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May 27th, 2012
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  1. „Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf.“
  2.  
  3. Die Idee hinter dieser Aussage ist, dass es unnatürlich ist, wie grausam Menschen miteinander umgehen. Menschen sind die einzigen Tiere die ohne einen tieferen Grund töten, foltern und rauben – und das alles unter Ihresgleichen. Menschen verhalten sich zueinander nicht wie Menschen, sondern wie Wölfe. Wie wilde Tiere, die einander hassen und zerfleischen. Dass dies so ist, ist nicht einmal mehr eine Fragestellung: die gesamte Menschheitsgeschichte ist geschrieben mit dem Blut der Getöteten, in der Sprache ausgelöschter Völker auf den Tontafeln eroberter Reiche. Geschichte ist die Geschichte von Menschen, die Menschen angreifen, und Menschen, die sich gegen Angriffe wehren. Es ist der Kampf konkurrierender Gesellschaften, Völker und Nationen. Betrachten wir zunächst den Aspekt der zwischenmenschlichen Gewalt unter dem Gesichtspunkt der Gruppe: es geht um das Überleben der Gruppe in einem Milieu, das stets aus Konkurrenz und Kampf besteht; sei es auf einer sozio-politischen, sei es auf einer natürlichen, biologischen Ebene. Der Mensch bettet sich in seine Gruppe ein und für ihn besteht die Menschheit ausschließlich in seiner Gruppe: Jede andere besteht nicht aus Menschen, sondern aus gesichtslosen Feinden, die bestenfalls ignoriert, schlimmstenfalls ausgerottet werden können. Die Gruppenidentität verleitet den Menschen dazu, äußerst skrupellos zu handeln; alleine schon, weil er die Schuld auf den Rest seiner Gruppe beziehen kann, nicht nur auf sich. Jede Gemeinschaft schafft solch eine Identität, die neben dem primären Ziel eine funktionelle Gesellschaft aufzubauen, ein machtvolles Instrument des Krieges ist. Deswegen ist es auch unmöglich, auch nur eine Seite eines Geschichtsbuches zu betrachten, ohne von Krieg, Invasion, Völkermord, Aufstand, Niederschlagung oder Revolution zu lesen; darum führt die Existenz von menschlichen Gemeinschaften ihrer Natur nach stets zu allen denkbaren Formen der Gewalt und des Konfliktes. Der Kampf zwischen menschlichen Gemeinschaften, der Krieg im eigentlichen Sinne, ist dementsprechend ein integraler Teil jeglichen „zivilisierten“ Lebens und der menschlichen Rasse immanent. Am ausgeprägtesten ist dieser Effekt bei Völkern und Religionen: von den Blumenkriegen der Azteken gegen die für wertlos erachteten Nachbarvölker, die ausschließlich dem Zwecke der Beschaffung Kriegsgefangenen für Menschenopfer dienten bis zum Pulverfass Balkan, das aus Nachbarvölkern, die Jahrhunderte lang im gleichen Staat lebten erbitterte Todfeinde machte und bis in die 90er Jahre das blutigste Schlachtfeld Europas stellte, sind der Kampf für einen Nationalstaat oder eine Religion stets der radikalisierendste Faktor. Doch warum lassen sich Menschen überhaupt für die grausamsten Verbrechen im Namen von Ideologien einspannen? Es geschah zu jeder Zeit und an jedem Ort; und das bedeutet, dass diese Grausamkeit in der Natur des Menschen liegen muss. Der Mensch braucht nur einen Grund um seiner natürlich innewohnenden Bosheit freien Lauf zu lassen, und dazu nutzt er absolut jeden noch so geringen Vorwand mit der größten Hingebung. Fort von dem Phänomen des gemeinschaftlichen Folterns und Mordens will ich nun einige Gedanken über individuelle menschliche Taten schreiben. An diesem Punkt bietet sich uns wiederum eine nahezu endlose Palette an Gräßlichkeiten, von Vergewaltigung bis Foltermord, die uns täglich zeigen, dass das Gute im Menschen wenn überhaupt vorhanden, ein oberflächliches Phänomen ist, das nur von sozialen Normen aufrechterhalten wird.
  4. Hier ist zwischen zwei groben Kategorien zu unterscheiden: Zum einen das Verbrechen aufgrund eines erhofften Profites – Diebstahl, Raub, Erpressung, Entführung und dergleichen. Der Täter ignoriert die Tatsache, dass es Eigentum gibt, welches anderen Menschen zusteht und verhält sich egoistisch, indem er es als sein eigenes betrachtet. Die Mittel und Wege sind in der moralischen Grundsatzfrage irrelevant. Dies ist das „natürlichste“ Phänomen, das wir auch bei Tieren beobachten können, etwa der Ratte, die die Wintervorräte des Eichhörnchens plündert. Gleich der Ratte ist der Mensch nur auf sich selbst bedacht und stiehlt ohne Gewissensbisse. Die zweite Kategorie des zwischenmenschlichen Verbrechens ist das Verbrechen aus Vergnügen bzw. Befriedigung. Hier geht es gleichfalls um einen „Profit“, dieser ist jedoch wesentlich abstrakter und kurzzeitiger, teils nur einige Augenblicke lang. Wir bezeichnen den Menschen, der foltert, weil er Vergnügen daran hat als krank und verrückt; doch haben wir überhaupt das Recht dazu? Ist die völlige Ignoranz gegenüber den Freiheitsrechten eines anderen Menschen nicht der menschlichen Natur natürlich und angeboren? Solche Taten, die, völlig zu Recht, Abscheu in den allermeisten Menschen erwecken, sind im Grunde nichts weiter als die endgültige Konsequenz des menschlichen Egoismus. In dieser also unserer Zeit, die geprägt ist von ungerechten Kriegen und endlosem menschlichen Leid, das niemandem kümmert; in der Zeit der Serienmörder und Flächenbombardements, der Landminen und der Massenvergewaltigungen, nach dem 20. Jahrhundert, das weit über 100 Millionen Menschenleben in gewalttätigen Revolutionen, Kriegen, Aufständen und Völkermorden in einem gewaltigen Strom aus Blut hinwegschwemmte, ist der Satz des Plautus tatsächlich immer noch eine elementare Wahrheit: Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf.
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