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Sep 15th, 2009
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  1. Originalquelle: http://www.alios.org/blog/2009/09/mein-festnahme-bei-der-freiheit-statt-angst-2009/
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  3. Am Wochenende des 11.-13. September 2009 fand in Berlin die Demonstration „Freiheit statt Angst“ statt. Ich war am Freitag gegen Abend in Berlin angekommen und kam am fr�hen Samstag Mittag mit der U-Bahn am Potsdamer Platz an, von dem aus die Demonstration starten sollte. Beim Betreten des Platzes zwischen Sony Center und Daimler Chrysler City wurde ich von einem Polizisten der Bereitschaftspolizei freundlich angesprochen, ob er einen Blick in meinen Rucksack werfen d�rfe. Ich gestattete ihm dies ebenso freundlich. W�hrend er den Inhalt meines Rucksacks untersuchte (eine Regenjacke, eine Wasserflasche) fragte er, ob ich irgendwelche spitzen Gegenst�nde mit mir f�hrte. Tats�chlich hatte ich – wie immer – mein Letherman Tool, eine Art Multifunktionswerkzeug, im Rucksack. Dies gab ich an und suchte es auf Nachfrage aus dem Rucksack. Ich erkl�rte mein Letherman dem Polizisten, der das Werkzeug nicht kannte und zeigte ihm auch, dass sich ein Messer zwischen den Werkzeugen befindet. Der Polizist begutachtete das Tool und erkl�rte mir dann, dass das Mitf�hren eines Messers auf Demonstrationen nicht erlaubt sei. Er fragte, ob ich das Messer noch schnell nach Hause bringen k�nnte. Das konnte ich nicht, denn ich bin ja kein Berliner. Der Polizist bot mir daraufhin an, das Messer bei der Polizei vor Ort abzugeben und es nach der Veranstaltung wieder abzuholen. Ich willigte ein.
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  5. Gemeinsam gingen wir um die Ecke in die Potsdamer Stra�e, wo mehrere Einsatzwagen der Polizei standen. Der mich begleitende Polizist erkl�rte seinen Kollegen, dass ich das Tool abgeben wolle. Der Ton der dort wartenden Beamten war deutlich unfreundlicher, ich wurde abgetastet und sollte meinen Rucksack in einen der Mannschaftswagen stellen. Auf Nachfrage wurde mir gesagt, dass dies aus Sicherheitsgr�nden geschehe, damit ich keine Waffe aus dem Rucksack ziehen k�nne. Meinen Personalausweis stellte ich bereitwillig zur Verf�gung, um das Ausstellen der Formulare zu erleichtern. W�hrend nun ein weiterer Polizist abseits an einem anderen Wagen die Formulararbeit machte, erkl�rte der Beamte, der mich urspr�nglich angesprochen hatte, seinen Kollegen, dass er das Tool nicht gefunden h�tte, sondern dass ich es ihm ausgeh�ndigt h�tte, wonach die Behandlung und der Ton mir gegen�ber deutlich freundlicher wurde.
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  7. Ich erkundigte mich, wo ich das Tool sp�ter wieder abholen k�nne. Ich k�nne es im “Abschnitt 34″, Alt Moabit 145 wieder abholen, wurde mir mitgeteilt. Dann wurde ich gefragt, ob ich “schon mal Kontakt mit der Polizei” gehabt habe: Nein. Auf Nachfrage, warum mir diese Frage gestellt wurde, sagte mir der Beamte, dass eine routinem��ige Kontrolle �ber Funk meiner Person erfolgen w�rde. Kurze Zeit sp�ter kam der Polizist mit dem Formular wieder und er�ffnete mir, dass �ber Funk die Order ergangen sei, dass gegen mich eine Anzeige geschrieben werden m�sse. Ich war total entsetzt, doch die umstehenden Polizisten versicherten mir, dies sei kein Problem und nur ein formaler Akt; die Staatsanwaltschaft w�rde das Verfahren voraussichtlich automatisch wieder einstellen.
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  9. Meinen Schrecken minderte das wenig, doch als erstes sollte ich das Protokoll �ber die, wie es mittlerweile hie�, “Beschlagnahme” des Tools unterschreiben, was ich auch tat. Wider Erwarten durfte ich nun nicht zur Demonstration gehen, sondern musste mit aufs Polizeipr�sidium kommen, ein Fahrzeug war bereits auf dem Weg, um mich abzuholen. Der Polizist, der mich am Platz angesprochen hatte, registrierte meine aufkeimende Panik und versuchte, mich zu beruhigen. Auch er habe damit nicht gerechnet. Aber er k�nne nichts tun. Dies sei eine Anweisung “von oben”.
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  11. Eine Anweisung von oben war offensichtlich auch der vergitterte Wagen, in dessen Zelle ich eingeschlossen und abtransportiert wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich nichts mehr bei mir au�er den Durchschlag des Formulars �ber die Beschlagnahme. Mein Rucksack mit komplettem Inhalt (Handy, Fotoapparat, Schl�ssel, Geldb�rse etc.) hatte der Beamte in der Fahrerkabine. Ich studierte den Durchschlag: Dort war angekreuzt: Festgenommen. Nun brach ich erstmal vollst�ndig zusammen… Auf Nachfrage, was mir vorgeworfen w�rde und warum ich festgenommen sei und warum ich in einer Gef�ngniszelle sitze wurde mir gesagt, dies w�rde ich auf dem Pr�sidium erfahren, es sei aber alles nicht so schlimm und festgenommen h�re sich viel schlimmer an als es sei.
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  13. Der Wagen wollte gerade losfahren, hielt dann aber noch mal wieder an – es sei noch zu einer weiteren Festnahme gekommen und wir m�ssen noch kurz warten um eine weitere Person mitzunehmen. Der Polizist der bis dahin noch mit hinten im Wagen (au�erhalb der Zelle) sa� und sozusagen meinen einzigen Ansprechpartner dar stellte, verlie� daraufhin das Fahrzeug wieder und lie� mich allein. Total aufgel�st versuchte ich den Beamten vorne im Fahrzeug anzusprechen: was los sei und ob ich noch mal an die frische Luft k�nne, da mir schlecht sei von der stickigen Luft (und der Situation) sei. Erst nach mehrmalige Ansprache sagte er kurz es ginge gleich weiter und schob das Sichtfenster zwischen Fahrer Bereich und dem hinteren Teil des Wagens zu.
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  15. Nach gesch�tzten 10 Minuten stiegen der Beamte von zuvor, eine Kollegin und ein weiterer scheinbar festgenommener Junge ein Wir fuhren darauf hin los. Nach etwa 10min Fahrt kamen wir an einer PolizeiwWache an und wurden hinein gef�hrt. Nach kurzem Warten vor einer T�r wurden wir herein gelassen und ich wurde in eine Zelle gef�hrt,die T�r wurde hinter mir verschlossen. Kurz Zeit sp�ter wurde ich wieder aus der Zelle geholt und sollte mich auf dem Flur vor eine Wand stellen, wo ein Beamter mit einer Digitalkamera Fotos von mir machte. Anschlie�end wurde ich wieder in die Zelle zur�ck gef�hrt. Nach gesch�tzten weitern 10 Minuten wurde ich in einen weiteren Raum gef�hrt, wo zwei Beamten auf mich warteten. Mein Rucksack wurde nun noch mal vollst�ndig entleert und der Inhalt protokolliert. W�hrend dessen fragte mich einer der Protokoll f�hrende Beamte ob ich mit einer Blutprobe einverstanden sei; ich fragte, wozu. Mir wurde erkl�rt, dies sei eine StandardfFrage f�r ein Standardformular und es w�rde jeder gefragt. Darauf verweigerte ich die Entnahme eine Blutprobe formell, was in dem Formular vermerkt wurde.
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  17. Im Anschluss wurde ich aufgefordert mich bis auf die Unterhose auszuziehen (das Recht diese doch recht unangenehme Situation verweigern zu k�nnen kannte ich zu dem Zeitpunkt leider nicht) und meine Anziehsachen wurden erneut durchsucht. Nach kurzer Zeit erhielt ich sie zur�ck, durfte ich mich wieder anziehen, musste noch meinen G�rtel und meine Schn�rsenkel abgeben und unterschrieb das Protokoll in dem alles was ich bei mir hatte aufgef�hrt war.
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  19. Mein Frage was mir denn nun vorgeworfen w�rde konnte der Beamte wieder nicht beantwortet: “das wisse er nicht, er sei nur dazu da meine Sachen aufzunehmen”. Ich fragte was den nun passieren w�rde und er sagte mir, dass ich vermutlich gleich befragt w�rde und ich dann auch Antwort auf meine Fragen erhalten w�rde. Ich schilderte den beiden anwesenden Beamten noch mal den Sachverhalt und sie erkl�rten mir, ich w�rde bestimmt schnell wieder entlassen, er f�hre schlie�lich auch meist sein Taschenmesser mit sich und ich h�tte es ja freiwillig abgegeben.
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  21. Nach dem ich anschlie�end wieder in eine Zelle gesperrt worden war, begann das lange Warten. Von Zeit zu Zeit wurde die T�r kurz ge�ffnet und direkt wieder geschlossen – bei jedem Mal dachte ich, es w�rde nun endlich weiter gehen und ich w�rde endlich erfahren, was mir eigentlich vorgeworfen wurde, dem war aber leider nicht so. Als wieder einmal die T�r ge�ffnet wurde, fragte ich schnell nach der Uhrzeit – es war mittlerweile 16.15 Uhr. Ich sa� also mittlerweile seit fast 4 Stunden fest und wusste immer noch nicht, warum. Es muss etwa 17.00 Uhr gewesen sein, als ich endlich aufgefordert wurde, mitzukommen. Meine Hoffnung nun endlich mit einem Ermittler sprechen zu k�nnen um den ganzen Sachverhalt aufzukl�ren, wurde aber leider wieder entt�uscht. Stattdessen wurde in einen Raum, ein Stockwerk tiefer, zum “LKA Berlin Erkennungsdienst” gef�hrt.
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  23. Auch den drei Beamten dort schilderte ich unter Tr�nen nochmals den ganzen Sachverhalt und fragte, ob ich der Erkennungsdienstlichen Erfassung denn wenigstens formell widersprechen k�nne, da es sich doch ganz klar um ein Missverst�ndnis handele – dies wurde verneint und ein Schild an der Wand wies mich mittels eines Paragraphen darauf hin, dass die Erkennungsdienstlichen Ma�nahmen notfalls auch mit Gewalt durchgef�hrt werden k�nnten. Ich k�nne aber mit Hilfe eines Anwalts im Nachhinein der Ma�nahme widersprechen, wozu er mir auch raten w�rde. Meine Frage, wer die Ma�nahme angeordnet h�tte, wurde mir mit einem Buchstabenabk�rzung beantwortet, deren Bedeutung mir die anwesenden Beamten aber nicht erkl�ren konnten oder wollten. Es wurden meine Fingerabdr�cke von beiden H�nden (alle Finger und komplette Hand), in doppelter Ausf�hrung genommen, sowie erneut Fotos, offensichtlich f�r die Verbrecherkartei,gemacht.
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  25. Zur�ck in der Zelle bet�tigte ich nach kurzer Zeit die Klingel, es muss mittlerweile etwa 18.00 gewesen sein, um darum zu bitten meinen Rechtsanwalt anrufen zu k�nnen, da ich anfing zu bef�rchten auch noch die Nacht in der Zelle zuzubringen zu m�ssen. Wieso hast du das denn nichtvorher gefragt? Kommt hier komisch. Dies konnte der Polizist nicht entscheiden, versprach mir aber, seinen Vorgesetzten zu informieren und ihn zu mir zu schicken. Als nach einer gesch�tzten halben Stunde immer noch nichts passiert war, schellte ich erneut – ich f�hlte mich zu diesem Zeitpunkt schon v�llig ausgelaugt und fertig, was man mir auch anzusehen schien, da die Beamtin mit der ich sprach mir sagte es w�rden „jetzt erstmal die Sanit�ter kommen“.
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  27. Zum Gl�ck best�tigte sich meine erste Bef�rchtung, nun auch noch in eine psychiatrische Klinik verlegt zu werden, nicht (nichts erschien mir mehr unm�glich), sondern der Polizeisanit�ter holte mich ab und wir gingen in seinen Behandlungsraum. Physiologisch wies ich zu diesem Zeitpunkt eine ausgepr�gte Hypertonie (hoher Blutdruck) und einen sehr schnellen Puls auf. Die Vermutung, dass ich vermutlich absolut dehydriert war, schien plausibel, denn au�er eine Tasse Kaffe zum Fr�hst�ck und einen kleinen Plastikbecher Tee, den ich nach mehrmaliger Nachfrage erhalten hatte, hatte ich den ganzen Tag noch nichts getrunken. Hier kam ich das erste Mal wieder etwas zur Ruhe und hatte das Gef�hl als Mensch ernst- und wahrgenommen zu werden. Der Beamte sagte mir dann auch, dass er geh�rt h�tte, dass ich vermutlich in der n�chsten Stunde entlassen w�rde.
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  29. Nach einem anschlie�enden weiteren kurzen Aufenthalt in der Zelle erhielt ich gegen 19.30 tats�chlich alle meine Sachen (bis auf das Letherman Tool) zur�ck und konnte die Polizeiwache verlassen.
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  31. Bis zum heute wei� ich nicht was mir eigendlich vorgeworfen wurde. Meinen Anwalt habe ich bereits kontaktiert und es wird sich wohl in den n�chsten Wochen zeigen wie es weiter geht. Mein vorrangiges Ziel ist nat�rlich mit meinen Fingerabdr�cken und meinen Fotos wieder aus der Datei des LKAs heraus zu kommen.
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  33. Ich kann sagen, da� die Ereignisse vom Samstag das schlimmste sind was mir in meinem Leben bisher passiert ist. Die Aussage das Freiheitsentzug mit das brutalste ist, was man einer menschlichen Seele antun kann, kann ich voll best�tigen – nie zuvor habe ich mich so �ngstlich und hilflos gef�hlt.
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  35. Das man Angst haben muss, und die habe ich im Moment noch, auf einer friedlichen Demonstartion scheinbar grundlos von der Polizei verpr�gelt oder verhaftet zu werden, kommt in meinen Augen faktisch einer massiven Einschr�nkung des Demonstrationsrechts gleich.
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  37. Ebenfalls schockierend fand ich wie der Staatsapperat einmal ins Rollen gebracht, nicht wieder zu stoppen war. Pers�hnlich kann man wohl kaum einem der Beteiligten der Exekutive einen Vorwurf machen – ein Jeder der Beteiligten konnte sich darauf berufen nur Befehle und Anweisungen ausgef�hrt zu haben. Diese Argumentation habe ich bisher nur von Angeh�rigen ehemaliger Unrechtsregimen geh�rt – ich habe mir eigendlich immer verboten ernsthaft zu glauben, da� so etwas im Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland tats�chlich m�glich ist – wurde aber schmerzlich eines besseren belehrt.
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