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Rabenfedersonnenhut

Gargrim

Jul 10th, 2014
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  1. Gargrim, Hammerheim Exilant, genannt Gargrim Frostfeuer
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  4. Es war ein ruhiger, kalter Tag, der das Leben des jungen Gargrim Hammerheim, Jüngster des Hammerheim-Clans aus der geregelten Bahn eines typischen Zwergenlebens warf. In Gargrims Erinnerung ist er wahlweise stürmisch und von Blizzards geprägt oder grabesstill und trocken, je nachdem, welche finstere Stimmung ihn zurück zu dieser Erinnerung treibt.
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  6. Gargrim wuchs behütet auf, als Sohn eines Alchemisten und der Kapitänin der Wache in der uralten Felsfeste Hammerherz, dem Kronjuwel der Glasgipfel-Berge. Aus der Umsorgung seiner Eltern für ihren einzigen Sohn entsprang eine frühe Bildung, besonders das Interesse an der Braukunst durch die alchemistische Arbeit seines Vaters, Wilkar Hammerheim. Unfähig ihrem Sohn, trotz der Stellung seiner Mutter Briga, eine magische Ausbildung zu ermöglichen, konzentrierten sich seine Eltern auf die mundaneren Spielarten der Braukunst, was Gargrim schließlich zur zwergischsten Art des Brauens führte: der Herstellung von zwergischem Bier, Met, und Alkoholika aller Art. Gargrim ging in die Lehre, und sein Meister fand in ihm den perfekten Lehrling, der nach dem Wissen, das er zu bieten hatte, gierte.
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  8. Gargrims Liebe für die hohe Kunst des zwergischen Brautums war allumfassend, von der Akquirierung der Zutaten in den geliebten Ländereien seiner Heimat über den langsamen Prozess der eigentlichen Herstellung der verschiedenen Flüssigkeiten, bis hin zum Stolz, den er empfand, wenn er die Früchte seiner Arbeit in Aktion sah, egal ob es ein Saal oder Schankraum voller johlender Zwerge im Met-Rausch war oder die Blicke der zufriedenen Kunden, die seinen Alkohol für verschiedenste Zwecke erwarben, für medizinische, militärische oder kommerzielle Nutzung. Er sah sich bereits im hohen Alter, als gemachter Mann mit eigener Brauerei, clan-übergreifend mit Fässern voller Hammerheim-Steinträne handelnd, vielleicht sogar als Lieferant für die großen Menschenstädte im Süden wie ________, finanziell unabhängig und mächtig genug, um völlig frei verfügen zu können, was er tun wollte, ermöglicht durch die Arbeit, die er so liebte.
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  10. Doch das Schicksal hatte anderes mit ihm vor. Im Winter seines 55. Lebensjahres, gerade mit Abschluss seiner Lehre fiel das Interesse von Horgen Hammerheim, genannt Horgen der Sturm, dem Erzmagier und Runendeuter des Hammerheim-Clans auf ihn. Der alte Magier erkannte die ersten Funken magischen Potentials und den Wissensdurst in dem gerade erwachsenen Zwerg. Er ließ ihn vorladen und verkündete ihm, dass er von nun an sein Lehrling sei und die Geheimnisse der Magie verstehen lernen würde. Gargrim konnte sein Glück nicht fassen, er würde die ihm vorenthaltene Ausbildung im Arkanen durch eine glückliche Fügung doch noch erhalten. Und als Magier malte er sich schon interessante und doch zwergisch-pragmatische Anwendungen in seinem Gewerbe aus, die ihm wesentliche Erleichterung verschaffen würden. Magische Flammen, die Kessel in Rekordzeit auf Betriebstemperatur brachten, sich selbst reinigende und befüllende Fässer, Zutaten, an die man mit gewöhnlichen Mitteln auf unserer Ebene nicht herankam. Und so vertiefte er sich 12 Monate lang in die magischen Studien, beginnend mit reiner Theorie, wie es ihm Horgen auftrug. In diesem Jahr wurde es von Mond zu Mond klarer, dass Horgen nicht nur einen Lehrling ausbildete, der ihm als vielversprechend erschien, und dass er diesen Dienst nicht nur aus reiner Herzenswärme heraus gewährte. Horgen suchte einen Nachfolger, einen fähigen Zwerg, der einmal Runendeuter werden sollte und der die Führer des Clans beriet. Ein ehrenvolles Amt, das viele mit Freuden auf ihre Schultern geladen hätten. Doch als Horgen Gargrim mitteilte, dass dies keine Pflicht war, die man ablehnte, kein optionales Ehrenamt, sondern eine Lebensaufgabe, die man mit Hingabe zum Clan auszuüben hatte, hatte er nicht mit der Pernönlichkeit des jungen Zwerges gerechnet.
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  14. Horgen führte Gargrim an diesem Tag vor, wie man bestimmte Objekte zur Fokusierung seiner Energien und seines Willens auf die latente Magie, die alles umgab, nutzte, als er ihm eben diese lebensbestimmende Wendung mitteilte, die Gargrim in seiner Konzentration auf den Lehrstoff nicht realisiert hatte. Er würde für immer an den Clan gebunden sein, niemals frei in seinen Entscheidungen und immer den Ältesten zum Dienst verpflichtet. Seine Lebensplanung wurde völlig ignoriert, nicht übergangen, sondern zerstampft von den auferlegten Traditionen, die der Hammerheim-Clans besonders streng auslegte und verfolgte. Horgen seinen Zorn entgegenspeiend, und vor Wut und Hilflosigkeit zitternd, setzte er zu einem Spruch an, um einen Tisch einzuäschern und sein Gemüt zu beruhigen, doch die kristallene Rune, die Horgen ihm für die Übungen im Labor anvertraut hatte, glühte kalt und heiß zugleich auf, als der Lehrling ohne Selbstkontrolle die Silben der uralten Inkantation, die ihm als erste beigebracht wurde, verzerrte. Der Kristall in seiner Hand wirkte für einen Moment als würde er sich verformen und aufblähen, in widernatürlichem Gegensatz zur Härte und Zerbrechlichkeit solch eines Gegenstandes, bevor er von einer blauen Flamme verzehrt wurde und mit einem Geräusch wie berstende Spiegel explodierte.
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  16. Gargrim kniete als er aufwachte, und das erste, was er spürte waren Schmerzen in seinem rechten Arm. Starke Schmerzen die wahrscheinlich mit der blutenden, verkohlten Landschaft zu tuen hatten, in die sich seine Hand und sein Unterarm verwandelt hatten. Bewegen konnte er den Arm nicht, also riss er sich einen großen Fetzen seiner angekohlten groben Lehrlignsrobe ab, bestrich ihn mit einer Salbe, die für kleine Unfälle im Labor bereitstand, und wickelte seinen Arm darin ein. Mehr konnte er momentan nicht tun. Er sah sich das erste Mal bewusst um. Vieles im Labor war umgefallen, zerbrochen, angesengt oder brannte gar mit ersterbenden Flammen. Hinter der Ruine des Tisches, der das ursprüngliche Opfer seines Zorns hätte werden sollen entdecke Gargrim ein Paar Füsse. Horgen lag schwer atmend, offensichtlich ohnmächtig, am Boden. Er schien nicht verletzt zu sein, aber einige kleine Glutnester frassen sich langsam durch seinen gut und gerne 500 Jahre alten Bart. Gargrim trat sie aus, nicht ohne ein seltsames Gemisch aus Schuld und Genugtuung zu empfinden. Dann stand er einfach nur im Raum, im Epizentrum der spontanen katastrophalen Entwicklung, für eine Zeitspanne voller geistiger Leere. Dann rannte er los.
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  18. Er konnte nicht in der Feste bleiben, er wollte es nicht einmal, auch wenn diese Entscheidung ihm mit Sicherheit nicht mehr frei stand. Gargrim durchwühlte sein kleines Haus im Aussenbezirk von Hammerherz, griff sich ein paar Dinge die ihm wichtig erschienen und schrieb einen Brief an seine Eltern, dass es ihm leidtat, aber er nicht warten konnte und aufbrechen müsste und ließ ihn auf dem Küchentisch zurück. Als er das Haus verlassen wollte, fiel ihm auf, dass etwas auf dem Kaminsims lag. Ein Schlüssel, offensichtlich im Stil der Zwerge, aber aus einem ihm unbekannten Material, dass er nicht klar als silbern definieren konnte. Dabei lag eine Nachricht seines Vaters.
  19. Irgendetwas mit "Zu gegebener Zeit". Zeit. Gargrim hatte keine Zeit mehr.
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  23. Das war vor 24 Jahren, im Bezug auf ein Zwergenleben keine lange Zeit, und doch für Gargrim eine Ewigkeit. Er war bei Nacht und Nebel aus Hammerherz geflohen, nur mit dem nötigsten beladen, hatte seinen Clan-Namen zurückgelassen und war in eine unsichere Zukunft aufgebrochen, weiter nach Norden wo er sich in den Wäldern und den Grenzgebieten der benachbarten Clans aufhielt, voller Furcht vor den Konsequenzen, die sein Clan aus dem Vorgefallenen ziehen würde. Nicht vor Bestrafung im gesetzlichen Sinne fürchtete er sich, sondern davor, doch noch in das ihm auferlegte Schicksal gezwungen zu werden. Und das würde niemand tun. Es war sein Leben, und wenn ihm andere nur Zwänge und Traditionen auferlegen wollten, würde er es alleine führen, weitab von allen anderen. Es war zu Beginn hart, doch Zwerge sind Überlebenskünstler, und so zog sich Gargrim in die kalten, abgelegeneren Regionen der Glasgipfel zurück, lebte von allem was der Wald ihm bieten konnte.
  24. Er jagte, fischte, und legte im Sommer sogar Hongvorräte an, aus denen er Met machte, eine wohlige Erinnerung an seine Jugendträume. Seine Wunden verheilten schnell, aber der Heilungsprozess förderte Seltsames zu Tage, denn die Bruchstücke des Kristalls hatten sich tief in sein Fleisch gebohrt und so war sein Arm und seine Hand übersäht von daumengroßen Kristallsplittern, die mit ihm verwachsen waren, teilweise wie Dornen hervorragten, teilweise wie Intarsien in der Haut lagen. Und sie waren keineswegs nutzlos, wie er in den langen Jahren seiner Abgeschiedenheit feststellte denn er konnte seine Zauber durch sie kanalisieren wie vorher durch den vollständigen Fokus. Und so gab er auch seine Magie nicht auf, soweit das einem Waldbewohner mit nur wenigen Fetzen Papier und wenigen Monaten Erfahrung möglich war, doch er klaubte sich mühsam soviel von dem zusammen, was Horgen ihn gelehrt hatte und was der alte Magier vor sich hin gemurmelt hatte, wenn er dachte sein Lehrling sei ins Fegen des Labors vertieft, wie er konnte.
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  26. Seine grundlegende Magie nütze ihm bei seinem Leben in der Wildnis, doch je besser er mit der Einsamkeit zurecht kam, desto weiter entfernte er sich von dem Gedanken, jemals in die Zivilisation zurück zu kehren. Sein Gesinnungswandel kam, als er eines Tages feststellte, dass es ihm Schwierigkeiten bereitete, sich beim Fluchen über eine missratene magische Formel an die passenden Unanständigkeiten zu erinnern, was für gewöhnlich für einen Zwerg keine Herausforderung darstellte. Er hatte keine Probleme mit den leisen Gesängen und Sprüchen, die er für seine Magie nutzte, aber gewöhnliche Sprache hatte er seit über 5 Jahren nicht einmal mehr für Selbstgespräche genutzt. Und so saß er vor seiner groben Blockhütte, gekleidet in einen selbstgemachten Mantel aus Fell-Flicken mit dickem Pelzkragen, der ihn gegen die harschesten Eiswinde schützte und stellte fest, dass er nicht, wie in fast jugendlichem Leichtsinn auf der Flucht geplant, für immer in völliger Isolation leben wollte. Aber zu seinem Clan gab es für ihn kein zurück.
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  28. Noch am selben Abend steckte er seine Hütte in Brand, löschte das Feuer als es heruntergebrannt war, und machte sich auf gen Süden, in einem großen Bogen um die Gebiete des Hammerheim-Clans, in die äusseren Bezirke des vom Konzil verwalteten _______. Er war ein Magier, ein Waldläufer, Überlebenskünstler und ausgebildeter Braumeister nach Zwergischer Kunst. Gold brauchte er nicht viel, und wenn er welches brauchen würde, gab es immer jemanden, der solche Dienste schätzen würde. Das tatsächliche Problem war ganz einfach die Entfremdung. Also tat Gargrim was ihm am sinnvollsten erschien: Er suchte eine Taverne auf und trank. Er hörte zu, was die anderen Gäste sich erzählten, überhörte geflissentlich die Kommentare über den abgebrannt aussehenden Zwerg an der Bar und bastelte sich Stück für Stück die verschiedenen Bausteine der Handelsprache und des Zwergischen wieder zusammen, bis er wieder in der Lage war, sich zumindest technisch vernünftig zu unterhalten. Was seine in Trümmern liegenden sozialen Fähigkeiten anging, würde der Prozess wahrscheinlich noch einige Zeit länger in Anspruch nehmen, wie er bei seinen ersten Gesprächen seit so langer Zeit feststellte. Seinen alten Namen wollte und durfte er nicht mehr führen, also gab er sich einen neuen: Frostfeuer. Das erschien ihm angemessen seiner Profession gegenüber und wer würde eine Zwerg schon nach der Ehrenhaftigkeit und Herkunft seines Namens fragen, wenn er ihn nicht kannte?
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  30. Es geht stetig aufwärts mit Gargrims Leben, er hat Arbeit gefunden als Aushilfe in einer heruntergekommenen Kneipe an den Docks eines Dorfes in der Nähe der Hauptstadt. Mit stetigem Einkommen und einer Unterkunft, wo er für das Bier, das er im Keller braut, geschätzt wird. Aber doch ganz auf das Abenteuer verzichten, wie er es in den Wäldern der Glasgipfel ge- und erlebt hat, will er nicht mehr. Wer weiß, ein Söldnerleben vielleicht? Mit genügend Gold für seine eigene Taverne? Mit gutem Bier und Wein aus den besten Zutaten. Hauseigene Herstellung!
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  32. Eins ist sicher: Nocheinmal wird niemand Gargrim aufzwingen, wie er zu leben hat. Nicht noch einmal.
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