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Niedermayer:Was bewegt die Wähler zur Wahl der Piratenpartei

Jun 2nd, 2014
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  1. S.71 ff aus Oskar Niedermayer - Die Piratenpartei (2013)
  2.  
  3. 4 Was bewegt die Wähler zur Wahl der Piratenpartei?
  4.  
  5. In ihrer Kurzanalyse der Abgeordnetenhauswahl verkündete die Forschungsgruppe Wahlen e. V. u. a. ein Ergebnis ihrer Vorwahlbefragung, nachdem die Piraten „für 80 Prozent der Befragten ‚aus Unzufriedenheit mit den anderen Parteien‘ und
  6. nur für 10 Prozent ‚wegen der Inhalte‘ gewählt werden“ (Forschungsgruppe Wahlen 2011b).[Der Rest von 10 % hatte dazu keine Meinung oder beantwortete die Frage nicht.] Diese Aussage wurde von vielen Medien aufgegriffen und diente in der Diskussion dazu, die Wähler der Piraten als „Protestwähler“ zu kennzeichnen. Hierzu ist zu bemerken, dass obige Zahlen die Einschätzung der Gesamtheit der Befragten über die Motive der Piratenwähler wiedergeben, nicht die Meinung der Piratenwähler selbst. Aber wie im späteren Wahlreport verdeutlicht wurde, gaben auch nur 31 Prozent der Piratenanhänger an, die Partei werde wegen der politischen Inhalte gewählt, und 66 Prozent meinten, die Wahl geschehe aus Unzufriedenheit mit den anderen Parteien (vgl. Forschungsgruppe Wahlen 2011a: 25). Bei der Landtagswahl im Saarland waren die Werte noch höher: 85 Prozent sowohl der Befragten insgesamt als auch der Piraten-Anhänger gaben an, dass die Unzufriedenheit mit den anderen Parteien für die Wahl der Piraten wichtiger ist als deren politische Inhalte (vgl. Forschungsgruppe Wahlen 2012a: 22).
  7. Waren bei diesen Fragen die Antwortmöglichkeiten vorgegeben, so wurde im April 2012 im DeutschlandTREND von Infratest dimap den Piratenanhängern eine offene Frage nach den Gründen für ihre Präferenz zugunsten der Piraten
  8. gestellt. Die Auswertung der Antworten ergab: „Beim Votum für die Piratenpartei steht der Protest gegen den etablierten Politikprozess und die Unzufriedenheit mit bzw. Kritik an den anderen Parteien im Vordergrund. 42 Prozent der aktuellen Piratenanhänger nennen dies als Motiv. Dass die Piraten jung und unverbraucht sind und einen frischen Wind in die Politik bringen, nennen 23 Prozent. Das Programm bzw. konkrete sachpolitische Themen gibt nur jeder siebte Piratenanhänger als Grund für seine Entscheidung an. Die Motive sind allerdings deutlich unterschiedlich zwischen den Altersgruppen: Für jüngere Wähler sind die inhaltlichen Angebote am wichtigsten, für die älteren ist der Ausdruck des Protests ausschlaggebend“ (Infratest dimap 2012c).
  9. Bei der Interpretation dieser Zahlen ist allerdings Vorsicht geboten. Der Terminus ‚Protestwähler‘ besitzt in der Öffentlichkeit gemeinhin eine emotionale Konnotation, die in der Charakterisierung der Piratenwähler als „digitale
  10. Wutbürger“10 treffend zum Ausdruck kommt. Die Wahl einer Partei aus Protest kann jedoch genauso gut mit einem nüchternen, rationalen Kalkül erklärt werden (vgl. Arzheimer 2002: 86), etwa wenn damit der bisher gewählten Partei signalisiert werden soll, dass man sich einen Kurswechsel wünscht oder dass man mit einem stattgefundenen Kurswechsel nicht einverstanden ist. Wie z.B. in der Analyse der Gründe für den Erfolg der Piraten bei der Abgeordnetenhauswahl deutlich wurde, gab es in der Tat eine Reihe von rationalen Gründen vor allem für ehemalige Wähler der Grünen, aber auch der SPD, Linkspartei und FDP, sich bei dieser Wahl den Piraten zuzuwenden. Zudem muss unterschieden werden, ob es den Wählern um „das Programm bzw. konkrete sachpolitische Themen“ geht, oder ob das Wahlmotiv der übergeordnete Wertbezug der Transparenz und Partizipation ist, der sich in der Unzufriedenheit mit dem Politikstil der etablierten Parteien – wozu auch die Grünen gehören – äußert. So gesehen, ist das ‚Protest- bzw. Unzufriedenheitsmotiv‘ ein genuin inhaltliches Wahlmotiv. Protestwahl und inhaltliche Wahl sollten also nicht als einander ausschließende Motive betrachtet werden. Ein weiterer wesentlicher Unterschied zu den ‚traditionellen‘ Protestwählern der Vergangenheit besteht darin, dass diese extreme Parteien gewählt haben. Die Piraten werden von den Wählern jedoch nicht als extreme Partei wahrgenommen: Im März 2012 rechneten 31 Prozent der Befragten die Piraten eher dem linken Spektrum zu, 35 Prozent hielten sie eher für eine Partei der Mitte, 4 Prozent für eher rechts und 30 Prozent konnten sie noch gar nicht einordnen (vgl. Forschungsgruppe Wahlen 2012b).
  11.  
  12. 5 Fazit
  13. Auch wenn die Wahlforschung mit der Analyse der Wählerschaft der Piraten noch am Anfang steht, machen die bisherigen Ergebnisse deutlich, dass die Piraten neben ihren Kernwählern, die mit ‚jung, männlich und netzaffin‘ beschrieben werden können, eine große Zahl von Randwählern gewinnen konnten, für die der Unmut über die etablierten Parteien und der Wunsch nach einem neuen Politikstil im Vordergrund steht. Diese Wähler sind noch nicht fest an die Piratenpartei gebunden, können von den anderen Parteien aber auch nicht einfach dadurch zurück gewonnen werden, dass man sich etwas mehr um Netzpolitik kümmert.
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