach der Abschaffung des Verfassungsschutzes kaum wahrnehmbar.
  40.  
  41. Der Verfassungsschutz in Sachsen hat in der sogenannten Korruptionsaffäre eine unrühmliche Rolle gespielt und bei der Fahndung nach den Rechtsterroristen des NSU versagt. Kommen Ihre Mitarbeiter morgens eigentlich gern zur Arbeit?
  42.  
  43. Ich denke schon. Wer bei uns arbeitet, weiß, dass er nicht mit täglicher öffentlicher Anerkennung rechnen kann. Das gehört dazu. Die Polizei hat ganz andere Möglichkeiten, ihre Erfolge mit schönen Fotos darzustellen. Ich bin nicht neidisch, das ist normal: Wir geben unsere Informationen an andere, die damit hoffentlich zu guten Ermittlungsergebnissen kommen. Und wenn die entscheidenden Hinweise von uns gekommen sind, ist es gut, dass das niemand erfährt, damit wir es beim nächsten Mal wieder tun können.
  44.  
  45. Gespräch: Karin Schlottmann und Thilo Alexe
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