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Libyen im Jahr drei des Arabischen Frühlings

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Nov 21st, 2013
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  1. s.a. http://www.imagenetz.de/f6036315c/2013-11-06_ds-21_libyen_col-300dpi.pdf.html
  2.  
  3. Einer der Hauptgründe für die ausländische Intervention in Libyen war - Öl
  4.  
  5. Der Soldat Nr. 21 - Mittwoch, 06. November 2013, Seite 2
  6.  
  7. SICHERHEITSPOLITIK - Weltgeschehen im Brennpunkt
  8.  
  9. Libyen im Jahr drei des Arabischen Frühlings
  10.  
  11. Chaos - soweit das Auge reicht
  12.  
  13. Das land, das von dem Diktator Muammar al-Gadaffi zusammengehalten worden war,
  14. scheint sich aufzulösen und versinkt in Gesetzlosigkeit und Anarchie.
  15.  
  16. Die Militärintervention in Libyen im März 2011: "Der internationale
  17. Militäreinsatz in Libyen umfasste bewaffnete Operationen zur Einrichtung einer
  18. Flugverbotszone, zum Schutz der Zivilbevölkerung in Libyen, zur Unterstützung
  19. der Aufständischen gegen die Regierungstruppen und zur Durchsetzung des
  20. Waffenembargos durch Marineschiffe. ... Am 17. März 2011 wurde durch die
  21. UN-Resolution 1973 ein Militärschlag, jedoch unter Beachtung des allgemeinen
  22. Waffenembargos und ohne Einsatz von Besatzungstruppen, legitimiert. Am
  23. Nachmittag des 19. März 2011 begannen die Militäraktionen ... Faktisch diente
  24. der Militäreinsatz auch der Unterstützung der Aufständischen und es fanden
  25. regelmäßig Konsultationen mit deren Militärführern statt." (Wikipedia)
  26.  
  27. Allerdings - und das pfeifen inzwischen die Spatzen von den Dächern - waren Öl
  28. und der unbotmäßige Muammar al-Gaddafi das Hauptziel und der wahre Grund für die
  29. Intervention.
  30.  
  31. Man kann es kaum glauben
  32.  
  33. Wenn man Leute aus Libyen trifft, die Wien besuchen, erhält man bei Gesprächen
  34. Aussagen, die kaum zu glauben sind: Die Hauptstadt Tripolis hat wochenlang kein
  35. Wasser und keine Elektrizität.
  36.  
  37. Bewaffnete Milizen beherrschen die Straßen, weil eine arbeitsfähige Regierung
  38. fehlt, weil nationale Sicherheitseinrichtungen sowie städtische
  39. Basisdienstleistungen einfach nicht vorhanden sind. Und in den anderen
  40. Landesteilen ist es noch schlimmer. Aus arabischen Medien (Al Jazeera, Al Ahram
  41. usw.) vernimmt man dazu: Mordanschläge; Bombenattacken; Entführungen;
  42. Folterungen während der Inhaftierung; bewaffnete Gruppen bekämpfen Abgeordnete
  43. und Justizbehörden; Terroristengruppen breiten sich über unkontrollierte Grenzen
  44. aus; de facto herrscht Gesetzlosigkeit und Anarchie usw.
  45.  
  46. Stammeskämpfe
  47.  
  48. Mitte September brachen Stammeskämpfe zwischen Grenzsoldaten aus dem westlichen
  49. Stamm Zintan und rivalisierenden Angehörigen des Garamna-Stammes aus. Die
  50. Auseinandersetzungen führten zur Flucht der Bewohner von Derj, einer wichtigen
  51. Stadt 550 km südwestlich der libyschen Hauptstadt Tripolis und in der Nähe der
  52. Öl- und Erdgas-Anlagen an der algerischen Grenze. Zintan-Grenzposten hatten die
  53. Häuser des Garamna-Stammes in Brand gesetzt, sodass die Bedrohten über die
  54. durchlässige Grenze in das benachbarte Algerien flohen. 11 Menschen blieben tot
  55. in dem lokalen Konflikt zurück.
  56.  
  57. Die Stammeskämpfe waren infolge einer deutlichen Verringerung der Öl- und
  58. Gasproduktion, von Arbeitsniederlegungen und aufgrund des allgemeinen Zustands
  59. der Unsicherheit im Land ausgebrochen. Unter dem ehemaligen libyschen
  60. Staatschef Gaddafi wurden die tief verwurzelten Stammes-Animositäten in Schach
  61. gehalten.
  62.  
  63. Ölproduktion fast stillgelegt
  64.  
  65. Die für Libyen so wichtige Ölproduktion ist fast stillgelegt. Dies, weil die
  66. Bewachungsmannschaften der Ölfelder und Ölterminals streiken. Der Grund für
  67. diesen Streik ist die Forderung nach Gehaltserhöhung und nach noch mehr. Sie
  68. streiken für verschiedene Separatistenbewegungen, die eine Selbstregierung für
  69. die ölreiche Provinz Cyrenaica mit der Hauptstadt Bengasi wollen. Denn dort sind
  70. die meisten Ölreserven Libyens.
  71.  
  72. Nicht die Truppen der nationalen oder der regionalen Regierung, sondern mächtige
  73. Milizen beherrschen die meisten Ölfelder und vier der fünf Erdölexportterminals.
  74. Im vergangenen Monat schlossen die Zintan-Milizen zwei große Ölfelder im Süden,
  75. Al-Feel und Esshara, unterbrachen die Produktion von mindestens 500.000 Barrel
  76. pro Tag (bpd). Das ist fast ein Drittel des Produktionsniveaus von rd. 1,5 Mio.
  77. bpd, das es in der Zeit unter der Staatsführung Gaddafis gegeben hat. Darüber
  78. hinaus hat die Miliz begonnen, riesige Ölmengen auf dem Schwarzmarkt zu
  79. verkaufen und versucht, diese Aktivitäten sogar auszuweiten. Das führte dazu,
  80. dass Premierminister Ali Sidan damit drohte, jeden unautorisiert auslaufenden
  81. Öltanker zu bombardieren.
  82.  
  83. Die libysche Armee hat allerdings wenig Einfluss, denn effektiv kontrollieren
  84. Milizen das Land. Darüber hinaus haben sich diese Milizen und Stammesältesten
  85. als große politische Gruppierungen im Libyen der Post-Gaddafi-Zeit etabliert
  86. und sind immer einflussreicher innerhalb der libyschen Armee-Einheiten der
  87. Regierung geworden.
  88.  
  89. Suleiman Kjam, ein Mitglied des parlamentarischen Komitees für Energie erklärte
  90. jüngst einem Reporter von Bloomberg TV, dass die Regierung nun ihre finanziellen
  91. Reserven verbraucht habe. Er warnte davor, wenn diese Situation weiter anhält,
  92. wird die Regierung in den nächsten Monaten nicht in der Lage sein, die Gehälter
  93. ihrer Angestellten zu bezahlen.
  94.  
  95. Chaos herrscht in Libyen
  96.  
  97. Gleichsam als Höhepunkt der Brüskierung der ohnmächtigen Regierung wurde am
  98. Morgen des 10. Oktober Libyens Premier Ali Sidan, ein parteiloser Liberaler,
  99. entführt und 7 Std. später wieder freigelassen. Das zeigt, dass die libysche
  100. Zentralregierung nicht einmal die Hauptstadt, geschweige denn das ganze Land
  101. kontrollieren kann.
  102.  
  103. Die Ermordung von Politikern und Journalisten wurde zu normalen Nachricht im
  104. heutigen Libyen. Es führte soweit, dass Oberst Jussuf Ali al-Asseifar - der mit
  105. der Untersuchung derartiger Vorfälle und mit der Verhaftung der dahinter
  106. stehenden Personen beauftragt worden war - am 29. August selbst ermordet wurde,
  107. als man ihn in seinem Wagen in die Luft sprengte.
  108.  
  109. Am Jahrestag vom Anschlag des 11. September 2001 zerstörte eine große Bombe das
  110. Gebäude des Außenministeriums in Benghazi.
  111.  
  112. Human Rights Watch beleuchtete eine andere Gräueltat: Am 26. August 2013 waren
  113. etwa 500 Gefangene, darunter fünf Frauen, in der Hauptstrafanstalt in Tripolis
  114. in Hungerstreik getreten. Die Gefangenen protestierten gegen den Umstand, dass
  115. sie ohne Anklage und ohne faire Behandlung inhaftiert waren. Die Regierung, die
  116. nicht imstande war, eigene Sicherheitseinrichtungen zu halten, beauftragte das
  117. "Oberste Sicherheits-Komitee", das sich aus früheren Anti-Gaddafi-Milizleuten
  118. zusammensetzt - den Aufstand niederzuschlagen. Die Milizionäre stürmten das
  119. Gebäude und schossen mit scharfer Munition auf die Gefangenen, dabei verwundeten
  120. sie 19 Personen.
  121.  
  122. Die libyschen "Schutzschild-Brigade", eine islamistische Miliz, die man mit
  123. wenig Erfolg versucht hatte in die Armee zu integrieren, schoss im Juni bei
  124. einer Demonstration auf die Protestierer und tötete dabei 31 Personen. Die
  125. meisten von ihnen waren lt. Augenzeugenberichten unbewaffnete Zivilisten, die
  126. von der täglichen Drangsalierung durch islamistische Milizen die Nase voll
  127. hatten.
  128.  
  129. Die Frustration unter der Bevölkerung ist gewaltig. Vor diesem Hintergrund ist
  130. Libyen ein idealer Rückzugsort für radikale Gruppen wie Al-Qaida. Die
  131. Terrororganisation dürfte praktisch in ganz Libyen aktiv sein.
  132.  
  133. Selbstverwaltung in der Cyrenaica?
  134.  
  135. Im Küstenbereich des östlichen Teils von Libyen brodeln noch mehr
  136. Schwierigkeiten. Die Verbreitung von Waffen im Land - verbunden mit der
  137. Forderung nach mehr Lohn für Ölarbeiter - haben sich nun mit einem breiteren
  138. politischen Verlangen nach einem größeren Anteil an Libyens Ölreichtum und einer
  139. möglichen Selbstverwaltung für die große Öl produzierende östliche Region der
  140. Cyrenaica gekoppelt. Die Akteure wollen zumindest mehr Autonomie und viele
  141. wünschen sich die drei historischen Provinzen Libyens (Tripolitanien, Cyrenaica,
  142. Fessan) zurück. Ihnen ist die Businesslobby in Tripolis zu mächtig. In einem
  143. Ausbruch von Regionalismus, forderten Hardliner unter den Föderalisten in der
  144. Cyrenaica auch die Schaffung einer unabhängigen nationalen Öl-Firma, die für
  145. Erdöl- und Erdgas-Exporte verantwortlich wäre.
  146.  
  147. Politiker resignieren
  148.  
  149. Der frühere Premierminister Libyens, Awadh al-Barassi, trat am 4. August zurück
  150. und wurde durch Ali Sidan ersetzt. Am 18. August trat dann der Innenminister,
  151. Mohammad al-Sheik, nach nur drei Monaten im Amt, zurück. Er beklagte die
  152. fehlende Unterstützung durch Ali Sidan und das Versagen der Regierung, die weit
  153. verbreiteten Unruhen und die Gewalt zu bekämpfen. Er bemängelte das
  154. Nichtvermögen der Regierung das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen und
  155. adäquate staatliche Einrichtungen zu schaffen, um die meisten Basisdienste zu
  156. ermöglichen.
  157.  
  158. Die libyschen Behörden sind angesichts der Unruhen und Gewalttaten ohnmächtig.
  159.  
  160. Erschwert wird die Lage durch die Drohung des militanten Islamisten Mohamed
  161. Sawan, der die islamistischen "Partei für Gerechtigkeit und Aufbau" (JCP), die
  162. libysche Muslimbruderschaft und die zweitgrößte Partei im libyschen Parlament
  163. leitet. Sawan hat vor Kurzem bekannt gegeben, dass die JCP in Erwägung zieht,
  164. ihre fünf Minister aus dem Kabinett Sidan, einschließlich der Öl-Minister,
  165. zurückzuziehen. Er stellte ein Misstrauensvotum gegen die Regierung in Aussicht.
  166.  
  167. Spaltung droht
  168.  
  169. Libyen dürfte sich entlang geografischer und stammesmäßiger Trennlinien
  170. spalten. Ob es noch die Möglichkeit gibt, das Land zusammenzuhalten, ist völlig
  171. offen. Auch ein jahrelanger, nicht enden wollenden Bürgerkrieg ist möglich. Die
  172. meisten Teile der Bevölkerung sind in einem Zustand der Wut, einschließlich der
  173. Berber im Süden. Eine nationale Versöhnung ist nicht abzusehen, die Situation
  174. kaum noch unter Kontrolle zu bringen ist.
  175.  
  176. Das Gaddafi-Regime war eine repressive Diktatur, aber Libyen heute, mit einer
  177. maßlosen Korruption, mit den Stammesstreitigkeiten, mit einer nicht existenten
  178. Sicherheit und der Gefahr eines Refugiums für Al-Qaida-Terroristen ist noch
  179. weniger zu ertragen.
  180.  
  181. Stand: 27.10.2013
  182.  
  183. Spectator
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