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esteka

ldn226

Jan 30th, 2021
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  1. Buermeyer [00:00:00] Naja, eins ist jedenfalls deutlich: Schnelltest für alle wird ein bisschen schwierig. Oder gibt es jedenfalls auf absehbare Zeit nicht und deswegen wird es auch schwierig werden, Geimpfte und Genesene von Einschränkungen zu befreien. Wir haben ja in der vergangenen Woche ausführlich diskutiert über die Frage Können Beschränkungen oder müssen möglicherweise sogar Beschränkungen für Genesene oder andere Immune z.B. Geimpfte aufgehoben werden? Und da haben wir immer darauf hingewiesen: wenn man das tun will, ist ganz wichtig, dass man den Immunen gleichstellt Menschen, die einen negativen Schnelltest vorweisen können. Und das wiederum begegnet großen Schwierigkeiten, wenn genau diese Tests nicht in der hinreichenden Anzahl zur Verfügung stehen.
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  3. Banse [00:00:37] Genau. Also der Blogger Tante hat auf dieses Thema bei uns reagiert und hat einen Blogeintrag geschrieben. Der nennt sich Lagebesprechung und ich habe das ja auch retweetet. Ich finde das ja immer toll, wenn sich Leute Zeit nehmen und da was aufschreiben und uns auch kritisieren wie in diesem Fall. Und ne Debatte, sind wir natürlich immer dafür und dabei und dafür zu haben. Deswegen gibt's auch das Forum unter Talg Punkt Lage der Nation punkt org Aber wir dachten uns, wir nehmen uns mal Zeit, um da auf ein, zwei seiner Argumente einzugehen, mit der er unsere Debatte kritisiert hat. Und das eine denke ich wesentliche Argument war, ich paraphrasiere das jetzt mal, wir, die Lage, übersehen oder verschweigen… Ich würde das mal so nennen Sekundäreffekte, wenn Beschränkungen für Immune oder Genesene enden. Also die Idee ist, wenn Immune oder Genesene wieder ins Restaurant gehen dürfen oder ins Kino gehen dürfen, dann muss es halt auch jemanden geben, der die Tickets abreißt oder der kocht oder das Essen dahin bringt. Und das sind eben in der Regel dann prekär Beschäftigte. Und da könnte halt auf diese Menschen, die noch nicht geimpft oder genesen sind, ein unfairer wirtschaftlicher Druck entstehen. Ein Druck auf Schwächere, die sich einfach nicht wehren können, sondern die Kohle brauchen und arbeiten gehen müssen, obwohl sie halt nicht geimpft oder genesen sind.
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  5. Buermeyer [00:01:52] Genau. Und, Tante spitzt das dann so ein bisschen zu. Also er sagt, man habe im Grunde nur vier Optionen in dieser Situation als prekär beschäftigt. Ich warte auf die Impfung und verliere meine Existenz, slash, verarme. Ich versuche mir auf den Schwarzmarkt eine Impfung zu kaufen. Ich versuche mir ein gefälschtes immunzertifikat zu beschaffen. Ich infizierte mich willentlich und hoffe nicht krank zu werden. Nicht schlimm, krank zu werden. Jo, das sagt er, das seien die vier Optionen. Und wenn man sich das mal so anguckt. Also ich denke, ja, es gibt natürlich das Risiko dieser Sekundäreffekte. Natürlich muss man die auch in den Blick nehmen. Allerdings, wenn man sich die Lage dazu angehört hätte in der letzten Woche muss man, glaube ich, sagen, dass wir diesen Punkt gar nicht übersehen haben. Wir haben ja nie gefordert, dass Menschen sich in Gefahr bringen sollen, sondern wir haben im Grunde nur die verfassungsrechtliche Lage erläutert, ob also tatsächlich Beschränkungen aufrechterhalten werden können und außerdem haben wir immer gesagt parallel zu dem Nachweis der Immunität qua Impfung oder Qua durchgemachter Corona-Erkrankung muss stets auch ein Schnelltest möglich sein. Das heißt, es gibt ja z.B. auch Menschen, die man gar nicht impfen kann. Und außerdem haben wir schon in der Woche davor ausdrücklich gefordert, dass Arbeitgeber für alle diejenigen, die nicht im Homeoffice arbeiten können, Schnelltests durchführen und bezahlen müssen. Mit anderen Worten Ich finde diesen Punkt wichtig, den Tante macht.
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  7. Banse [00:03:03] Ja,.
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  9. Buermeyer [00:03:03] Nur die Kritik hat mit der Lagefolge eigentlich eigentlich nicht so viel zu tun.
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  11. Banse [00:03:05] Ich würde sagen, wir haben ihn gesehen und mit einbezogen, indem wir sagen Ja, wenn denn Geimpfte genesen in ein Restaurant gehen dürfen, dann geht das nur unter der Voraussetzung, dass die, die da arbeiten, einen Schnelltest kriegen,.
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  13. Buermeyer [00:03:20] Genau Oder generell haben wir ja auch gesagt, dass die Menschen, die in diesem Restaurant zu Gast sind, alternativ auch einen Schnelltest machen können müssen. Du kannst halt nicht sagen nur für Geimpfte oder nur für, nur für Genesene, sondern wir haben immer gesagt Alternativ muss auch ein Schnelltest möglich sein. Also insofern glaube ich, geht diese Argumentation so ein bisschen an der Lage vorbei. Aber trotzdem ist es wichtig, dass man auf diese Sekundäreffekte hinweist. Denn natürlich darf diese Unterscheidung in Immune und nicht Immune auf keinen Fall zu einer sozialen Spaltung führen. Ich glaube aber, dass das auch vermeidbar ist. Das ist ja der zentrale Punkt, den in der Lage gemacht haben und das ist finde ich auch so ein bisschen die Schwäche der Argumentation bei Tante, weil das so klingt, als sei das unausweichlich. Sobald man quasi differenziert zwischen Immunen und nicht immunen, sagen wir mal, impliziert er, dass dann diese Sekundäreffekte gleichsam zwingend eintreten würden. Das glaube ich, stimmt aber nicht. Jedenfalls sofern es genug Schnelltest gibt. Und da muss man wiederum sehen, das ist ein tatsächliches Problem haben wir oben schon erklärt, aber momentan ist das ja eh noch nicht aktuell, weil es überhaupt keine Immunitätsnachweise gibt. Für die Geimpften nicht und auch für die für die wieder Gesundeten auch nicht.
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  15. Banse [00:04:15] Ja, und weil wir nicht wissen, was das eigentlich heißt geimpft, genesen. Also darüber haben wir die letzte Woche geredet.
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  17. Buermeyer [00:04:20] Diese ganzen Prämissen.
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  19. Banse [00:04:22] Diese ganzen Prämissen das hat er ja auch in seinem Blogpost da aufgelistet. Der zweite Kritikpunkt, den wir da so herausgelesen haben, ist eine politische Kritik, dass er uns ein extrem individualisiertes Rechts und Gesellschaftsverständnis zuschreibt oder unterstellt
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  21. Buermeyer [00:04:38] Das ist ein Zitat, wörtlich.
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  23. Banse [00:04:40] Das ist ein Zitat. Extrem individualisiertes Rechts und Gesellschaftsverständnis. Wir bräuchten, schreibt er, mehr Solidarität. Eine Pandemie sei eine Care, also eine Fürsorgeherausforderung, kein Krieg. Das hier ist eine Love not war Situation. Das ist also eine Liebe, keine Kriegssituation.
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  25. Buermeyer [00:05:00] Also mit anderen Worten, mehr Flausch. Und da muss man jetzt sagen Na ja, diese individuelle Perspektive, die er uns jetzt vorwirft, die ist keine Forderung von uns. Sondern es ist einfach nur eine Beschreibung der Rechtslage. Also Grundrechte sind immer individuelle Rechte. Das ist der Witz bei Grundrechten. Grundrechte bedeuten Der einzelne Mensch nimmt Rechte gegenüber Staat und Gesellschaft in Anspruch. Das liegt in der Natur der Sache. Das ist die Idee bei Grundrechten. Und das hat mit Individualismus zunächst mal nichts zu tun und insbesondere wir in der Lage nicht erfunden. Und um das so ein bisschen mal deutlich zu machen, warum das glaube ich einfach eine zutreffende Beschreibung ist, Individualismus, aber kein zutreffender Vorwurf. Wollten wir mal quasi die Parallele ziehen zum Datenschutz. Das ist beim Datenschutz nämlich gar nicht anders. Da werden auch persönliche Daten geschützt, obwohl man die Daten mitunter als Kollektiv vielleicht ganz gut gebrauchen könnte. Um das mal so ein bisschen zuzuspitzen. Es gibt ja gerade eine Diskussion darüber, ob die Corona-Warnapp nicht mit weniger Datenschutz vielleicht mehr könnte. Ja, um das ganz deutlich zu sagen: Wir finden nicht, ja, also Philip und ich finden durchaus nicht, dass wir den Datenschutz bei der Corona-Warnapp zurückdrehen müssen. Ja nicht, dass das jemand den falschen Hals bekommt. Aber mal so, nur so, um das Argument deutlich zu machen, kann man sich natürlich schon die Frage stellen: Ist denn das dann auch ein Fall von Solidarität? Müssen wir möglicherweise mehr persönliche Daten aufgeben, um Corona effektiver bekämpfen zu können? Ist das auch ein extrem individualisiertes Rechts- und Gesellschaftsverständnis, wenn man bei der Corona-Warn-App – aus meiner Sicht vielleicht zu Recht – auf Datenschutz beharrt? Das ist natürlich jetzt etwas polemisch zugespitzt, aber das Beispiel macht deutlich, dass Individualismus und Solidarität als solches keine tragfähigen Argumente sind. Grundrechte sind immer individuelle Rechte. Sie können aber auf der anderen Seite im Interesse der Allgemeinheit auch eingeschränkt werden. Das heißt also, Individualismus und Solidarität stehen immer in einem Spannungsverhältnis, wenn es um die Anwendung von Grundrechten geht. Und diese, in diese Argumente– helfen aber als Schlagwort niemandem weiter. Man muss immer ganz genau auf den Einzelfall schauen und nur im Einzelfall kann man dann entscheiden, wo man vom Individuum Einschränkungen verlangen kann und wo nicht. Also mal ganz platt gesagt, pauschal "mehr Love" zu fordern ist mir persönlich menschlich super sympathisch, führt aber in einer rechtlichen Diskussion um Grundrechte irgendwie nicht weiter. Man muss dann immer die Frage stellen: Welche plausiblen Argumente gibt es, um die individuelle Grundrechtsverwirklichung einzuschränken? Und das haben wir ja ausführlich diskutiert.
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  27. Banse [00:07:13] Genau, aber da wäre glaub ich dann tantes Argument: Naja, wir müssen halt die individuellen Grundrechte von Geimpften/Genesenen einschränken, um der Allgemeinheit dienen zu können.
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  29. Buermeyer [00:07:27] Genau. Dann sind wir nämlich wieder quasi auf dem gesicherten Boden einer rechtlichen Argumentation. Dann is aber nicht mehr beim Flausch, sondern dann sind wir wieder beim Argumentieren und dann wird es auch wieder sinnvoll. Nur diese Art, diese Argumentation macht er ja nicht, sondern er fragt ja nicht, Was sind denn die Gründe, wie man das einschränken könnte? Er sagt ja einfach nur, wir brauchen, wir brauchen mehr Solidarität. Und das als Schlagwort hilft uns nicht weiter. Man muss dann halt konkret fragen: Was gibt es denn für Gründe? Und da haben wir ja eine Lage auch welche genannt. Also z.B. haben wir dieses schöne Argument, ich hab das das sozialpsychologische Argument genannt, das hat er leider unterschlagen in seinem Blogpost. Dieses sozialpsychologische Argument, wo wir gesagt haben, auch gegenüber Menschen, die selber immun sind, halten wir eine Masken-Pflicht für vertretbar. Und zwar weil eine Masken-Pflicht nur funktioniert, wenn man sieht, dass alle Maske tragen.
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  31. Banse [00:08:10] In seinen Worten, wenn sich alle solidarisch verhalten und ne Maske tragen.
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  33. Buermeyer [00:08:13] Genau! Ganz genau. Mit anderen Worten, es gibt durchaus rationale Begründungen, wie man Grundrechte für ein solidarisches Verhalten einschränken kann. Aber dann ist nicht das Argument Solidarität, sondern das Argument ist dann, dass es quasi psychologisch plausibel ist zu sagen eine Masken Pflicht lässt sich eben nicht nur gegenüber der Hälfte der Gesellschaft durchsetzen, sondern damit die funktioniert, müssen alle mitmachen und dann ist das ein Argument. Also Solidarität als solches ist menschlich sympathisch, mir persönlich auch total sympathisch, aber das reicht nicht für eine juristische Argumentation. Da muss man dann quasi diesen Gedanken der Solidarität runterbrechen auf einzelne plausible Argumente. Zum Beispiel dieses sozialpsychologische Argument Maskenpflicht funktioniert nur gegenüber allen. Oder zum Beispiel könnte man sagen, wenn es irgendeine andere Situation gibt, wo ich die Grundrechtsverwirklichung einschränken muss, damit nicht andere Menschen gefährdet werden. Und da zum Beispiel kommt dann diese, kommen dann diese Schnelltest ins Spiel. Natürlich muss man versuchen, mit Schnelltests Ungleichheiten zu vermeiden. Und natürlich kann es nicht sein, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer irgendwelchen Gefahren ausgesetzt sind
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  35. Banse [00:09:13] Also da, dein Argument ist Solidarität ist per se durchaus wünschenswert und wertvoll. Um aber in einem bestimmten Sachverhalt begründen zu können, warum Grundrechte eingeschränkt oder nicht eingeschränkt werden sollen, muss man sich immer eine Art Unterkapitel dieser Solidarität raussuchen und gucken In welchem konkreten Fall materialisiert sich denn diese Solidarität? Also im Fall von Masken: Nur wenn alle mitmachen, funktioniert die Masken Pflicht auch für alle. Deswegen müssen sich unter Umständen auch Geimpfte und Genesene solidarisch zeigen und Maske tragen.
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  37. Buermeyer [00:09:53] Genau, Solidarität ist, wenn du so willst, nicht als solches das Argument, sondern es ist das Ergebnis einer rationalen Argumentation.
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  39. Banse [00:10:00] Ach so rum.
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  41. Buermeyer [00:10:01] Solidarität ist das, was entsteht, wenn man mit guten Gründen begründen kann, warum individuelle Grundrechtsverwirklichung hier eingeschränkt wird. Und das ist immer die zentrale Frage. Deswegen, deswegen ist das Solidaritätsargument so gefährlich, weil es auf der einen Seite total sympathisch wirkt, auf der anderen Seite aber völlig unpräzise ist. Damit kannst du alles und nichts rechtfertigen. Das haben wir in der letzten Folge ja auch schon deutlich gemacht, damit man überhaupt z.B. in sowas eintreten kann wie eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, ja: "Ist eine bestimmte Einschränkung Individualrechte überhaupt noch verhältnismäßig?" kannst du nicht mit Solidarität argumentieren, sondern musst du mit den ganz konkreten Vorteilen argumentieren, die die Einschränkung individueller Freiheitsrechte bringt.
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  43. Banse [00:10:34] Und das Ergebnis kann dann sein: Wir verhalten uns solidarisch.
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  45. Buermeyer [00:10:37] Kann man dann, so kann man Solidarität nennen oder eine menschenfreundliche Gesellschaft oder eine solidarische Gesellschaft oder wie immer man das formulieren will. Aber jedenfalls als Argument bringt es nichts, weil man damit nicht argumentieren kann. Das lässt sich in keinerlei Verhältnis einstellen. Und um das deutlich zu machen, habe ich eben dieses Beispiel mit dem Datenschutz gebracht. Das ist nämlich genau dasselbe Spannungsverhältnis zwischen individuellem Datenschutz: Meine Daten, die gebe ich nicht her. Und auf der anderen Seite könnte man da pauschal mit dem Anspruch argumentieren, na die Gesellschaft braucht aber deine Daten, um Corona besser bekämpfen zu können. Ja, ist genau dasselbe Spannungsverhältnis. Und ich glaube, da gehe ich jetzt nicht zu weit, wenn ich sage, dass tante beim Datenschutz im Achteck springen würde, wenn man jetzt sagen würde: Mehr Solidarität, bitteschön rück mal raus, mit wem du in den letzten 10 Tagen so Kontakt hattest.
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  47. Banse [00:11:15] Okay. Also ich ich hoffe, das hat euch auch nochmal ein bisschen geholfen. Tante wird sich sicherlich, so wie ich ihn kenne auch nochmal zu Wort melden.
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  49. Buermeyer [00:11:22] Tante hört ja die Lage nicht hat er geschrieben.
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  51. Banse [00:11:24] Achso.
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  53. Buermeyer [00:11:24] Das ist so ein bisschen der Witz bei dem Blogpost. Er sagt, er hört die Lage nicht, aber er hat trotzdem kommentiert. Und es sind ja auch spannende Ansätze drin, die aber glaub ich weniger ein Einwand gegen die Lage sind, als tatsächlich einfach ein Beitrag zu dieser Solidaritäts Debatte. Naja, auf jeden Fall hat es mich sehr gefreut, dass wir mal jemandem nicht links genug sind. Das kommt nämlich selten genug vor. Normalerweise kommt immer fast ausnahmslos die Kritik, dass wir viel zu links seien. In unserem Podcast. Jetzt waren wir mal jemandem nicht zu links. Das ist irgendwie auch ganz gut.
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