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- Franz Karl Ginzkey:
- Ballade vom Vergeltsgott
- Beim Metzger erschien ein alt´ Weiblein in Sitten:
- Eins kleins Stückerl Fleisch nur, drum tät´ sie schön bitten.
- Es lachte der Metzger: "Ja, kannst du´s bezahlen?
- Denn wenn du kein Geld hast, ich werd´ dir was malen!"
- Da seufzte das Weiblein: "Das ist es ja eben,
- ich kann Euch dafür ein Vergeltsgott nur geben."
- Da höhnte der Metzger: "Das könnt´ dir so passen,
- bei solcheiner Währung in Fleisch noch zu prassen!"
- Drauf meinte das Weiblein: "Versündigt euch nicht!
- Es hat ein Vergeltsgott doch auch sein Gewicht."
- Da lachte der Metzger: "Wir wollen´s versuchen,
- wieviel fürs Vergeltsgott an Fleisch ist zu buchen!
- Ich leg´ auf die Waag´ hier ein Stückerl vom Schwein,
- und du legst dafür dein Vergeltsgott hinein!"
- Das Weiblein bedankt´ sich demütig dafür,
- rasch schrieb es das Wort auf ein Blättchen Papier
- und legt´s auf die Schale, die wartend noch leer.
- Und siehe - sie senkte sich wuchtig und schwer!
- Da stutzte der Metzger und hieb auf gut Glück
- vom Schweinernen ab noch ein mächtiges Stück.
- Doch siehe, die Schale, sie senkte sich nicht,
- noch zeigte sich beides nicht gleich an Gewicht.
- Da riß es den Metzger verzweifelt herum,
- er legt´ noch dazu ein gewaltiges Trumm.
- Doch sagt´ nun das Weiblein: "Oh, haltet nur ein!
- Ich meine - es wird schon das Richtige sein."
- Da stellte die Waage sich plötzlich auf gleich.
- Der Metzger, er ward wie ein Linnen bleich.
- Er schob ihr das Fleisch zu: "Nehmt alles nach Haus,
- ich geb´ es Euch gerne, es macht mir nichts aus!"
- Er sah, wie still durch die Türe entschwand.
- Ein Schimmer umstrahlte ihr ärmlich Gewand.
- Der Metzger, er sah wie entgeistert ihr nach.
- Er horchte der Stimme, die jetzt zu ihm sprach.
- Die Stimme betraf ihn im innersten Kern:
- Die Waage des Mitleids - die Währung des Herrn!
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