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- Gnomon 17,3 (März 1941) 142-144
- Erich Bethe -f
- Erich Bethe ist am 2. Mai 1863 in
- Stettin geboren. Was er seinem Eltern
- hause, vor allem der innig geliebten
- Mutter, einer Nichte des bekannten
- Schriftstellers Gerstaecker, verdankt,
- hat er in einem sch?nen Brief an diese,
- den er 1914 als Vorwort dem ersten
- Bande seines Homer vorangestellt hat,
- mit gro?er W?rme ausgesprochen. Nach
- dem Besuch des eben erst gegr?ndeten
- und von meinem Vater Franz Kern ge
- leiteten Stadtgymnasiums bezog er
- zun?chst die Universit?t Bonn, noch
- schwankend, ob er klassische Philolo
- gie studieren sollte, und mehr f?r die.
- Kirchen und Burgen am Rhein be
- geistert als f?r die Vorlesungen der
- dort damals wirkenden gro?en Philo
- logen. Im Herbst 1882 zog ihn das auf
- gehende Gestirn von Wilamowitz an
- die heimatliche Universit?t Greifs
- wald, und von dort folgte er Wilamo
- witz nach G?ttingen. Bethe hat mehr
- fach bezeugt, da? die erste Vorlesung,
- die er bei Wilamowitz h?rte, ihn zur
- klassischen Philologie getrieben und all
- sein Schwanken beendet habe. Er
- wurde einer der freuest en und gelieb
- test en Sch?ler von Wilamowitz, zu
- vergleichen nur mit Ernst Maa?.
- Seine von der Mutter ihm einge
- pflanzte Liebe zur griechischen Sage
- und den homerischen Helden wurde in
- feste Bahnen gelenkt, als ihn Wilamo
- witz zu mythographischen Forschun
- gen anregte. Die Frucht seiner Studien
- war seine Dissertation Quaestiones
- Diodoreae mythographae. Er hat in
- ihr die Quellen zu den mythographi
- schen Abschnitten von Diodors Bi?Xio
- d"rjxrj laroqixrj untersucht und kam zu
- dem Schlu?, da? es ein gro?es Hand
- buch der Mythologie aus der ersten
- H?lfte des ersten Jh. v. Chr. gegeben
- habe, das auch von Diodor benutzt sei.
- Heute zweifelt wohl niemand daran,
- da? Bethes energischer Vorsto?, der
- lange Zeit Anerkennung fand, sein Ziel
- verfehlt hat, doch auch daran nicht,
- da? seine Durcharbeitung der mytho
- graphischen Literatur f?r diese ganze
- Forschung sehr fruchtbar geworden ist.
- Von 1888 an reiste er in Italien,
- Griechenland und Kleinasien, sp?ter
- auch seines Pollux wegen nach Spa
- nien und Frankreich. In Rom hat er
- mich treulichst auf meinen ersten Wan
- derungen durch die ewige Stadt be
- gleitet. Auf dem Kapitol war er die
- Seele der ragazzeria, zu der sein alter
- G?ttinger Kamerad G?nther, die beiden
- Pommern Otto Cuntz und Erich Pernice
- und Hermann Winnefeld geh?rten.
- 1891 kehrte er nach Deutschland zu
- r?ck und habilitierte sich im selben
- Jahr in Bonn mit der Schrift ?ber die
- thebanischen Heldenlieder. Bald dar
- auf ging er an seine Ausgabe des Ono
- mastikons von Pollux, von dem der
- erste Band 1900 erschien, der zweite
- 1931 und die Indices erst 1937. Diese
- ?ber Jahrzehnte sich hinziehende Ar
- beit ist ihm nicht leicht geworden; er
- hat oft genug unter dieser Last ge
- seufzt, aber sie in echt preu?ischem
- Pflichtgef?hl, das durch sein Milit?r
- jahr gest?rkt war, zu Ende gef?hrt,
- so wenig sie seiner Neigung auch ent
- sprach.
- In Bonn machte Georg Loeschke
- einen tiefen Eindruck auf ihn. Er be
- tonte gern, da? ihm durch Loeschke
- erst der Sinn f?r eine wahre Arch?ologie
- aufgegangen sein, und erst damals
- empfand er irn Sinne seines Lehrers
- Wilamowitz den Zusammenhang von
- Philologie und Arch?ologie. Er hat ihn
- in seinen Studien und Ver?ffentlichun
- gen nie vernachl?ssigt.
- 1893 erfolgte seine Berufung als
- au?erordentlicher Professor nach Ro
- stock. Dort ver?ffentlichte er seine
- ?Prolegomena zur Geschichte des Thea
- ters im Altertum?, eine Streitschrift,
- von Polemik gegen D?rpfeld und Wila
- mowitz erf?llt. Auch sp?ter noch hat
- er oft in die damals brennende Theater
- frage eingegriffen und zuletzt noch zu
- der von Wilamowitz angeregten For
- schung ?ber den Schauplatz der Tra
- g?dien des Aischylos Stellung genom
- men. Nach einigen Jahren in Basel,
- wo er die Freundschaft von Jacob
- Wackernagel fand, mit dem ihn home
- rische Fragen bis zuletzt verbanden,
- ging er 1903 nach Gie?en. Aus jener
- Zeit stammt sein Vortrag ?ber ?My
- thos, Sage, M?rchen?, der als Sonder
- ausgabe bald vergriffen, im Jahre 1922
- in zweiter Auflage herauskam, mit der
- f?r Bethe so charakteristischen Wid
- mung: ?Meinen Geschwistern in Er
- innerung der Zeit, da wir M?rchen er
- lebten und erz?hlten: freie Deutsche
- damals, heut doppelt Knechte.?
- 1906 wurde er nach Leipzig berufen.
- Hier fand seine Vielseitigkeit den
- fruchtbarsten Boden. Aber immer
- blieb Homer, Sage und Dichtung im
- Mittelpunkt seiner Forschung und
- Lehre. Es erschien hier sein dreib?n
- diges Werk ?ber die homerische Dich
- tungund ihren Sagenstoff (1914-^1927),
- das viel Aufsehen erregte, vor allem
- durch die These, da? der Proze? der
- homerischen Dichtung erst um 600 ab
- geschlossen sei. Besonders hier trenn
- ten sich die Pfade von Wilamowitz und
- seinem ihm ehemals unbedingt anh?n
- genden Sch?ler. Das Verh?ltnis er
- kaltete und ist nie wieder so wie fr?her
- geworden. Es ist merkw?rdig genug,
- da? die homerische Frage so oft gleich
- sam als Glaubenssache betrachtet
- wird und ehemals eng verbundene Gei
- ster trennt. Es ist heute schon gewi?,
- da? Bethe der erste war, der die home
- rischen Gedichte historisch zu fassen
- unternommen hat, wie es Wackernagel
- mit der Sprache tat. Der zweite Band
- ist ausgezeichnet durch die treffliche
- Fragmentensammlung des epischen
- Kyklos und seine Rekonstruktion, die
- an Welckers ber?hmtes Werk ankn?pft,
- aber weit ?ber es hinausgeht. Die wis
- senschaftliche Arbeit unterbrach der
- Weltkrieg. Bethe bildete Rekruten aus
- und hielt Vortr?ge vor den Frontsolda
- ten. Das Rektorat hat er 1927/28 be
- kleidet und sich in dem Studenten
- heim, das durch ihn begr?ndet und
- nach ihm benannt ist, ein Denkmal ge
- setzt.
- In den letzten Jahren warf schwere
- Krankheit den r?stigen Forscher und
- gefeierten Lehrer nieder, doch raffte er
- sich immer wieder auf. Eine griechi
- sche Kulturgeschichte, die er schreiben
- wollte, ist ebensowenig wie die von
- Erwin Rohde und Ferdinand D?mmler
- zustande gekommen, aber er hat dann
- 1933 f?nf ausgearbeitete Vortr?ge er
- scheinen lassen, mit Meisterhand ge
- zeichnete ?ungeschminkte Vollbilder
- der Wirklichkeit?, wie sie noch nicht
- entworfen waren: Mykene um 1250 v.
- Chr., Sparta im 7. Jh., Milet im 6. Jh.,
- Athen um 430, Alexandreia um 250.
- Sein, wie er meinte, letztes Buch war
- die sch?ne, reich bebilderte Schrift ?ber
- ?Ahnenbild und Familiengeschichte der
- R?mer und Griechen?. Mit Bewegung
- werden alle Freunde und Fachgenossen
- bald das postume Buch in die Hand
- nehmen, von dem er noch die ersten
- Druckseiten auf seinem Sterbelager
- lesen konnte, und das sein Sch?ler
- Ernst Kirsten herausgeben wird: ?Buch
- und Bild im Altertum?, Studien zur
- antiken Buchillustration und ihrem
- Fortwirken. Mit den Bilderhand
- schriften hatte er sich seit seiner spa
- nischen Reise viel besch?ftigt. Er ist
- am 19. Oktober 1940 von seinen Leiden
- durch den Tod erl?st worden.
- Bethes B?cher und Aufs?tze, von
- denen ich nur noch den ?ber die do
- rische Knabenliebe (RhM. 62, 1907) er
- w?hnen m?chte, haben reiche Anre
- gung gegeben und werden sie noch
- weiter geben. Er kannte und ?bte das
- philologische Handwerk gr?ndlich,
- wie namentlich sein Pollux und die
- Sammlung der epischen Bruchst?cke
- beweisen. Aber am liebsten blieb ihm
- die Besch?ftigung mit der griechischen
- Sage und Dichtung, die er noch in
- Walzels Handbuch der Literaturwis
- senschaft eingehend darstellen konnte.
- Hier tritt die Sch?nheit seiner Sprache
- und seine Begeisterung wohl am st?rk
- sten hervor, F?higkeiten, die ihm so
- viele dankbare Sch?ler gewonnen ha
- ben. Wegen seiner Gesichtsz?ge, des
- Spitzbarts und der oft blitzenden
- Augen konnte er etwas Satyrhaftes
- haben. Im Grunde war er eine liebens
- werte, harmonische, auch k?nstlerisch
- stark veranlagte Natur. Ich habe ihn
- nie verbittert gesehen, wohl aber zu
- ehrlichem, gerechtem Zorn entflammt.
- Er war sich seiner Botschaft bewu?t.
- Halle Otto Kern
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