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- Das Café Lamber im Norden gilt als Anlaufpunkt für die ganze Umgebung. Gleichzeitig gibt es einen jahrelangen Streit mit zwei Nachbarn. Der gipfelt jetzt in Polizeibesuchen und einer bizarren städtischen Anordnung.
- Jürgen Bock
- Es gilt als Vorzeigeviertel, das Gebiet rund um die Helfferichstraße im Stuttgarter Norden. Eine schöne Wohngegend in Halbhöhe mit Geschäften und ein bisschen Gastronomie. Die Menschen kennen sich häufig noch und schätzen ihre Umgebung. Doch es geht auch anders. Und zwar so extrem, dass mittlerweile drei städtische Ämter, das Regierungspräsidium als nächsthöhere Instanz und die Polizei damit beschäftigt sind.
- Es geht um das Café Lamber. Das befindet sich an der Ecke zur Eduard-Pfeiffer-Straße in einem hübschen Gebäude. Es gibt Eis, Kuchen, kleine Gerichte, Getränke drinnen und draußen. Abends um 18 Uhr ist Schluss, obwohl bis 22 Uhr geöffnet sein dürfte. Viele Stammgäste schätzen das Café und seinen Betreiber Cameron Grobenski. Gemeinsam mit seiner Schwester stemmt der langjährige Gastronom, der schon im Amadeus und der Alten Kanzlei gearbeitet hat, das Café. „Viele hier kennt man mit Namen. Wir sind auch soziale Anlaufstelle, tief im Viertel verwurzelt“, erzählt der 44-Jährige und gibt einem Nachbarn schnell eine Salbe über den Tresen, die jemand bei ihm hinterlegt hatte.
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- Eine Gastronomie allerdings hat es an dieser Stelle nicht immer gegeben. Eine Zeit lang befand sich dort eine Metzgerei, später ein Büro und ein Atelier. Auch leer stand die Fläche schon. 2017 eröffnete Grobenski dort als Mieter einen Laden mit Gebäck und Eis – und beschloss nach einigen Jahren, einen Antrag auf eine Gaststättenkonzession zu stellen. Die Auflagen waren streng, der 44-Jährige musste eine hohe Summe in die Umbaumaßnahmen stecken. Und konnte schließlich im vergangenen Sommer sein Café eröffnen.
- Allerdings gab es davor schon Streitigkeiten mit zwei Anwohnern. Warum genau, kann Grobenski gar nicht sagen. Aus seiner Sicht störten sie sich an dem Geschäft – und seit ein Café daraus geworden ist, eskaliere die Situation. Mehrere Gerichtsverfahren unter anderem wegen baulicher Fragen hat es gegeben oder gibt es noch. „30- bis 40-Mal“ sei ihm die Polizei vorbeigeschickt worden. Regelmäßig gebe es Anzeigen bei der Stadt. Und eine davon hat sich als Treffer entpuppt.
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- Laut Genehmigung darf Grobenski keine warmen Speisen anbieten. Auf Drängen seiner Gäste hat er aber irgendwann einen kleinen Mittagstisch ins Programm genommen – Weißwürste, die er in heißem Wasser erwärmt, Sandwiches aus einem Toaster, Omelette aus der Mikrowelle. „Das verursacht weder Lärm noch Gestank“, sagt er – und hat das auch vom Amt für Umweltschutz schwarz auf weiß. „Von unserer Seite entsteht keine Notwendigkeit für einen Antrag auf Nutzungsänderung“, heißt es in einer Stellungnahme. Auch das ebenfalls involvierte Ordnungsamt sieht kein Problem.
- Letztlich entscheiden muss allerdings das Baurechtsamt. Und das beharrt auf einem Antrag auf Nutzungsänderung. Grobenski müsste damit einen neuen Bauantrag stellen, obwohl er gar nichts umbauen will. Das dauert nach den Auskünften, die er beim Amt bekommen hat, zwölf bis 16 Monate und kostet seinen Erfahrungen nach zwischen 3000 und 5000 Euro. „Das kann doch nicht sein“, sagt er. Inzwischen hat er die warmen Imbisse von der Karte genommen, bangt aber um seine Gäste, die ein solches Angebot forderten.
- Anwohner klagen über Lärm
- Aufseiten der Anwohner, die gegen das Café vorgehen, sieht es ganz anders aus. „Es geht um Gerüche und Lärmbelästigungen im Zusammenhang mit dem Gaststättenbetrieb und was damit sonst noch verbunden ist, wie Gespräche von Gästen vor dem Haus oder die An- und Abfahrt der Gäste“, sagt deren Stuttgarter Rechtsanwalt Marc Wennberg. Es mache einen Unterschied, ob sich in einem Mehrfamilienwohngebäude nur ein Café mit Abgabe von Speisen und Getränken zum Mitnehmen oder zum Verzehr außerhalb oder eine Gaststätte mit Innenbewirtschaftung befinde. Man gehe auch baurechtlich gegen die Umnutzung vor, weil man glaube, dass ein Gutachten zum Lärmschutz innerhalb von Gebäuden, auf dessen Grundlage die Baugenehmigung nach anfänglicher Ablehnung doch noch erteilt worden ist, auf falschen Annahmen basiere. Die endgültige Entscheidung stehe noch aus.
- Aus Sicht der Anwohner trägt der Cafébetreiber erheblich zu der festgefahrenen Situation bei. „Da ist vieles unglücklich gelaufen. Es hat im Vorfeld keine Kommunikation gegeben, sodass die Betroffenen sich überfahren gefühlt haben“, sagt Wennberg. Man habe feststellen müssen, dass auf einer nur zum Parken zugelassenen Fläche nebenan plötzlich Tische und Stühle aufgestellt worden seien. Dort hätten die Leute dann Kaffee getrunken. Dies habe zur ersten Auseinandersetzung geführt, man habe dies gerichtlich untersagen lassen. Der Betreiber lasse es offenbar an Einfühlsamkeit vermissen, was die Belange der Nachbarschaft angehe. Zugeständnisse seien von diesem nur zu erwarten, wenn ein Gericht Zweifel äußere, so der bisherige Eindruck. Im Lauf der Zeit seien deshalb bei den Betroffenen Emotionen aufgekommen.
- Polizei rückt häufig aus
- Bei der Stuttgarter Polizei kennt man den Fall nur allzu gut. „Es gibt dort einen längeren Rechtsstreit zwischen dem Betreiber und zwei Anwohnern“, sagt ein Sprecher. Die riefen häufig die Polizei. Die Anrufe erfolgten „sehr niederschwellig“. Man rücke deshalb öfter zu dem Café aus. „Wir haben dort aber nie Verstöße festgestellt“, so der Sprecher.
- Die Auseinandersetzung und ihre teils bizarren Wendungen haben sich längst herumgesprochen. Auch Bezirksvorsteherin Sabine Mezger ist involviert. „Wir haben da eine schwierige Situation, bei der es auch eine emotionale Ebene gibt“, sagt sie. Bei dem Streit könne man schwer vermitteln, auch wenn sie die zwischenmenschlichen Probleme zutiefst bedaure. Das Viertel lebe eigentlich vom nachbarschaftlichen Zusammenhalt, von der Begegnung. Deshalb sei man „froh, dass es das Café gibt“.
- Kritik an der Stadt
- Sehr deutlich wird Sabine Mezger allerdings, was das Vorgehen der Stadt betrifft. Das Café habe sich im Lauf der Zeit entwickelt und auf Wunsch der Gäste „ein winziges Angebot an warmen Speisen gemacht, ohne Herd oder offenes Feuer“. Das sei zwar nicht erlaubt, dabei gehe es aber lediglich um einen Halbsatz in der Genehmigung. „Richtlinien muss es geben, sie müssen sich aber an den Menschen orientieren“, sagt die Bezirksvorsteherin. Dem Problem wäre aus ihrer Sicht mit etwas Augenmaß schnell abzuhelfen – ohne die langwierige und teure Prozedur beim Baurechtsamt: „Da ist die Verwaltung sehr schwerfällig. Das ärgert mich.“ Sie habe deshalb auch schon mit Baubürgermeister Peter Pätzold über die Sache gesprochen – ohne Erfolg.
- Aufgeben will Cameron Grobenski nicht. „Das ist mein Lebenswerk. Ich habe alles, was ich verdient habe, in das Café gesteckt“, sagt er. Er hofft, dass es mit der Stadt doch noch zu einer Einigung kommt. Damit die soziale Anlaufstelle im Viertel bestehen bleibt.
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