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- Samstag, 21. Januar 2012
- (Sächsische Zeitung)
- Stadtrat verweigert Ehre für getötete Marwa El-Sherbini
- Von Franziska Dähn
- Ausgerechnet ein Richter vom Landgericht – dem Ort, an dem sie ermordet wurde – verhindert die Benennung einer Straße nach ihr. Das hatten seine Kollegen vorgeschlagen.
- Beinahe wäre niemandem in der Stadtratsitzung etwas aufgefallen. Die Benennung eines Teilstücks der Florian-Geyer-Straße steht ganz im Schatten der offiziellen Taufe der Waldschlößchenbrücke, unscheinbar gequetscht in den Tagesordnungspunkt 16. Doch spätestens, als CDU-Stadtrat Peter Krüger im Laufe der Debatte den Saal verlässt, ist der Eklat perfekt. Was ist passiert?
- Die „Neue Richtervereinigung“ unter Christian Avenarius und seinem Kollegen Thomas Guddat hatte sich zu Wochenbeginn mit einer Initiative an alle Stadtratsfraktionen gewandt. Ihr Vorschlag: Ein Straßenabschnitt am neuen Amtsgericht soll nach der 2009 ermordeten Marwa El-Sherbini benannt werden. Man sei sicher, „dass der Großteil der Angehörigen der Dresdner Justiz ebenso wie die überwiegende Mehrheit der Dresdner“ dies befürworte.
- Doch der Verband hatte die Rechnung ohne ihren Berufskollegen und CDU-Stadtrat Hans-Joachim Brauns gemacht. Der Richter am Landgericht hat bereits im Vorfeld der Stadtratssitzung verlauten lassen, dass er eine Benennung nach der Ägypterin ablehne, wie es von Vertrauten heißt. Dies würde einem Schuldeingeständnis der Justiz gleichen. Auch CDU-Kollegin Angela Malberg sagt: „Er hat davor gewarnt, er habe mit Kollegen gesprochen, die dies ablehnten, und hat dann ja auch in der Stadtratssitzung lautstark seine Ablehnung verkündet.“
- Das CDU-Votum fehlte
- Doch die Fraktionsspitzen von Grünen, SPD und Linken hatten sich zuvor bereits darauf verständigt, die Idee der Richtervereinigung zu prüfen. „Wir sind dabei“ habe es noch während der Stadtratssitzung auch von der Führungsspitze der CDU geheißen, sagt die Franktionsvorsitzende der Grünen, Christiane Filius-Jehne. Der interfraktionellen Einigkeit sicher, brachte sie den Antrag mündlich ein, ohne den Namen der Ägypterin zu nennen: Das Rathaus soll „ergänzende Gespräche, unter anderem mit dem Hauptanlieger Amtsgericht führen“. Bei der Abstimmung allerdings fehlt plötzlich das sicher geglaubte CDU-Votum.
- Von einem „Kommunikationsproblem“ spricht nun die CDU, von einem „politisch höchst peinlichen Putsch“ sprechen die Grünen. „Das sind Zerfallserscheinungen in der CDU“, raunt ein SPD-Mitglied. Die Grünen wollen beobachtet haben, dass Hans-Joachim Brauns während der Abstimmung mit seinem Ausstieg aus der Fraktion gedroht habe und damit in letzter Sekunde die Konservativen hinter sich habe vereinigen können. Von einem „Putsch“ und einer „Ausstiegsdrohung“ könne nicht die Rede sein, meint hingegen die CDU. Intern habe Stadtrat Peter Krüger den Fehler eingeräumt, den Vorstoß der Grünen nicht korrekt an die Basis kommuniziert zu haben, sagt ein Fraktionsmitglied. „Es hat sicher an den Absprachen gehapert“, meint auch CDU-Stadträtin Malberg. Es sei schließlich nicht Stil der Fraktion, Abmachungen zu brechen.
- Vertreter von SPD, Linken und Grünen reagierten noch in der Sitzung aufgebracht. Linken-Chef André Schollbach erklärte: „Ich bin empört über das, was geschehen ist“. Man habe dem Antrag nur unter der Prämisse zugestimmt, dass auch die CDU mit im Boot sei. „Ich habe so etwas noch nie erlebt. Das ist ein Vertrauensbruch, der ist schwer zu verdauen“, so Grünen-Fraktionschefin Filius-Jehne. Selbst die Angehörigen der Ägypterin hatten Zustimmung signalisiert. Man habe den Vorschlag der Richter in Ruhe diskutieren wollen, ohne politischen Schaden anzurichten. Genau dies ist jetzt geschehen.
- Richter Hans-Joachim Brauns will sich nicht an Diskussionen beteiligen, „die nur dazu führen können, dass Frau El-Sherbini instrumentalisiert wird“. Im Übrigen trage die Straße nun den Namen „Roßbachstraße“. SPD-Stadträtin Sabine Friedel hingegen hofft, „dass es uns in den nächsten Monaten gelingt, mit Vernunft und Sachlichkeit“ eine Mehrheit für die „Marwa-El-Sherbini-Straße“ zu gewinnen.
- Die Grünen haben bereits angekündigt, bei der Bundeskanzlerin deshalb zu intervenieren. Marwa El-Sherbini ist immer auch ein Politikum. Staatsanwalt Christian Avenarius sagt: „Es ist unglaublich viel Porzellan zerschlagen worden. Es wäre eine schöne Geste der Stadt gegenüber den Angehörigen und dem Ausland gewesen“.
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