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Häideranalyse

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Oct 24th, 2016
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  1. Was bewegt Menschen sich exzessiv mit Rainer zu beschäftigen?
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  3. Das Zustandekommen des „Drachengames“ (DG), also einer anhaltenden und formreichen Rezeption von Reiners Tun und Treiben ist zunächst einmal von Reiner selbst verursacht. Es gibt ja genug traurige Gestalten, die die Erbärmlichkeit ihrer Existenz im Internetz zur Schau stellen, ohne dass sich gleich mehrere hundert Leute auf jeden Fitzel neuen Materials stürzen. Die Ursache für das DG muss also in einer Eigenart von Reiner selbst zu finden sein.
  4. Tatsächlich sind es zwei Eigenarten, die notwendig sind:
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  6. 1.) Reaktion: Wenn man sich mit Reiner beschäftigt, wird das von Reiner selbst kommentiert. Er reagiert auf das, was die Zuschauer machen. Hätte er die Selbstbeherrschung, sein Publikum einfach zu ignorieren, hätten wir längst das Interesse an ihm verloren.
  7. Aber Reiner lässt sich herrlich provozieren. Man erinnere sich an all die Drrrägnmanndais, die mit der Ankündigung begannen, die Häider etzadla ignorieren zu wollen – nur um sich dann eine Viertelstunde lang mit ihnen zu beschäftigen und dabei ohnmächtige Wut und tiefes Leiden zu offenbaren. Reiner wünscht sich Anerkennung und Erfolg und wird ernsthaft von Ablehnung und Verachtung getroffen. Weil er aber nicht die Abgeklärtheit hat, dieses Leiden zu verstecken, sondern stattdessen seine rotgeweinten Schweinsäuglein in die Kamera hält, wird re die Häider nicht los. Und natürlich, weil er währenddessen steif und fest behauptet, er habe ja gar nicht geheult. Das provoziert immer neue, härtere Reaktion. Wir wollen ihn nicht nur heulen sehen, wir wollen, dass er endlich zugibt, dass er heult.
  8. Glücklicherweise für uns ist Reiner aber zu dickköpfig, um sein Scheitern zu erkennen. Er hat keinen Plan B. Er ist so versessen auf den Ruhm, dass er nicht aufhören kann, auf den Häid zu reagieren, denn der ist ihm ein Beweis für das Funktionieren seiner Absicht. Schließlich sind nur 13% seiner Zuschauer Häider!
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  10. 2.) Tauglichkeit: Reiner ist ein erzdummer Sonderschulversager, dem nichts gelingt. Bei Lichte betrachtet ist er ziemlich kapott. Gleichzeitig ist er aber nicht so kapott, dass er tatsächliche Narrenfreiheit genießen könnte. Er ist normal genug (und beharrt immer wieder auf seiner Normalität), dass man normale Maßstäbe an ihn anlegen darf. Würde er in seiner mit Hakenkreuzen dekorierten Küche via Internetvideo die Freimaurerjuden anbrüllen oder seine Zuschauer auffordern, ihre Personaler-Ausweise zu verbrennen und ihn bei einem Sturm auf den Reichstag zu begleiten, würden die Häider wohl kopfschüttelnd und mitleidig von ihm ablassen. Aber Reiner befindet sich in der Goldlöckchen-Zone: Nicht zu behindert für Mitleid, nicht zu normal für Langeweile, halt genau richtig zum Häiden.
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  12. Reiner ist bekloppt genug, um unberechenbar zu sein. Man kann nie wissen, welchen Schabernack er sich als nächstes ausdenken wird (dass er selber diese Aktionen immer für tolle Ideen hält, macht den Spaß ja nur noch größer). Das hält die Spannung am Köcheln und gibt Raum für Rezeption „am laufenden Band“: Wird er wirklich nach Klön fahren? Wird er trotz erwiesener Ungeficktheit weiterhin ein Dr.Sommer-Format herausbringen? Macht er ernst mit dem Heiratsantrag? Oft genug weiß man wirklich nicht, was als nächstes passiert und das macht es lohnend, dranzubleiben.
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  14. Gleichzeitig ist Reiner normal genug, um verständlich zu sein. Seine Wünsche sind nachvollziehbar, seine Motivation begreiflich. Schließlich will er ja nicht die Weltherrschaft, einen eigenen Freistaat oder ein heißes Date mit Emma Watson. Er wünscht sich lediglich beruflichen Erfolg, eine heiße Freundin und die Anerkennung seiner Umwelt. Eigentlich will er so ziemlich das, was halt jeder junge Mann in seinem Alter will.
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  16. Ist natürlich auffällig, dass seine Häider ebenfalls junge Männer sind. Manche a weng älter, manche a weng jünger, aber im Großen und Ganzen seine Generation. Leute wie er – zumindest Leute mit ähnlichen Wünschen und Vorhaben.
  17. Und die freuen sich natürlich, wenn es in ihrem Leben eine Größe gibt, die jeden Misserfolg verlässlich und überdeutlich immer noch unterbietet:
  18. Du wohnst noch oder nach einer beruflichen Bauchlandung wieder bei Mama? Reiner hat sogar seine Mama aus dem Haus vergrault und wohnt ganz allein in seinem verranzten Kinderzimmer in einer Ruine am Arsche der Welt – jetzt neu: ohne Strom!
  19. Mit der Ausbildung / Jobsuche geht’s nicht so recht voran? Reiner hat ein Sonderschulzeugnis mit lauter Dreien und Vieren, ist sogar für die Hauptschule zu dumm und zu faul und hat in den letzten zehn Jahren nur drei Jahre lang gearbeitet, und zwar als Hilfsdepp mit Zeitarbeitsvertrag.
  20. Einsam und ohne soziale Kontakte? Reiner hat jeden Freund verloren, den er je hatte und wird von allen Menschen, an die er sich wendet, abgewiesen und verachtet. Sogar Leute, die er nicht kennt, machen sich in seiner eigenen Heimat über ihn lustig und alle Nachbarn haben die Nase gestrichen voll von ihm.
  21. Ohne Geld, sich tolle Sachen zu leisten? Für Reiner ist die Anschaffung eines Wasserfilters ein Meilenstein. Als Internetbettler lebt er in so prekären Verhältnissen, dass er sich ausschließlich von Fertigfraß minderster Sorte ernährt, den er auch nicht verschmäht, wenn er ihm auf den dreckigen Boden fällt. Die letzten fünf Jahre konnte er sich nur über Wasser halten, indem er laufende Kosten einfach ignoriert hat – was ihm jetzt ein Leben ohne Strom und einen fünfstelligen Schuldenbetrag beschert.
  22. Verzweifelter Single? Reiner hat mit 27 noch nicht mal einen Kuß gekriegt und ist mittlerweile so verzweifelt, dass er vermeintlichen Damenbekanntschaften Pimmelbilder schickt und einer offensichtlichen Häiderin einen völlig ernstgemeinten Heiratsantrag gemacht hat – in aller Öffentlichkeit!
  23. Unzufrieden mit dem eigenen Körper? Reiner ist ein fetter Oger mit Kieferfehlstellung, dem vor lauter Nagelpilz die Zehennägel abfallen. Seine Haare bilden ein Vogelnest und sein aufgedunsener Leib macht ihm jede körperliche Betätigung zur Strapaze. Außerdem hinkt er und hat einen kurzen Pimmel.
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  25. Es ist nicht auszuschließen, dass ein Teil der Häider Reiner als eine Art Trostpflaster benutzt. Nicht in jedem Leben geht’s immer nur geradeaus und bergauf; persönliche Rückschläge lassen sich leichter verschmerzen, wenn man gleich ein Musterbeispiel für noch größeres Versagen zur Hand hat: ‚Ich bin zwar a wenig übergewichtig, aber wenigstens geh ich regelmäßig ins Fitti. Reiner ist noch viel fetter als ich und macht gar nichts.‘
  26. In diesem Fall ist Reiner gleichzeitg ein Motivator: Um sich über eine mit Reiner geteilte Missliebigkeit trotzdem lustig machen zu können, muss man selbst dieses spezielle Defizit an sich ja bekämpfen.
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  28. Zu diesem Modell passt auch der Erklärungsansatz, den BigBITCH so trefflich formuliert:
  29. „Spiegelt er vielleicht eigene Schwächen wieder, gegen die man kämpft und man wird von Rainer getriggert, weil er diese Schwächen akzeptiert und sich trotzdem geil findet? […]Tragen hardcore Haider einen kleinen Rainer in sich, den sie bekämpfen wollen?“
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  31. Reiner spiegelt eigene Schwächen nicht nur, er liefert eine grotesk gesteigerte Version dieser Schwächen. Den einen mag das trösten, den anderen gar motivieren, eigene Reinerschwächen in Angriff zu nehmen. Auf diese Schwächen kann man sich dann herrlich einschießen: ‚Ich habe diesen Monat zwanzig Bewerbungen losgeschickt, Reiner aber wird niemals Arbeit finden‘. So wäre Reiner ein warnendes Beispiel, dessen kathartischem Einfluss man sich aussetzt wie dem Horror in einem Horrorfilm.
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  33. Wenn nun einer macht und tut und an sich arbeitet, bis ihm das Blut bei den Fingernägeln hervors-prützt, möchte er natürlich für diese Mühe belobigt werden – zumal dann, wenn der Erfolg sich nicht so ohne weiteres einstellt. Ein Fettsack, der sich fünf Kilo abhungert, ist immer noch ein Fettsack. Aber jetzt ist er ein Fettsack, der sich über Reiner lustig machen und ihn verachten darf, weil der sich eben keine fünf Kilo abhungert, sondern drei anfrisst. Solche Häider sind wohl eine Art Schnittmenge der Trostpflaster-Häider und der nächsten Gruppe, den Moralaposteln: Unzufrieden mit der eigenen Existenz stellen sie Maßstäbe und Anforderungen auf, denen sie nachkommen, Reiner aber nicht. So nehmen sie sich das Recht, Reiner für die eigene Schwäche zu verachten.
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  35. Die nächste Sorte Häider, die waschechten Moralapostel, brauchen keinen Trost (zumindest nicht in nennenswertem Maß). Sie genügen den Ansprüchen der Leistungsgesellschaft zumindest soweit, dass sie sich nicht selbst verachten müssen. Ihr Erfolg gestattet es ihnen vielmehr, Leute zu verachten, die sich der Leistungsgesellschaft entziehen, aber dabei gleichzeitig auf den Fleiß ebendieser Leistungsgesellschaft angewiesen sind, wenn sie nicht verhungern wollen.
  36. Diese Sorte Häider neigt dazu, Reiner seine kärglichen Einkünfte zu missgönnen, weil es sich um erbettelte Einkünfte handelt. Reiners parasitäre Existenz widerspricht den Wertvorstellungen der moralischen Häider. Und das nicht nur in sozioökonomischer Hinsicht: die moralischen Häider können es auch nicht fassen, welche Geringschätzung Reiner für Recht und Ordnung an den Tag legt.
  37. Diese Häider können es kaum erwarten, bis Reiners Fehlverhalten endlich einmal Konsequenzen trägt. Sie möchten ihn vor Gericht sehen, oder winselnd beim Sozialamt auf dem Boden herumrutschen, oder von einem Aufseher gescheucht schweißüberströmt in einer schlechtsitzenden Warnweste die toten Tiere von der Autobahn kratzen. Nach ihrer Vorstellung hat einer wie Reiner nicht verdient, sich als Schanzenkönig aufzuspielen und fröhlich in den Tag hinein zu leben. Sie bleiben dran, weil sie endlich sehen wollen, wie der zweite Stiefel fällt und Reiner seine wohlverdiente Strafe erhält. Sie bitten andere, ihn endlich anzuzeigen oder ergehen sich in Gewaltphantasien, wie sie der faulen Fettsau aber sowas von auffe Schnauze geben würden.
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  39. Eine Sondergruppe der Häider sind die Kreativen. Sie dichten Lieder, animieren Trickfilme oder schaffen sonst iwelche Kunstwerke. Vermutlich würden sie das auch tun, wenn Riter sich gleich nach der Geburt versehentlich auf Reiner draufgesetzt hätte. Wäre nicht Reiner der Inhalt der Kunstwerke, wäre es irgend ein anderes Opfer, das im Internet für Heiterkeit sorgt.
  40. Sicherlich gibt es viele talentierte Künstler, die ihre Werke im Internet veröffentlichen, ohne dass je jemand darauf aufmerksam wird. Wenn man sich aber ein Ziel vornimmt, zu dem schon ein Publikum gehört, ist einem natürlich eine gewisse Aufmerksamkeit und Anerkennung sicher. Und Applaus ist das Brot des Künstlers. Talentierte Könner wie Cpt. Meddl bekommen die verdiente Anerkennung. Talentlose Pfuscher wie Schläuchebarbie werden ausgespien.
  41. Anm.: Kunst als Mittel zur Selbstverständigung hat natürlich auch immer was mit dem Innenleben des Künstlers zu tun. Wer sonst kein Häiderinteresse an Reiner hat, wird vermutlich auch keine Kunstwerke über ihn machen und daher könnte man die Künstler wohl auch anders einsortieren.
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  43. Diese Liste wäre nicht komplett ohne die Kuchenkinder. Gemeint sind damit all diejenigen, die Reiner vor Ort aufsuchen und iwelche Abenteuer erleben wollen. Für sie hat das DG Eventcharakter; im Mittelpunkt steht nicht unbedingt Reiner an sich, sondern das Phänomen Reiner, die Tatsache, dass man an einem Wochenende zum Arsch der Welt aufbrechen und mit Gummbls dort was ganz Tolles erleben kann. Weil aber vor Ort nicht unbedingt für Unterhaltung gesorgt ist, muss man zunächst mal alberne Rituale etablieren und danach zelebrieren (Monster im Rewe kaufen, Pizza im roten Herz fressen und dergleichen mehr). Und den Reiner, den muss man natürlich ganz dolle „triggern“, also irgend einen Schwachsinn anstellen, in der Hoffnung, dass er schön ausrastet und sich danebenbenimmt, damit man was zum Filmen hat. Denn natürlich muss der Besuch (hochgejuxt als ‚Pilgerfahrt‘) dokumentiert und ins Internet gestellt werden, damit man zeigen kann, was für ein unglaublich kantiger Internetnutzer man ist.
  44. Solche Leute schleudern sonst Milchshakes auf die Angestellten von Drive-In-Schaltern, bestellen tausend Cheeseburger in der Bahnhofsfiliale eines Schnellrestaurants, kippen sich Eiswasser über die Rübe oder prusten Zimtpulver in Muttis Küche. Früher hätten sie bei Flashmobs mitgemacht, nächstes Jahr stellen sie sich womöglich mit gelbschwarzen Fähnchen auf das Brandenburger Tor. Hauptsache kantig, hauptsache iwie Underground aber trotzdem voll im Trend.
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  46. Aber auch ohne alberne Pilgerfahrt hat das DG ja längst einen sozialen Charakter angenommen und funktioniert auch ohne Reiner ganz gut. Man trifft sich mit Gleichgesinnten in einer bestimmten Ecke des Internets, unterhält sich in seinem eigenen Jargon (an dessen Entstehung man selber beteiligt war) und versichert einander seiner Achtung. Jeder hat doch gern eine Gruppe, zu der er sich zählen darf und kann, bei der er mitmachen darf und anerkannt wird. Sicherlich sind nicht wenige LS-Nutzer nur wegen dieses Fadens (Jawohl, Fadens. Verwarnt mich doch!) auf der Seite angemeddlt. Man könnte diese die sozialen Häider nennen.
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  48. Was immer auch die persönlichen Beweggründe sein mögen, Häider bleibt Häider. Alle eint das Bedürfnis, einen saudummen und stinkfaulen ungepflegten Fettsack aus der bayrischen Provinz zur Zielscheibe ihrer Abneigung zu machen. In gewisser Hinsicht braucht freilich ein jeder Mann ein Feindbild, um sich zu vergewissern, wer und was er selber tatsächlich ist. Selbstdefinierung durch Abgrenzung und so was. Außerdem haben Männer halt oft keinen rechtne Zugang zu ihrer Gefühlswelt, da ist die häufgiste Emotion eben Hass in irgendeiner Form. Naguuut, richtig glühend hassen tun wir reiner ja nicht alle. Aber Abneigung ist schon dasselbe Gefühl, nur weniger intensiv. Warum nun gerade ein völlig unbedeutender Dorftrottel als Ziel dieser Abgrenzung fungiert, kann letztlich wohl nicht vollständig geklärt werden. Das beliebte Modell, dass Hass immer eine Form von externalisiertem Selbsthass ist und jeder Häider in Reiner irgend einen Teil von sich selbst verachtet, sei mal dahingestellt. Es ist halt so, dass Reiner von seiner tumben Genügsamkeit abgesehen einfach keine einzige positive Eigenschaft hat – das macht es natürlich ziemlich einfach, jedem Häider irgend eine negative Eigenschaft zuzusprechen, die Reiner dann natürlich auch aufweist. Andererseits müsste Reiner dann so etwas wie eine universal gehasste Zielscheibe für den Hass aller Männer darstellen – und das sit wohl viel zu weit gegriffen. Denn letztendlich bleibt die intensive Beschäftigung mit einem völlig belanglosen armen Würstchen doch eine ziemlich breitenuntaugliche Spezialbeschäftigung für eine kleine Gruppe gelangweilter und wahrscheinlich ziemlich kranker Kellerkinder. Ich hab auch schon n ganz schönen Schatten.
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