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- BZ-Plus Das chronische Erschöpfungssyndrom ME/CFS ist eine heimtückische Krankheit. Für vier erkrankte Mädchen hat die Grundschule Wagenstadt 20.000 Euro gesammelt. Manche brauchen einen Avatar, der für sie im Klassenzimmer sitzt.
- 250 Teilnehmer sind beim 19. Sponsorenlauf der Grundschule Wagenstadt am 4. Mai an den Start gegangen – Schüler, Eltern, Lehrer oder auch die Bundestagsabgeordneten Johannes Fechner und Yannik Bury. Am Ende waren 37.000 Euro in der Schulkasse. 20.000 Euro gehen davon direkt in gleichen Teilen zu je 5000 Euro an die Familien von Sophie (Königsfeld), Malene (Kehl), Martha (Waldkirch) und Milena (Emmendingen), die alle schwer an ME/CFS erkrankt sind. Im Namen der versammelten Schülerinnen und Schüler betont Sven Kern vom Förderverein der Grundschule bei der Scheckübergabe am Montag, dass man stolz sei, mit dem Betrag etwas helfen zu können. Das Engagement der Schüler sei überwältigend gewesen. Das drücken auch die anwesenden Eltern der vier erkrankten Mädchen in sehr emotionalen Worten aus.
- Bereits zum zweiten Mal wird Geld von der Schule zugunsten ME/CFS-Erkrankten gespendet. Es geht aber auch darum, die Öffentlichkeit auf das Thema aufmerksam zu machen. "Kinder sind für Kinder gelaufen", sagt Lehrerin Katja Lang, die wieder viel Herzblut und Kraft in die Organisation des Laufs gesteckt hat. Sie betont, dass sich die Schüler alle mit der Krankheit beschäftigt haben. Aus den Reihen der Kinder kommen reflektierte Botschaften bei der Spendenübergabe: "Wir wollen, dass sich die Ärzte mehr mit der Krankheit beschäftigen und Wissenschaftler die Krankheit untersuchen, auch wenn das viel Geld kostet", sagt beispielsweise Lotte. Auch auf die Frage, wie sich die Kinder die Krankheit vorstellen, wissen sie sofort eine Antwort: "Man hat keine Kraft zu laufen, keine Energie für die Schule, allein die Geräusche in der Schule sind für sie kaum auszuhalten."
- Keine Teilhabe am Leben
- Wie ist Teilhabe am Leben dann überhaupt möglich für die von der Krankheit Betroffenen? In den besonders schweren Fällen von Milena und Martha gar nicht. Milena liegt seit vier Jahren in einem abgedunkelten Raum, Sinnesreize wie Licht, Geräusche und auch Berührungen verursachen nicht auszuhaltende Schmerzen. Selbst Sprechen und Sehen ist zu anstrengend geworden.
- Die Mutter der dreizehnjährigen Malene freut sich, dass ihre Tochter nach fast zweijähriger Pause immerhin wieder den Schulunterricht mitverfolgen kann. Allerdings nicht persönlich und nicht in voller Länge. Ein Avatar, ein kleiner Roboter, sitzt für sie in ihrem Klassenzimmer, via App kann sie sich zuschalten, solange es ihr gesundheitlich möglich ist. Allein die Anschaffungskosten haben gut 4000 Euro betragen. Malenes Mutter berichtet, dass aber nicht nur die Anschaffung ein Kraftakt war, sondern viele Eltern von Betroffenen auch sehr um den Einsatz von Avataren im Unterricht kämpfen mussten. Denn Eltern mancher Mitschüler und auch Lehrkräfte wollen unter dem Vorwand des Datenschutzes keinen Avatar im Unterricht.
- Eltern müssen vieles selbst bezahlen
- ME/CFS ist laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Krankheit mit den größten Lebenseinschränkungen klassifiziert. Milenas Vater sagt, man stirbt nicht direkt an der Krankheit, aber alt werde man auch nicht damit. Nicht nachvollziehbar sei, dass nicht mehr geforscht werde und viele Ärzte in vollkommener Unwissenheit agierten. So komme es immer wieder zu vielen schwerwiegenden Behandlungsfehlern. Klar sei, dass alles, was bei anderen Krankheiten guttue, wie Bewegung an der frischen Luft bei ME/CFS genau das Gegenteil bewirke. Der Umgang mit der Krankheit hat in seinen Augen eine starke politisch-medizinische Ebene. Nicht vergessen dürfe man auch, dass hinter jedem ME/CFS erkrankten Menschen mindestens ein Elternteil stehe, dass die Pflege übernehme. Auch für die Eltern sei die Teilhabe am Leben und ein geregeltes Arbeitsleben sehr schwer oder unmöglich. Vom Horror im Kampf um den passenden Pflegegrad für die Kinder wolle er gar nicht erst reden. Die Eltern müssen vieles selbst bezahlen, von der geeigneten Ernährung über schalldichte Vorhänge bis hin zu Medikamenten. Es gibt bisher keine Medikamente, welche die Ursachen von ME/CFS behandeln, jedoch welche, die symptomlindernd wirken. Vieles muss hier jedoch unter gesundheitlichen Risiken ausgetestet werden. Man könne die Nebenwirkungen und Langzeitschäden schwer einschätzen.
- Die Eltern der betroffenen Mädchen betonen trotz der großen Verzweiflung im BZ-Gespräch, dass ihre Kinder tapfer mit der Krankheit umgehen, die so schwer greifbar und unberechenbar im Verlauf ist. Schwer erträglich ist es aber in diesem Zusammenhang zu hören, dass alle vier jungen ME/CFS-Patienten sich schon mehrfach gewünscht haben, sie hätten Krebs. Denn das sei etwas Nachvollziehbares sagen sie – etwas, gegen das man kämpfen könne und auch Unterstützung bekomme.
- Die Grundschule Wagenstadt hat einen beachtlichen Beitrag geleistet, um ein Bewusstsein für das Thema ME/CFS zu schaffen und finanziell zu helfen. Ihr Engagement wird sie 2025 beim Sponsorenlauf fortsetzen.
- Die Krankheit ME/CFS
- Myalgischer Enzephalomyelitis/ Chronisches Fatigue Syndrom, kurz ME/CFS – was ist das? Mit dem Namen dieser Krankheit können auch über fünf Jahrzehnte nach ihrer Entdeckung die meisten Menschen wenig anfangen – leider auch viele Ärzte. ME/CFS gehört zu den letzten großen Krankheiten, die noch immer kaum erforscht sind. Dabei führt die schwere neuroimmunologische Erkrankung oft zu einem hohen Grad der körperlichen Behinderung. Die Teilhabe am normalen Leben ist dann unmöglich, aufgrund der chronischen Erschöpfung verbunden mit starken Schmerzen sind viele Erkrankte an ein Leben im Bett gefesselt und haben seit Jahren nicht mehr das Haus verlassen können. Die Krankheit kann theoretisch jeden treffen, eine normale Grippe kann der Auslöser sein. ME/CFS gilt auch als schwerste Ausprägung von Post-Covid. Allein in Deutschland sind 500.000 Menschen von ME/CFS betroffen.
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