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Die Blockade einer Demonstration ist keine Straftat

a guest
Apr 11th, 2014
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  1. „Die Blockade einer nicht verbotenen Demonstration ist eine Straftat.“.[1] Dies behautet Michael Ebner als Fazit seiner Betrachtungen unter der Fragestellung „Ist eine Blockade eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit?“ [2] und irrt damit meines Erachtens nach.
  2.  
  3. Michael Ebner führt insbesondere den Strafrechtlichen Begriff der „groben Störung“ ins Feld u m seine Meinung zu untermauern. Dazu mal einige Anmerkungen, die aufzeigen, dass es sich hier nur um seine, aber nicht um die allgemeine Juristisch anerkannte Meinung handelt. Diese sind hier [3] entnommen.
  4.  
  5. Der strafrechtliche Begriff der "groben Störung"
  6. 1. Tatbestandsaufbau
  7. § 21 BVersG lautet: „Wer in der Absicht, nicht verbotene Versammlungen oder Aufzüge zu verhindern oder zu sprengen oder sonst ihre Durchführung zu vereiteln, Gewalttätigkeiten vornimmt oder androht oder grobe Störungen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
  8. Der Gesetzgeber hat im objektiven Tatbestand drei Tatbestandsalternativen nebeneinander gestellt: die Vornahme oder Androhung von Gewalttätigkeiten sowie die Verursachung grober Störungen. Eine Versammlung ist im Sinne des § 21 BVersG vereitelt oder "gesprengt", wenn die Teilnehmer gezwungen sind, das Versammlungsgelände zu verlassen.[4]
  9. Aus der gleichrangigen Nebeneinanderstellung der drei Tatbestandsalternativen ist zu schließen, dass der Gesetzgeber ein vergleichbares Unrecht, eine vergleichbare Belastungswirkung für das Schutzgut des Tatbestands sowie eine vergleichbare kriminelle Energie beim Täter gesehen hat. Zudem zeigt das Kriterium der „Grobheit“ der Störung, dass die "einfache" Störung nicht strafbar sein soll.
  10.  
  11. 2. Gewalttätigkeit als physische Gewalt in Parallele zum Landfriedensbruch
  12.  
  13. "Gewalttätigkeit" im Sinne des § 21 Bundes-Versammlungsgesetzes wird einhellig wie der Begriff der „Gewalttätigkeit“ im Tatbestand des Landfriedensbruchs in §125 StGB ausgelegt. „Gewalttätigkeit“ meint "ein aggressives, gegen die körperliche Unversehrtheit von Menschen oder fremden Sachen gerichtetes aktives Tun von einiger Erheblichkeit unter Einsatz bzw. In-Bewegung-Setzen physischer Kraft". [5]
  14. Insbesondere sind "Sitzstreiks, Sitz- u.a. Blockaden, die sich in passiver Resistenz erschöpfen" nach ganz herrschender Ansicht keine Gewalttätigkeiten iSd § 125."[6]
  15. Auch der Standardkommentar zum Versammlungsrecht von Dietel / Gintzel / Kniesel vermerkt ausdrücklich:
  16. "Keine Gewalttätigkeit im Sinne des § 21 liegt vor, wenn Personen in der Absicht, eine Versammlung zu verhindern, lange vor Beginn der Veranstaltung alle Plätze eines Saales besetzen. Auch die Anwendung psychischen Zwanges ist keine Gewalttätigkeit."[7]
  17.  
  18. 3. Störung als Schaffung einer "unüberwindlichen Sperre"
  19.  
  20. Die Rechtsprechung geht zur Definition einer "groben Störung" davon aus, dass sie
  21. "solche Einwirkungen, auf den ordnungsgemäßen Ablauf einer Versammlung(meint), die als besonders schwere Beeinträchtigung des Veranstaltungs- und Leitungsrechts empfunden werden. Grob stört, wer durch sein Verhalten das Teilnahmerecht friedlicher Teilnehmer besonders schwer beeinträchtigt."[8]
  22. Die neuere Rechtsprechung fußt auf einer Entscheidung des BayObLG von 1995, die aufbauend auf diese Formel eine "besonders schwere Beeinträchtigung" erkennt, "die auf eine Vereitelung des Aufzugs hinauslaufen". Dies sei der Fall, wenn eine "unüberwindliche Sperre" geschaffen werde. [9]
  23. Allerdings hat das BayObLG eine Vereitelung durch Schaffung einer „unüberwindbaren Sperre“ bereits angenommen, wenn ein nicht verbotener Demonstrationszug für 10 Minuten aufgehalten wurde, ohne dass eine Umgehung möglich war. Diese Entscheidung wird allerdings zu Recht als im Ergebnis unzutreffend kritisiert.[10]
  24. Diese Entscheidung des BayObLG ist nur vor dem Hintergrund zu verstehen, dass das Gericht die Strafbarkeit nach § 21 VersG mit der damaligen Rechtsprechung zur Nötigung nach § 240 StGB harmonisieren wollte. Diese Rechtsprechung ist aber bekanntlich mittlerweile verabschiedet worden.
  25.  
  26. 4. Parallele: “Störung“ im Sinne des § 11 BVersG
  27.  
  28. Das Bundes-Versammlungsgesetz verwendet auch in § 11 den Begriff der "Störung". Gemäß § 11 BVersG kann "der Leiter ... Teilnehmer, welche die Ordnung gröblich stören, von der Versammlung ausschließen". Die Vorschrift gilt nur für Versammlungen in geschlossenen Räumen.[11]
  29. Teilnehmer der Versammlung im Sinne der Vorschrift sind auch solche, die dem kommunikativen Zweck der Versammlung widersprechen. Die Äußerung von Meinungen, die der Intention der Veranstalter widersprechen, sind ausdrücklich zulässig und dürfen nicht als "Störung" angesehen werden. [12]
  30. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung von 1991 zu einer Saalveranstaltung der Republikaner entschieden: "Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit schützt auch nicht nur solche Teilnehmer vor staatlichen Eingriffen, die die Ziele der Versammlung oder die dort vertretenen Meinungen billigen, sondern kommt ebenso denjenigen zugute, die ihnen kritisch oder ablehnend gegenüberstehen und dies in der Versammlung zum Ausdruck bringen wollen.". [13]
  31. Eine Störung im Sinne des § 11 BVersG liegt erst dann vor, wenn das Verhalten der opponierenden Teilnehmer die Versammlung nach Form und Inhalt so schwer beeinträchtigt, "dass nur die Beseitigung der Störung als Alternative zur Unterbrechung oder Auflösung der Versammlung in Betracht kommt". [14]
  32. Mit anderen Worten: Eine Störung im Sinne des § 11 und auch des § 21 BVersG liegt erst vor, wenn diese den kommunikativen Zweck der Veranstaltung derart beeinträchtigt, dass nur noch ein Abbruch der Veranstaltung oder die Beseitigung der Störung in Betracht kommt.
  33.  
  34. Kern des Versammlungsrechts als Schutzgut des § 21 BVersG ist die Möglichkeit der gemeinsamen kommunikativen Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung. Eine „Sprengung“ ist die vollständige Vereitelung einer Kommunikation. Eine „Störung“ meint daher eine Verhaltensweise, die zwischen der zulässigen opponierenden Teilnahme und der Totalvereitelung liegt. Das Kriterium der „Grobheit“ der Störung zeigt, dass nicht jede Störung, mag sie auch rechtswidrig sein, strafbar sein soll. Dies zeigt den Willen des Gesetzgebers, den Tatbestand nicht ausufern zu lassen. Da der tatbestandliche Normalfall die "Gewalttätigkeit" ist, möchte er keine allzu weite Entfernung von der körperlich wirkenden Gewalt zulassen.
  35.  
  36. Letztendlich lässt sich zur Behauptung, das Blockaden per se Straftaten sind noch das folgenden sagen: „Dass es auch Versammlungsstörungen unterhalb der Schwelle des § 21 VersG gibt bzw. geben kann, zeigt ein Blick auf § 29 Abs. 1 Nr. 4 VersG, der solche Fälle lediglich als Ordnungswidrigkeiten sanktioniert. Voraussetzung ist jedoch auch dort, dass mit der Störung trotz wiederholter Zurechtweisung durch den Leiter oder einen Ordner fortgefahren wird. Wenn der Gegendemonstrant jedoch mangels „Erststörung" mit einer solchen weder fortgefahren hat noch zurechtgewiesen wurde, scheidet auch die Ahndung als Ordnungswidrigkeit aus. Ähnliches gilt auch im Hinblick auf die allgemeine Ordnungswidrigkeitsnorm des § 113 Abs. 1 OWiG (unerlaubte Ansammlung).“[15]
  37.  
  38. Die Frage einer Blockade von Demonstrationen ist eine Politische und sie muss auch Politisch entschieden werden. Diese politische Entscheidung wird aber durch die, meines Erachtens falsche Behauptung, Blockaden seine per se Straftaten verhindert. Denn wer sich doch noch für Blockaden ausspricht wird so als Befürworter von Straftaten hingestellt.
  39. Dies beendet aber jede Politische Diskussion.[16]
  40.  
  41. [1] https://wiki.piratenpartei.de/Benutzer:Michael_Ebner/NaziDemos#Sollen_die_Piraten_.C3.BCberhaupt_demonstrieren
  42. [2] https://wiki.piratenpartei.de/Benutzer:Michael_Ebner/NaziDemos#Sollen_die_Piraten_.C3.BCberhaupt_demonstrieren
  43. [3] http://www.johannes-lichdi.de/position+M5461306d9cd.html
  44. [4] Dietel / Gintzel / Kniesel, Versammlungsgesetz, § 21 R.8.
  45. [5] BGHSt 20.305/308. BGHSt 23, 46/52.
  46. Dietel / Gintzel / Kniesel, Versammlungsgesetz, § 21 R.8.
  47. Ott / Wächtler / Heinhold, Versammlungsgesetz, R.2.
  48. Schöncke / Schröder - Lenckner/Sternberg-Lieben, StGB, 28. Auflage, 2010, § 125 R.5.
  49. [6]Schöncke / Schröder - Lenckner/Sternberg-Lieben, StGB, 28. Auflage, 2010, § 125 R.5, 6.
  50. Ebenso Ott / Wächtler / Heinhold, Versammlungsgesetz, R.2.
  51. [7]Dietel / Gintzel / Kniesel, Versammlungsgesetz, § 21 R.8.
  52. [8]Dietel / Gintzel / Kniesel, Versammlungsgesetz, § 21. R.10.
  53. [9]BayObLG, Urteil vom 16.10.1995, 4St RR 186/95, R.14 - juris.
  54. OLG Hamm, Beschluss vom 17.02.2011 , 4 RVs 12/11, III-4 RVs 12/11, R.15.
  55. OLG Dresden, Beschluss vom 25. Mai 2012, 1 Ss 184/12, S.4.
  56. [10]Münchner Kommentar - Altenhain, Strafrechtliche Nebengesetze, § 21 VersG, Anm.48.
  57. [11] Dietel / Gintzel / Kniesel, Versammlungsgesetz, § 11. R.1.
  58. [12]Dietel / Gintzel / Kniesel, Versammlungsgesetz, § 11. R.5.
  59. [13] BVerfG Beschluss vom 11.06.1991, 1 BvR 772/90, R.16 = BVerfGE 84, 203-212 - Repubikaner-Saalveranstaltung
  60. [14]Dietel / Gintzel / Kniesel, Versammlungsgesetz, § 11. R.5.
  61. [15] http://www.anwalt.de/rechtstipps/legaler-widerstand-gegen-rechte-demonstrationen_018574.html
  62. [16] in der ersten Version konnte man den Eindruck gewinnen, das er Michael Ebner mind. zweimal unterschwellig unterstellt, dass es um Nazi-Sympathie geht. Das war niemals meine Absicht.
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