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- Plötzlich wieder Türke
- Uelzen. Der Landkreis Uelzen hat einem
- türkischstämmigen Justizbeamten
- im Eilverfahren die deutsche Staatsbürgerschaft
- entzogen. Der bestens integrierte
- Mann steht damit vor den Trümmern
- seiner Existenz. Er droht seinen
- Beruf und seine Pensionsansprüche zu
- verlieren. Sein einziger „Fehler“: Er hat
- eine türkische Frau geheiratet.
- Der Lebenslauf von Oguz K. (Name
- geändert) liest sich wie die Geschichte
- einer vorbildlichen Integration: 1982 in
- Deutschland geboren, nimmt er 2001 mit
- 18 die deutsche Staatsbürgerschaft an
- und gibt die türkische auf. K. macht seinen
- Realschulabschluss und wird in der
- JVA Uelzen Justizvollzugsbeamter auf
- Probe – bis Montag dieser Woche. Jetzt
- ist er arbeits- und mittellos und wird zumindest
- vorübergehend zum Sozialfall.
- Denn am Montag hat ihm der Kreis
- die deutsche Staatsbürgerschaft rückwirkend
- aberkannt und hatte es dabei
- auch noch besonders eilig. In der Folge
- hat das Land Oguz K. am Dienstag auch
- aus dem Staatsdienst entlassen – weil er
- kein Deutscher mehr ist. Das berichtet
- die „Allgemeine Zeitung“ aus Uelzen.
- Das alles wäre nie passiert, hätte sich
- Oguz K. nicht in eine Türkin verliebt und
- beschlossen, sie zu heiraten. Dafür forderte
- der Kreis einen Auszug aus dem
- türkischen Familienregister der Familie
- K. Das wird in Kastamonu geführt, einer
- Provinzhauptstadt im Norden der Türkei.
- Als der Landkreis das Stammbuch auswertet,
- gibt es eine Überraschung: Oguz
- K. wird dort noch immer als
- Türke geführt. Im April 2002,
- rund acht Monate, nachdem
- er die deutsche Staatsbürgerschaft
- angenommen hatte,
- nahm ihn der Ministerrat der
- Türkei erneut auf.
- Für Oguz K. ist das ein Schock – und
- ein Rätsel. „Ihm ist nicht bekannt, wie es
- zu diesem Beschluss gekommen ist“, sagt
- sein Anwalt. Einen Wiedereinbürgerungsantrag
- seines Mandanten gibt es offenbar
- nicht, sondern nur den Personenregisterauszug
- aus der Provinz. Doch dem Landkreis
- genügt das, um die deutsche Staatsbürgerschaft
- zu entziehen. Zuvor hatte
- die Ausländerbehörde den 33-Jährigen
- aufgefordert zu beweisen, dass er nie einen
- Antrag unterschrieben hat. Das sei in
- der Praxis sicher „schwierig bis unmöglich“,
- räumt Uelzens erster Kreisrat Uwe
- Liestmann ein und betont gleichzeitig,
- dass der Landkreis keine andere Entscheidungsmöglichkeit
- gehabt habe.
- Der erste Kreisrat behält recht. K. telefoniert
- mit dem Standesamt im türkischen
- Kastamonu, schaltet auch dort einen
- Anwalt ein. Er erhält am Telefon die
- Auskunft, dass tatsächlich in der Türkei
- kein Antrag auf Wiedereinbürgerung
- vorliege. Schriftlich dürfe
- eine solche Negativbescheinigung
- aber nur das
- Innenministerium in Ankara
- ausstellen. K. wendet
- sich dorthin, wo man aber
- wiederum an das Standesamt
- in Kastamonu verweist.
- Das fasst der verzweifelte Uelzener in
- einer eidesstattlichen Versicherung zusammen,
- die er an den Landkreis schickt.
- „Es gibt in der gesamten Türkei (...) keinen
- von mir unterzeichneten Antrag auf
- Wiedereinbürgerung“, heißt es darin.
- Doch der Ausländerbehörde reicht das
- nicht. Sie fordert K. auf, seine Einbürgerungsurkunde
- innerhalb von zwei Wochen
- im Kreishaus abzugeben und ordnet
- wegen „öffentlichen Interesses“ Sofortvollzug
- an. Auch eine Petition an den
- Landtag kann den Kreis nicht stoppen.
- Stattdessen empfiehlt der erste Kreisrat
- dem 33-Jährigen, nach vorn zu blicken:
- „Wir bieten ihm ein sehr zügiges
- Verfahren zur Wiedererlangung der deutschen
- Staatsbürgerschaft an.“ Doch für
- Oguz K. ist das kein Trost. Damit wäre er
- von 2002 bis 2015 endgültig kein Deutscher
- mehr – seine Existenzgrundlage
- samt Ausbildung und Pensionsansprüchen
- wäre verloren, befürchtet er.
- Auch das Justizministerium in Hannover
- kann nicht helfen. Man habe bei der
- Entlassung aus dem Beamtenverhältnis
- keinen Ermessensspielraum. „Gleichwohl
- ist der Justizvollzug sehr darum bemüht,
- kreative Lösungen zu finden. Ziel
- ist es, eine Beschäftigung im Justizdienst
- fortzusetzen, idealerweise in einem Beamtenverhältnis“,
- erklärt ein Sprecher.
- „Vorübergehend könnte auch eine Beschäftigung
- als Angestellter in Betracht
- kommen.“ Die JVA sei sehr bemüht, „zu
- einer guten Lösung zu kommen“.
- Ironie des Schicksals: Nach heutigem
- Recht müsste sich Oguz K. nicht mehr für
- nur eine Staatsbürgerschaft entscheiden.
- Seit 2014 darf, wer in Deutschland geboren
- und aufgewachsen ist, den türkischen
- und den deutschen Pass behalten. Oguz
- K. hilft das nicht mehr.
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