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Spiegel2014/28 - Das Wetter in New York - NSA vs BND

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Jul 6th, 2014
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  1. Quelle: Spiegel2014/28 - Das Wetter in New York - BND-Zentrale in Pullach mit Ein Leck in den eigenen Reihen
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  3. Geheimdienste: Die Enttarnung eines BND-Agenten, der mutmaßlich für die USA spionierte, zog sich über Wochen hin. Am Ende bat der Verfassungsschutz ausgerechnet die US-Behörden um Hilfe.
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  5. Autor: Maik Baumgärtner, Matthias Gebauer, Hubert Gude, Veit Medick, Fidelius Schmid, Jörg Schindler
  6. Quelle: Spiegel2014/28
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  8. Die russische Botschaft gehört zu den interessantesten Gebäuden Berlins, zumindest aus Sicht des Bundesamts für Verfassungsschutz. Immer wieder gibt es etwas Neues zu beobachten. Es ist noch nicht lange her, da tauchten auf dem Dach des weißen Komplexes neue Bretterverschläge auf.
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  10. „Russische Holzhütten“ nennen die Verfassungsschützer spöttisch die Aufbauten, hinter denen sie Abhörantennen vermuten.
  11. Überall, wo Moskau offizielle Vertretungen unterhält, neben Berlin sind das unter anderem die Generalkonsulate in Hamburg und München, ist auch die Spionageabwehr des Bundesamts vor Ort. Was hinter den Mauern vor sich geht, versucht sie in Erfahrung zu bringen – sie zapft Telefonleitungen an, macht Fotos aus der Luft und bemüht sich, unter den Angestellten Informan- ten zu werben.
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  13. So blieb auch eine Mail nicht unbemerkt, die ein Unbekannter vor einigen Wochen an eine russische Vertretung in Deutschland schickte. Der Absender diente sich den Russen darin als Informant an. Um zu beweisen, dass er kein Maulheld sei, fügte er über Google-Mail vertrauliche Unterlagen des Bun- desnachrichtendienstes bei. Er könne bei Bedarf gern mehr liefern, schrieb er dazu. Die Verfassungsschützer waren elektrisiert. Wieder ein Spionagefall, dessen Spuren nach Russland führten.
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  15. Um des Absenders habhaft zu werden, bereiteten die Deutschen eine Falle vor. Unter einer gefälschten russischen Adresse gingen sie zum Schein auf das Angebot ein und boten dem Spion ein Treffen an. Der lehnte ab, die Deutschen mussten sich etwas anderes einfallen lassen. In ihrer Not wandten sie sich sogar an die US-Behörden mit der Frage, ob die Google-Mail-Adresse dort womöglich bekannt sei. Eine Ant- wort blieb aus. Stattdessen schaltete der geheimnisvolle Informant kurz darauf seinen Mail-Account ab. Eigenartig, dachten die Ermittler.
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  17. Erst am vergangenen Mittwoch gelang es den Behörden, den Mann zu fassen. Und wenn stimmen sollte, was der 31-Jährige in seiner ersten nächtlichen Vernehmung mitzuteilen hatte, dann sind nicht die Russen die Schurken im neuesten Spionagestück. Dann hätten stattdessen einmal mehr die Amerikaner unter Beweis gestellt, mit welcher Unverfrorenheit sie einen ihrer angeblich engsten Partner ausspionieren.
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  19. Der Mann, gegen den die Bundesanwaltschaft wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit ermittelt, teilte den verblüfften Beamten mit, dass er nicht nur den Repräsentan- ten aus Moskau seine Dienste angeboten habe. Tatsächlich will der Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes schon vor zwei Jahren, ebenfalls per Mail, Kontakt mit der US-Botschaft in Berlin aufgenommen und sich als Zuträger angedient haben. Angeblich mit Erfolg: Seither habe er wiederholt Aufträge von US-Agenten ausgeführt. Zuletzt habe er die Order erhalten, sämtliche verfügbaren Informationen über den NSA-Untersuchungsausschuss des Deut- schen Bundestags weiterzuleiten. Dreimal traf er sich nach eigenen Angaben mit seinen amerikanischen Kontaktleuten in Österreich, von ihnen habe er ein fünfstelliges Honorar erhalten. Die Rede ist von insgesamt 25 000 Euro.
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  21. Dass der Verdächtigte Zugang zu sensiblen Informationen des deutschen Auslandsgeheimdienstes hatte, ist unstrittig. Er arbeitete in der BND-Zentrale in Pullach im Stab der Abteilung Auslandsbeziehungen, welche die Kommunikation mit den BND-Residenten im Ausland und bei den Botschaften ab- wickelt. Auf diese Kommunikation hatte der mutmaßliche Spion aufgrund seiner Sicherheitsstufe weitgehend Zugriff. Dass er also für jeden fremden Nachrichtendienst interessant war, steht außer Frage. Aber war er auch wirklich Agent für ein fremdes Land?
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  23. Einige Indizien sprechen dafür. Bei einer Wohnungsdurchsuchung stießen die Ermittler auf einen Computer, dessen Software-Konfiguration so aussieht, als ob ein Geheimdienst ihn präpariert habe. Auf dem Rechner ist eine Wetter-App installiert, fragt der Nutzer das Wetter in New York ab, öffnet sich automatisch ein Kryptoprogramm. Zudem befand sich im Besitz des Mannes ein USB- Stick mit 218 geheimen BND-Dokumenten – 3 davon mit eindeutigem Bezug zum NSA-Untersuchungsausschuss.
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  25. Noch ist der Fall nicht aufgeklärt. Aber sollte stimmen, was der Geheimdienstler behauptet, handelte es sich um eine neue Dimension amerikanischer Spionagetätigkeit auf deutschem Boden. Seit Beginn der Snowden-Affäre vor einem Jahr steht der Verdacht im Raum, dass der US-Geheimdienst NSA hierzulande in großem Stil technische Aufklärung, sogenannte Signal Intelligence, gegen die Bundesrepublik betreibt. Der aktuelle Vorgang legt nun nahe, dass die Amerikaner dazu menschliche Quellen (Human Intelligence) führen – und das in einem Staat, der im internationalen Kampf gegen den Terror als einer der wichtigsten Ver- bündeten gilt. Der Datenaustausch auf diesem Gebiet hatte sich zuletzt, trotz der Snowden-Affäre, sogar noch intensiviert. Entsprechend entsetzt reagierten vorige Woche die deutschen Partner. „Ich konnte es nicht glauben. Auch jetzt fällt mir das noch schwer“, sagt ein hochrangiger Geheimdienstmann.
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  27. Der einzige Fall mit ähnlicher Dimension flog in den Neunzigerjahren auf, als die Bundeshauptstadt noch Bonn hieß. Damals, Ende 1994, hatte der als US-Diplomat getarnte CIA-Agent Geof- frey Plant den Referatsleiter im Bundes- wirtschaftsministerium Klaus Dieter von Horn angesprochen. Dieser war zu- ständig für Iran und somit interessant für die CIA. Regelmäßig trafen sich Plant und Horn zum Essen, und der Amerikaner war ein aufmerksamer Zuhörer: Hermes-Export-Kredite für Iran, die Liste aller deutschen Firmen, die Hightech in den Mullah-Staat lieferten, das alles wollte er von dem Bonner Mi- nisterialen erfahren.
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  29. Dann, im Jahr 1996, überbrachte Plant seinem Bekannten einen Mont-blanc-Kugelschreiber für 300 Mark und die Nachricht, er werde bald gehen, aber sein Nachfolger werde mit ihm in Kontakt treten. Pech für die Amerika- ner, dass der Nachfolger bereits erwar- tet wurde: von den Abwehrspezialisten des Bundesamts für Verfassungsschutz.
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  31. Horn hatte den Geheimdienst bereits am Anfang informiert und alle Ge- schenke brav abgeliefert. Als Plants Nachfolger Horn nach einer Iranreise über den Weiterbau eines iranischen Atomkraftwerks ausforschte, hatte die Bundesregierung genug: Sie wurde in der US-Botschaft vorstellig und forderte, der CIA-Mann müsse das Land verlassen. Die US-Seite bestritt den Spionagevorwurf, zog den Mann aber ab.
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  33. In der Bundesregierung grollte man dem großen Bruder nachhaltig. Überlegungen, die Geheimdienstzusammenarbeit einzuschränken und die USA mit den klassischen Mitteln der Spiona- geabwehr zu bearbeiten, machten die Runde. So wie jetzt wieder.
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  35. Schon als im Oktober 2013 der Skandal um das ausgespähte Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel publik wurde, bot der Verfassungsschutz an, künftig die Botschaften von Partnern wie den USA, Großbritannien oder Frankreich einer „Sockelbeobachtung“ zu unterziehen. Darunter verstehen die Geheimdienstleute eine Art Überwachung light: keine An- sprache von Botschaftsangehörigen, aber eine erste technische Überwachung.
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  37. Die Bundesregierung drückt sich seit- her um eine abschließende Entscheidung. Mit dem jüngsten Spionagefall, heißt es regierungsintern, könnte in die Sache nun endlich Bewegung kommen.
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  39. Autor: Maik Baumgärtner, Matthias Gebauer, Hubert Gude, Veit Medick, Fidelius Schmid, Jörg Schindler
  40. Quelle: Spiegel2014/28
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  42. #FaustInDieLuft: "Für die Bewegung. Zum Runterladen. Für Alle!" dP
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