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Mar 19th, 2015
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  1. Moin,
  2.  
  3. aus meiner Sicht werden die Probleme hier allgemein erkannt und
  4. beaduert, aber die Lösungsvorschläge scheinen mir allesamt falsch zu
  5. sein, ein dahinführender Weg wird erst gar nicht thematisiert.
  6.  
  7. Die Anzahl der Kapitel unseres Programms ist weitgehend irrelevant, wie
  8. (inzwischen oft zum Glück) auch deren Inhalt.
  9.  
  10. Faktisch sind wir nicht weiß und nicht schwarz sondern grau. Daraus
  11. abzuleiten, die Beliebigkeit sei die Lösung ist falsch.
  12.  
  13. Unsere Identität als Piratenpartei ist keineswegs beliebig. Sie beruht
  14. auf den grundlegenden Überlegungen, die seit 2006 nicht an Wichtigkeit
  15. verloren haben. Außenstehende würden sagen, wir sind eine
  16. Wertegemeinschaft und können auch nur als Wertegemeinschaft existieren,
  17. wenn wir nicht ein Zombiepferd reiten wollen.
  18.  
  19. Werte beschränken sich nicht auf Kernthemen.
  20. Ich persönlich verstand und verstehe die Werte und Ziele der Piraten als
  21. solche wie Humanismus, das Ermöglichen eines selbstbestimmten Lebens in
  22. einer freiheitlichen und gemeinwohlorientierten Gesellschaft, die
  23. Gestaltung einer Informationsgesellschaft, die nicht eine
  24. Überwachungsgesellschaft ist, sowie eine sinnvolle, echt demokratische
  25. Machtausübung (im Ggs. zu Globalismus und Postdemokratie).
  26.  
  27. Die Partei sollte sich m.E. als Parteiflügel dieser Wertegemeinschaft
  28. verstehen und auch so agieren.
  29. Das tut sie derzeit in meinen Augen nicht und das auch noch oft schlecht.
  30.  
  31. Das Problem der von mir skizzierten Werte ist, dass die so fast jeder
  32. unterschreiben würde, für den einen heisst das BGE, für den anderen
  33. grade eben nicht.
  34.  
  35. Die einzig wichtige programmatische Arbeit der Gesamtpartei besteht
  36. daher eigentlich darin, diese Werte bis zu einem gewissen Grad (!) zu
  37. konkretisiern, insbesondere dort, wo es zu konträren Interpretationen
  38. kommt. Beim Auffinden solcher Konflikte sollte auch nicht ausschließlich
  39. eine Kampfabstimmung als Lösung gesucht werden, sondern es muß auch
  40. explizit ein geordneter Dissenz ermöglicht werden.
  41.  
  42. Das wäre Punkt1: Weiterentwicklung der Gesamtpartei als Wertegemeinschaft.
  43. Damit ist übrigens gerade nicht gemeint, dass bundesweit alle Mitglieder
  44. permanent über folgenlose Detailfragen abstimmen, ich halte das Arbeiten
  45. an diesem Pseudo-Ziel nach wie vor für kontraproduktiv und ablenkend.
  46. Eine Teilaufgabe der Weiterentwicklung der Wertegemeinschaft ist
  47. übrigens auch die permanente Vermittlung dieser Werte an Neumitglieder
  48. (insbesondere über die lokalen Teilgliederungen). Dies sollte ruhig
  49. zentral koordiniert sein, ohne aber die Details top-down zu regeln.
  50.  
  51. Parteiflügel einer Wertegemeinschaft zu sein bedeutet für mich zweierlei:
  52. Zum einen habe sich Amts- und Mandatsträger diesen Zielen unterzuordnen
  53. _und entsprechend Prioritäten zu setzen_.
  54. Ich würde mir beispielsweise wünschen, dass unsere 20
  55. Landtagsabgeordneten in NRW mal den Kopf heben und ihre Tätigkeit anhand
  56. dieses Ziels neu bewerten.
  57. Aus meiner Sicht versucht man viel zu stark, 'ein guter Abgeordneter zu
  58. sein', vielleicht weil man sich auf einmal mehr dem deutschen Volke als
  59. der Piratenpartei verantwortlich fühlt. Das mag ein ehrenwerter Gedanke
  60. sein, aber er ist pathetisch und tatsächlich auch falsch. Solange man
  61. nicht in der Regierung sitzt, nützt man im jetzigen Parteiensystem dem
  62. wählenden Volk eben am meisten, wenn man die Partei vertritt, deren
  63. Werte gewählt wurden. M.a.W. die Wähler wollen von Euch nicht primär,
  64. dass ihr viel Kleinaufwand im Bau-, Schul- oder sonstwas Ausschuß
  65. leistet, sondern die wollen, dass ihr vorrangig die Werte der
  66. Piratenpartei in den Politikbetrieb einbringt.
  67. Ich fände es besser wenn sich 15 der 20 Abgeordneten in NRW mal 2 Monate
  68. mit einem Vorstoß zur Abschaffung der allgemeinen Meldepflicht
  69. beschäftigen würden (um mal ein provokantes aber produktives Thema der
  70. allgemeinen Überwachung als Beispiel zu benutzen),
  71. als dass diese 15 brav in ihren von anderen dominierten Ausschüssen die
  72. Begleitmusik spielen.
  73. Die Landtagsmandate sind derzeit die mit Abstand wichtigsten Pfunde, die
  74. wir uns in langen Jahren Kärrnerarbeit erkämpft haben und sie laufen in
  75. wenigen Jahren ab. Wir können uns nicht den Luxus der anderen Parteien
  76. leisten und darauf vertrauen, dass wir auch in der nächsten Runde mit am
  77. Tisch sitzen.
  78.  
  79. Zum zweiten bedeutet Parteiflügel einer Wertegemeinschaft zu sein, dass
  80. man weder die gesamte Wertegemeinschaft für sich reklamiert noch dass
  81. man die Partei als alleiniges Werkzeug für jegliche Bedürfnisse der
  82. Wertegemeinschaft benutzt.
  83. Viele haben inzischen erkannt, dass eine Partei eine Zweckgemeinschaft
  84. ist und kein Freundeskreis.
  85. Wir haben aber leider im Bestreben, offen zu sein, auch viele Leute
  86. eingeladen, die unsere Werte gar nicht teilen, oder die meinen, dass
  87. allgemeine Beteiligung auch bedeutet, dass man machen könne was man
  88. wolle, solange man irgendwo mal irgendwann eine bedeutungslose
  89. 'Mehrheit' bei einer 'Abstimmung' erreicht. Dies setzt falsche Anreize.
  90. Ich rege daher an, dass wir unsere Einstellung zum 'Mitmachen'
  91. dahingehend präzisieren, dass wir nach wie vor jeden mitmachen lassen an
  92. den Dingen die wir so tun in der Verfolgung unserer konkreten Projekte
  93. und Ziele, dass wir aber nicht jedermann einladen, seine eigenen Ziele
  94. oder welche die offenbar nicht die unseren sind, in unserem Kreise zu
  95. betreiben.
  96. Dies wäre zuallererst eine Veränderung in unseren Köpfen, nämlich dass
  97. wir uns selbst erlauben Prioritäten zu setzen und die auch von anderen
  98. verlangen. Manchmal wäre es einfach hilfreich, sagen zu können: "Dann
  99. bist du vielleicht bei uns einfach falsch, versuch doch, dein Ziel mit
  100. einer anderen Wertegemeinschaft weiterzuverfolgen". Man muß auch nicht
  101. jeden Aspekt der Welt in einer AG der Piratenpartei abbilden, davon wird
  102. die Welt nicht eine bessere.
  103.  
  104. Ein weiterer Konlikt, der sich entschärfen würde, wäre der zwischen der
  105. Partei und der 'Internetgemeinschaft' oder solchen, die wie Marina
  106. Weisband eine bestimmte Utopie verfolgen.
  107. Die liquid-feedback-Kontroverse wäre weitgehend unnötig gewesen, wenn
  108. man nicht die Partei als Durchsetzungsinstrument für bestimmte
  109. technische Mitbestimmungsinstrumente in der Gesellschaft benutzt hätte.
  110. Umgekehrt leidet die Partei fast genauso daran, dass wir glauben, uns
  111. zwischen der Arbeitsweise der OpenSource-Gemeinde und der klassischen
  112. Parteiarbeitsweise entscheiden zu müssen.
  113.  
  114. Das wäre Punkt2: Prioritäten setzen und diese ständig in der Arbeit
  115. realisieren.
  116. Mit Prioritäten könnte man aus meiner Sicht auch recht einfach diese
  117. unwürdigen Schauspiele beenden, die Online-Vorstandssitzungen auf vielen
  118. Ebenen der Partei boten und bieten. Anstatt viele Alibi- und
  119. Meckerkanäle der Kommunikation zu betreiben, müssen wenige wichtige
  120. Dinge eher ausführlicher und unwichtige eben gar nicht so behandelt werden.
  121.  
  122. Hier zeigt sich aber auch schon eine riesiges Problem bei der
  123. Durchsetzung jeglicher Veränderungen in der Partei: fast alle gehen
  124. inwzischen den Weg des geringsten Widerstands. Dies ist sowohl eine
  125. Folge der fatalen 'meriokratischen Bilanz' unseres Umgangs mit
  126. Verantwortlichen als auch des starken 'brain drain' (oder besser 'spine
  127. drain' ) - also des Verlustes vieler guter Leute in den vergangenen
  128. Jahren. Hier wird es Zeit brauchen, wieder gute Leute in die richtigen
  129. Positionen zu bringen. Wir werden sie nur wieder hervorlocken können,
  130. wenn wir schonmal kleine Schritte in die richtige Richtung vorweisen.
  131.  
  132. Ansonsten gilt alles was Foti hier
  133. http://stille-piraten.de/2014/10/22/145/
  134. über POLITISCHE GESTALTUNGSKRAFT, POLITISCHE GLAUBWÜRDIGKEIT,
  135. POLITISCHES HANDELN und POLITISCHEN WILLEN gesagt hat.
  136.  
  137. ---
  138. Der Text ist jetzt doch etwas lang geraten, sollte ich vielleicht bei
  139. Gelegenheit ein Blog-Posting draus machen und es zu Ende ausführen.
  140.  
  141. Könnt ihr gerne nach Belieben verwenden,
  142. Beste Grüße,
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