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7 Fehler, die die #Piratenpartei bedrohen

a guest
Mar 20th, 2014
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  1. 7 Fehler, die die #Piratenpartei bedrohen:
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  3. #1 mangelnde Professionalität: jede*r kann dort Dinge tun, aus Gründen. Internetsprech, ein Tenor auf 140 Zeichen kondensiert. So bildet sich eine Struktur, die kaum kontrolliert wächst und wuchert, und über die Jahre für Außenstehende komplett undurchschaubar, also intransparent wird. Nur ein immer kleiner werdender Zirkel von zeitreichen Insidern und/oder Autisten blickt noch durch. 437 Blogs und 2.897 Wikiseiten, unzählige Anträge, Liquidinis, Doppel- und Dreifachstrukturen überlassen die politische Arbeit und deren Kommunikation dem Zufallsprinzip. Gegenüber dem unvollständigen und sich in beliebigen Details verlierenden zudem in wesentlichen Punkten lückenhaften und veralteten Internetauftritten der #Piratenpartei ist der Internetauftritt aller anderen größeren Parteien geradezu mustergültig transparent.
  4.  
  5. #2 mańgelnde Distanziertheit: Bewegungen wie post privacy, Spackeria und die Entstehungsgeschichte der #Piraten sorgen für Strukturen, bei dem das Leben die Partei, und die Partei das Leben ist. Vieles vermischt sich, Parteiarbeit, politische Arbeit, Privates, Beziehungen, Liebesleben, Soziales. Eine professionelle Trennung von Privatleben und Parteiarbeit, die dringend nötig wäre, um nicht in Loyalitätskonflikte reinzustolpern ohne Chance auf Lösung, findet nicht ausreichend statt. Im Klartext: wenn ich mit jemensch im Bett war, ist es 10 mal schwieriger, sich von politischen fails des anderen klar zu distanzieren. Mensch sitzt in der commitment-Falle. K1 und die 68-er lassen grüßen.
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  7. #3 mangelnde politische Erfahrung: die meisten #Piraten sind, politisch gänzlich unerfahren, durch z.B. Hype und Blitz-Wahlerfolge in Positionen geraten, die politische Erfahrung vorausgesetzt hätten, und an die sie unter Normalbedingungen nie gekommen wären. Erschwerend kommt hinzu, dass Menschen mit politischer Erfahrung bei den #Piraten äußerst mißtrauisch beäugt werden, denn sie haben dann auch immer eine politische Vergangenheit.
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  9. #4 Fehleinschätzung der Bedeutung von social media für die politische Kommunikation: Vieltwitterer, häufig stark kommunikationsgestörte Menschen, werden bei #Piraten nach vorne gepusht, weil sie "gut vernetzt" sind. Sie erweisen sich dann aber in der Praxis meist als besonders ungeeignet, tatsächliche Politik zu machen. Wer keine 5 Minuten aushält ohne einen tweet abzusondern, kann unmöglich umfangreichere politische Sacharbeit leisten oder konzentriert stundenlange Sitzungen, Anhörungen oder Debatten aufmerksam verfolgen. So findet eine Negativauswahl statt, bei der nur seltene Ausnahmetalente wie C. Lauer oder M. Weisband auf der politischen Bühne gewisse Aufmerksamkeit und damit Wählerzustrom generieren. Und selbst diese Ausnahmetalente leiden unter Fehler Nr. 5
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  11. #5 Piraten bekämpfen ihre Talente statt sie zu fördern. Es ist auffällig, dass Piraten, so bald sie sich positiv herausheben durch politische Erfolge, positive Kommunikation, sich steigenden Bekanntheitsgrad extrem beargwöhnt werden, denn Piraten haben Angst davor, dass sich 'Oberpiraten' herausbilden, also Eliten innerhalb der Partei, die erfolgreich sind, also in der Partei- oder Parlamentshierarchie aufzusteigen 'drohen'. Eine Kultur, eigene Talente zu fördern und zu stützen, ist nicht vorhanden, ganz im Gegenteil. Bei parteiinternen Wahlen werden oft die Netten, aber politisch Orientierungsschwachen gewählt und nicht die (potenziell) Erfolgreichen. Da diese oft hart arbeiten, haben sie weniger Zeit "nett" zu sein. Starke Quellen für Fehler #5 sind Fehler #2 und #3.
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  13. #6 Piraten geben sich maximal 'offene' Strukturen, um alle/jede zum Mitmachen zu animieren. Das klingt erst mal nicht nach Fehler, ist aber dennoch einer, wenn er in Kombination mit Fehler #1 zusammetrifft: wo jede/r mitmachen kann, macht eben auch der mit, der nicht wegen der (ebenfalls zum Teil sehr offen formulierten) Ziele der Piraten eintritt, sondern wegen dieser Offenheit - um eigene Ziele zu platzieren. Diese sind so vielfältig wie die Menschen. Sie gehen über das gesamte politische Spektrum von linksaussen bis rechtsaussen, wobei man das nicht bei Eintritt äußert, zumindest wenn die Position recht radikal ist, sondern versucht, langsam Bündnisgenossen in der Partei zu finden und bei ausreichender Gruppengröße (z.T. nur 4-5 Leute) dann die Position innerhalb der Partei zu 'besetzen'. So findet in einer Partei, die propagierte "Klarmachen zum Ändern" dieses Ändern bzw. ja eigentlich Entern vielhundertfach statt. War die Position zu abstrus, z.B. Nuklearia, Rechtspopulismus, irgendwelche anderen #ismen und so weiter, begannen innerparteiliche Abwehrkämpfe der "Bewahrer" und der "Änderer", die mangels Strukturen informell, und oftmals unterhalb der Gürtellinie, also mit Mobbing, Bashing, Verunglimpfung usw. geführt wurden, und aus zunächst abweichenden Meinungen dann erbitterte Gegnerschaften bis hin zu Feindschaften und Lagerbildung. Innerparteiliche demokratische Kultur konnte so nicht entstehen.
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  15. #7 man wählte ungeeignete Strukturen. "Partei" ist die falsche Struktur für #Piraten. Ein Verein, ähnlich des CCC, wäre zunächst deutlich effektiver gewesen. Denn die frühen Ziele der Piratenpartei waren nicht politisch im Sinne einer politischen Ausrichtung, sondern organisatorischer Art. Man wollte nicht politische Vollprogramme entwicklen wie CDU oder SPD, sondern manm wollte die "Hardware" des Systems "Bundesrepublik" ändern. Man glaubte, etwas naiv, was die Partei anfangs auch sehr sympatisch machte, durch Änderung der Regularien in der Politik kombiniert mit dem Einsatz moderner Medien könnte man das erstarrte politische System Bundestag, Landtag oder Kreistag sowie die Verwaltung modernisieren, um die Macht des Wählers durch direktdemokratische Elemente zu erhöhen und die der Politiker abzusenken. Eine Mischform mit indirekte imperativen Mandaten schwebte einem vor, die den gewählten Repräsentanten durch jederzeit wieder entziehbare Vollmachten quasi eine variable Machtfülle zu geben, die nach den Prinzipien der "liquid democracy" sozusagen eine Mischform des Schweizer Systems (regelmäßige Volksabstimmungen) und des deutschen Systems der repräsentativen Demokratie mit indirekt gewählten Regierungen zu finden, mit Beschleunigungseffekten durch elektronische Mitbestimmung "über das Internet" sozusagen von zu Hause aus.
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  17. Inhaltlich war man zunächst nur gegen Kopierschutz, gegen zu striktes Urheberrecht und Abmahnprobleme im Internet (the pirate bay, napster usw.), später kam die "Freiheit im Netz" und Fordeungen nach Abwesenheit von Zensur und Überwachung im Netz dazu. Zensursula war ein Thema, an dem die Piratenpartei wuchs. Eine Kostenloskultur, wie sie im Internet, zunächst ja mangels Abrechnungsmöglichkeiten, vorherrschte, hatte auf Piraten ihren Reiz, und zunächst leiteten sich politische Ziele davon ab, weitere Freiheitsrechte entweder zu verteidigen oder neu einzufordern: Kostenloser Nahverkehr, Freigabe sämtlicher Drogen, Wahlrecht für alle (ab Null Jahre), Freiheit in allen Gestaltungsfragen des individuellen Lebens, also keine Diskriminierung von (von der Norm abweichenden) Lebensformen, von der Norm abweichende Sexualverhalten usw., alles sollte frei sein.
  18. Der Staat und seine Strukturen dagegen sollten - im Gegensatz zum Privaten, völlig transparent (gläsern) sein, alle öffentlichen Vorgänge einsehbar, alle Sitzungen und Beratungen von Politikern solten öffentlich sein, zum Teil gab es Forderungen, alles live im Netz zu streamen.
  19. Die Idee dahinter war: ein Staat, der alles offenlegen muß und keine 'Geheimnisse' mehr hat, ist schwach, und kann keine allzu große Macht mehr über seine Bürger ausüben, da sie ja alles Geplante schon vorher erfahren und sich entsprechend im Vorfeld von beispielsweise Gesetzgebungsverfahren wehren können.
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  21. Diese unausdifferenzierten generellen Forderungen wurden absolut (radikal) gestellt, das brachte hohe Aufmerksamkeit.
  22. Beispiel: wer lediglich die Freigabe von weichen Drogen ab 18 fordert, wird kaum gehört, das fordern auch Teile der Linken und Grünen, und diese Parteien gibt es ja schon. Wer aber freigabe sämtlicher drogen - komplett - fordert, bekommt höchstmögliche Aufmerksamkeit. Wer zu vielen Themen raduikale Foderungen stellt, bekommt dann auch erst mnal höhere Aufmerksamkeit.
  23. So bekamen die Piraten Berlin, mit einer guten Mischung aus frechem und naivem Auftreten (z.B. Wahlplakat "warum häng ich hier eigentlich, ihr geht ja eh nicht wählen") , einem kleinen Kanon von Forderungen, z.B. gläserner Staat, kostenlosem Nahverkehr, Wahlalter ab 0, Wahlrecht für alle, Freigabe sämtlicher Drogen, Freifunk auf den Dächern Berlins und noch ein paar aktuellen Nebenthemen (z.B. Offenlegung sämtlicher Verträge Berlins mit Privatfirmen) holte man knapp 9% der Wählerstimmen. Jeder elfte Wähler kreuzte also "Piraten" an, ohne im Regelfall auch nur einen von ihnen zu kennen.
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  25. Nach der Wahl dann saßen Menschen im Parlament, die mit diesen Strukturen zunächst gar nichts anfangen konnten, ja diese sogar zunächst verachteten und für überholt hielten. Sie merkten aber schnell, dass der, der in einem Parlament sitzt, aber nicht mitspielt, auch keine Wählererwartungen erfollen kann, und 5 jahre herumzualbern, aber nichts zu erreichen, war keine mögliche Option. Also versuchte man, mitzumachen, udn mit erstaunlichem tempo passten man nicht etwas das Parlament den eigenen neuen Vorstellungen an, was ja auch sachlich unmöglich war mit 9% in der Opposition, sondern man passte sich dem Parlament an.
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  27. Hier liegt aber die Krux der ganzen Sache: Die 9% Wähler waren ja genau die, die mit diesem parlamentarischen System unzufrieden waren, und die glaubten, die Piraten wären nun tatsächlich, da im Parlament sitzend, in der Lage, schnell Dinge zu verändern. Diese Hoffnung wurde massiv enttäuscht. Das Beharrungsvermögen eines fest eingespielten Systems von Exekutive, Legislative und den Gerichten, mit über 100.000 Angestellten und Beamten, rechtlichen Rahmenbedingungen, die ein Landesgesetzgeber nur begrenzt zu ändern überhaupt in der Lage ist, und die Schuldensituation des Landes, die politische Handlungsspielräume ohnehin eng begrenzt, hätte eine Piratenpartei mit mer als 9, also z.B. 50% Stimmenanteil in die Situation gebracht, quasi handlungsunfähig diesem System gegenüberzustehen, denn außer guter Ideen hatte man ja nichts in der Hand, kein qualifiziertes Personal, keine politische Erfahrung, noch nicht mal eine Verankerung in Inititaiven und Strukturen in der Gesellschaft, wie damals die GRÜNEN. In der Opposition konnte man zwar nur wenig verändern, aber auch wenig Schaden anrichten. Zwar hat sich die Piratenfraktion inzwischen etwas professionalisiert, aber dadurch wird sie auch den anderen Parteien immer ähnlicher, und der Reiz des neuen, Anderen geht verloren. Kommt dazu auch noch, wie derzeit, personalisierter Richtungsstreit, der mangels Strukturen und gefestigter Persönlichkeiten an der Parteispitze sowie getriggert durch öffentliche Kommunikation unter Einsatz von social media und mailinglisten schnell vom Streit in Richtung Glaubenskrieg und Fundamentalkritik abgleitet und damit destruktiv wirkt, wendet sich der (ehemalige) Wähler mit Grausen ab, denn aus seiner Sicht sind die #Piraten nun nicht mehr besser, sondern schlimmer als die Altparteien.
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  29. Dementsprechend lotrecht stürzen die Piraten nun in Wahlumfragen und danach in realen Wahlergebnisssen ab.
  30. In Bundesländern, in denen sie zum Teil erfolgreiche Arbeit leisten, halbieren sich die Wahlergebisse und Umfragen, in Landesteilen, in denen von politischer Arbeit der Piraten gar nichts zu sehen ist, und nur der Streit wahrgenommen wird, haben sie sich sogar geviertelt.
  31. Zwar haben die Piraten auch wieder Chancen auf bessere Zeiten, wenn es ihnen gelingt, sich zu konsolidieren, ohne ihre Frische und ihre neuen Ideen dabei zu verbrennen.
  32. Es besteht aber auch das Risiko, dass sich der Richtungsstreit in Pendelbewegungen destruktiv fortsetzt, und immer mehr erfahrene und politisch aktive Piraten hinschmeißen, und sich so die aktive politisch erfahrene Basis langsam zersetzt.
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  34. Wann und an welchem Punkt sich die Partei wieder fängt, ist nicht absehbar. Eine zerstrittene Basis und demotivierte Mitglieder sind aber ein schlechter Nährboden, um strukturelle Defizite abzuarbeiten. Der Konsoliderungsprozess kann also andauern, und für kommende Wahlen nachteilig wirken. Denn der Wähler wird nicht erneut Vorschusslorbeeren verteilen, in der Hoffnung, das wird schon wieder. Stammwähler, als computeraffine Nerds, die auch in schwieriger Zeit zur Idee stehen, sind zwischen 1 und 2 % der Bevölkerung, also zu wenige für Wahlerfolge. Zumal Linke oder GRÜNE politisch ja alternative Heimaten anbieten, in der Nähe verschiedenen Piratenpositionen. Piraten sind eben nicht "alternativlos". und die Nichtwähler, die sie mobilisieren konnten, bleiben entweder künftig wieder zu Hause, oder wählen die nächste "Protestpartei".
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