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- Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Piratenbewegung
- ========================================================
- Prolog:
- Die Vergangenheit prägt uns, die Gegenwart verwirrt uns und die Zukunft
- ängstigt uns.
- (Babylon 5: Imperator der Centauri kurz vor seinem Tod)
- Inhalt:
- ========
- 1. Zusammenfassung
- 2. Die Vergangenheit prägt uns -- die Wurzeln der Piraten
- 3. Die Gegenwart verwirrt uns -- ein Lageanalyse
- 4. Die Zukunft ängstigt uns -- Ausblicke und Perspektiven
- 5. Empfehlungen an die Piratenpartei
- 6. Fussnoten und Linkverweise
- 1. Zusammenfassung oder tl;dr (too long, didn't read)
- =====================================================
- Die Wurzeln der Piratenbewegung reichen mittlerweile über ein halbes
- Jahrhundert in die Vergangenheit zurück. Der Kern der Piratenbewegung
- ist geprägt durch eine technisch hoch ausgebildeten IT-Elite, in welcher
- sich der Geist der Väter des Netzes widerspiegelt.
- Das Netz zeichnet sich im wesentlichen durch den "spirit of community"
- (s.u.) aus, der es ermöglicht, die Menschheit global zu vernetzen
- und jeden Menschen unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht,
- kultureller/ethnischer Herkunft, Bildungsstand, religiöser
- Zugehörigkeit, politischer Einstellung, usw. mittels Sharings, sprich
- des Bereitstellens und Teilens von Netzressourcen, daran teilhaben zu
- lassen.
- Das Sharingprinzip des Netzes impliziert einen Rahmen eherner Grundsätze,
- die kein Admin oder Netzteilnehmer übertreten darf, da ansonsten die
- Integrität des Netzes gefährdet werden würde. Dieses Grundprinzip
- wiederum basiert auf dem Fundament der freien Meinungsäußerung im
- weitesten Sinne, also der Abwesenheit jeglicher Zensur, sowie dem
- Respekt gegenüber dem anderen Menschen. Es gründet sich weiterhin auf
- ein hohes Maß an Eigenverantwortung und sozialer Kompetenz bezüglich
- dessen, was man im Netz so treibt und wie man kommuniziert.
- Die Piratenbewegung ist die politische Fortsetzung dessen, was einst als
- Netzwerk zweier Universitätsrechner begonnen hatte und heute die Welt
- allumspannend im zunehmenden Maße bestimmt. Im Prinzip wurden die
- Grundsätze des Netzes auf die politische Ebene für die
- Gesamtgesellschaft übertragen, so dass freie Meinungsäußerung,
- Selbstbestimmheit, Eigenverantwortung, die Möglichkeit von Teilhabe in
- allen gesellschaftlichen Bereichen den Kern der Piratenbewegung
- ausmachen.
- 2. Die Vergangenheit prägt uns -- die Wurzeln der Piraten
- ==========================================================
- Das Netz, so wie wir es heute kennen, ist das Kind von Mailinglisten und
- des Usenets. Und auch heute noch, 34 Jahre nachdem Tom Truscott, Steve
- Bellovin und Jim Ellis 1979 in den Vereinigten Staaten zum ersten Mal
- zwei UNIX-Rechner über UUCP (Unix to Unix Copy) miteinander verbunden
- hatten, zählt das Usenet zu den schnellsten, effektivsten,
- ausfallsichersten und staatlicherseits am schwierigsten zu zensierenden
- elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten.
- Kein Blog, kein Webforum und kein Chatsystem kann in Sachen Sicherheit
- und Redundanz, Schnelligkeit und hoher Übersichtlichkeit, weltweiter
- Verfügbarkeit und langer Vorhaltezeit bei zugleich geringem
- Ressourcenverbrauch mit dem textbasierten Usenet Schritt halten.
- Da im Usenet kein User, kein Moderator und kein Newsserver-Admin zu
- irgendetwas verpflichtet ist, weil alles auf Freiwilligkeit, einer
- guten Portion Enthusiasmus und Engagement fußt, konnte ein Netz wie das
- Usenet NUR deswegen funktionieren, weil ein gemeinsamer Überbau, ein
- "common sense", geschaffen wurde.
- Die gesamte Idee des Usenets -- und letztlich darauf basierend auch des
- Internets -- beruhte auf der visionären Idee, Computerressourcen
- zwischen den Anwendern aufzuteilen, so dass möglichst viele Menschen
- global kommunizieren können.
- Großen Dank gebührt hierbei Dr. C.R. Licklider, der 1960 mit einem
- kleinen "Aufsätzlein" namens "Man-Computer Symbiosis"[1] einen
- Meilenstein zur Entwicklung gesellschaftlichen Miteinanders gesetzt hatte.
- Dieser Meilenstein, der heute, 53 Jahre später, aktueller denn je ist,
- wird noch weit in die Zukunft wirken. Er hat nicht nur zu einer
- Revolution in der Kommunikation geführt, sondern er wird zu weiteren
- grundlegenden Umwälzungen der globalen Gesellschaft führen, denen sich
- kein Staat, keine Regierung und kein Regime entziehen können wird. Die
- Vision Lickliders bestand in einem "Intergalactic Network", an welchem
- alle Menschen partizipieren können. Er war es auch, der bereits 1962
- von einem "spirit of community" gesprochen hatte, der genau dies
- leisten sollte, nämlich Menschen miteinander weltweit unter den
- Bedingungen des Sharings von Computerressourcen (Hardware, Software und
- Kommunikationsinhalte) kommunizieren zu lassen.
- Dieser Geist des Miteinanders ermöglichte es erst, dass heute
- Zigtausende von Rechnern die gleiche Sprache sprechen und sich
- vernetzen können, dass jeder User, sofern technisch versiert, einen
- eigenen Server aufsetzen kann und dass User auf (News-)Server
- zurückgreifen können, die oftmals von den Betreibern aus eigener Tasche
- bezahlt werden. Speziell das Usenet ist heute nicht das Netz der großen
- Internetprovider (im Gegensatz zum WWW), sondern hauptsächlich das Netz
- der vielen privaten, nicht kommerziellen Newsserver. Allerdings holt
- mittlerweile das WWW in diesem Punkt stark auf.
- Der "Geist des Netzes" bildet sich hierbei u.a. ab in der Formulierung
- technischer Richtlinien und Standards und der Einhaltung derselben, in
- den Administrationskonzepten, in dem netzkonformen Handeln der
- Serveradmins, in den FAQs, in öffentlichen Abstimmungen etc. und nicht
- zuletzt und besonders auch in den Umgangsformen.
- Die sogenannte Netiquette (wer mehr dazu wissen möchte, siehe [2]) ist
- hierbei weit mehr als ein Anstandsführer oder Netz-Knigge. Die
- Netiquette ist vielmehr die Klammer, welche das Netz zusammenhält und
- ohne die das Netz nicht funktionieren würde, ja auch das WWW!
- Die Netiquette hat sich aus einer Netz-Ethik heraus entwickelt, die
- jedoch ein hohes Maß an Eigenverantwortung erfordert. Folgende
- Verhaltensweisen werden hierbei als unethisch aufgefasst:
- + unauthorisierter Zugriff auf Ressourcen des Internets
- + Stören des bestimmungsgemäßen Gebrauchs des Internets
- + Verschwenden von Ressourcen (Menschen, Netzkapazität, Computer)
- + Zerstören der Datenintegrität
- + Beeinträchtigen der Privatsphäre anderer User
- Subsumiert lässt sich das auf "Begehe im Netz keine Straftaten und
- behandle andere so, wie du gerne behandelt werden möchtest!"
- herunterbrechen. Noch heute gilt (zumindest im Usenet) das Credo:
- ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
- |Access to and use of the Internet is a privilege and |
- |should be treated as such by all users of this system.|
- ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
- Ein weiteres wesentliches Prinzip war und ist das Robustheitsprinzip[3].
- ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
- | Be conservative in what you do, be liberal in what you accept from others|
- ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
- Aber was hat das alles mit den Wurzeln der Piraten zu tun? Das Usenet
- hat harte Kämpfe ausgefochten. Zum einen hat die Politik immer wieder
- (erfolglos) versucht, Einfluss auf die Inhalte zu nehmen oder sich zur
- Durchsetzung von Zensurmaßnahmen der Struktur zu bemächtigen.
- Zum anderen war das Usenet, das sich seit jeher erfolgreich
- kommerziellen Interessen widersetzt hat, ein Dorn im Auge der
- Wirtschaft und hier besonders den großen gewerbliche Netzbetreibern
- und vor allem der Medienwirtschaft.
- Letztlich bot im Zuge der Entwicklung des Netzes das World Wide Web
- (WWW) sowohl der Politik, als auch der Wirtschaft, genau das, was sie
- wollten, nämlich massive Einflussnahme -- und dies auf allen Ebenen.
- Neben dem txt-Usenet gibt es auch noch das Binary-Usenet. Es gab dieses
- schon seit Anbeginn des Usenets so um 1982. Allerdings waren
- Binary-Files aufgrund der Datenmenge und der seinerzeit knappen
- Netzressourcen (Übertragungs- und Speicherkapazitäten), der hohen
- Kosten (eine kurze E-Mail nach Übersee überstieg die Kosten für ein
- Telegramm) und des Redundanzprinzips des Newsserververbundes nicht
- gerne gesehen. Die Contentindustrie wusste zwar sehr wohl, dass
- irgendwo in den dunklen Ecken des Netzes irgendwelche Files getauscht
- wurden, aber mangels Netzkompetenz war ihr nie wirklich klar, in
- welchem Umfang (und der war trotz aller Hindernisse recht erheblich)
- stattgefunden hatte.
- Aufgrund der technischen Beschränkungen des Usenets wichen die User, die
- untereinander Binaries (Programmecodes, Musik-/Bild-/Videofiles)
- tauschten, mehrheitlich auf das WWW aus und entwickelten eigene
- Protokolle, um über soziale Netzwerke solche Dateitransfers durchführen
- zu können.
- Mit einem Mal wurde die Wirtschaft, die das WWW gleichsam für sich
- reklamiert und okkupiert hatte -- allen voran die
- Contentindustrie, sehr hellhörig.
- Im Verbund mit der Politik wurde mit immer rigideren Mitteln versucht,
- das Netz in ihrem Sinne zu "verrechtlichen", Dateitransfers zu verhindern,
- die User zu überwachen, zu zensieren, zu kriminalisieren und mit hohen
- Strafen zu belegen.
- Sowohl Politik, als auch die Contentindustrie, verstießen hierbei gegen
- jegliche Grundsätze, die sich im Netz ausgebildet hatten. Es waren
- nicht nur die Tauschbörsen in Gefahr, sondern die Integrität des Netzes
- insgesamt war in Gefahr (und ist es momentan mehr als jemals zuvor!).
- Dies war letztlich die Geburtsstunde der Piratenbewegung, die die
- elektronische Kopie aus guten Gründen als Kulturtechnik verstanden
- hatte und die mit dem Prinzip des Sharings, der Zensurfreiheit, der
- Netzneutralität u.v.a.m. gleichsam mit der Muttermilch groß geworden
- war. Die Bemühungen von Politik und Wirtschaft, das Netz unter ihre
- Fuchtel und alleinigen Kontrolle zu bekommen, musste letztlich massiven
- Widerstand erzeugen, es konnte gar nicht anders sein!
- 3. Die Gegenwart verwirrt uns -- ein Lagebild
- ==============================================
- Der Kern der Piratenbewegung besteht (wie o.a. angerissen) aus Admins,
- Programmierern und Serverbetreibern, usw. Sie sind im Geist des Netzes,
- des "Spirit of Community", großgeworden. Eine Generation von Admins,
- Netzspezialisten und Programmierern hat der nächsten IT-Generation die
- "Bibel" des Netzes vermittelt. Die IT-Intelligenz bildet heute das
- Rückgrat der Piratenbewegung, ohne welche die PIRATEN mangels
- technischer Kompetenz in sich zusammenbrechen würden.
- Wie ausgeführt ist die technische Ebene einerseits durch ein hohes Maß
- liberalen, aber konservativen Denkens/Handelns geprägt (Robustness-Prinzip)
- und andererseits durch eine gehörige Portion Pragmatismus, der oftmals
- gerade bei nicht netzaffinen Bürgern zu gewissen Irritationen führt.
- De facto wurden die Prinzipien, die das Netz zusammenhalten, auf die
- politische Ebene übertragen. So darf es nicht wundern, dass sich das
- Rückgrat der Piratenbewegung auch politisch im liberal-konservativen
- Lager befindet.
- Es darf auch nicht wundern, dass ein Rahmen ähnlich der Netiquette
- gesucht wurde, der die Politik zusammenhalten soll und dieser Rahmen im
- Grundgesetz und den Menschenrechten verortet wurde.
- Es ist geradewegs so, dass bei den "Kernies" der deutschen Piratenpartei
- das Grundgesetz zur Bibel erklärt wurde und dem Bundesverfassungsgericht
- als oberste Priesterschaft geradezu demütig gehuldigt wird.
- Denn auch das Netz kennt ein Kastenwesen, das jedoch nur unterschwellig
- und bei genauerem Hinsehen zu Tage tritt: Die Oberprieser sind hierbei
- diejenigen, die eine eigene Netzinfrastruktur vorhalten. Sie arbeiten im
- Stillen und sehen zu, dass der Laden läuft. Die nächstniedere Kaste ist
- diejenige der Netzaktivisten, der Hacker, der populären Blogger... Und
- dann kommt lange nix und dann der gewöhnliche User, der seinen
- Interessen im Netz nachgeht.
- Die eigentlichen Götter des Netzes sind jedoch die Kabel- und
- Backbone-Betreiber -- die großen Carrier.
- Diese haben sich mittlerweile jedoch zu Problembären des Netzes
- gewandelt. Aufgrund wirtschaftlicher Interessen- und Monopolbildung
- konterkarieren sie immer mehr den Netzgedanken eines Lickliders!
- Irgendwelche Investoren, denen das Netz als sozialer Raum vollkommen
- egal ist, die im Netz auch nicht sozialisiert sind, die im Netz nur eine
- Gelddruckmaschine sehen, genau die sind die eigentlichen Herren der
- Macht und genau die sind momentan dabei, das eherne Gesetz der
- Netzneutralität auszuhebeln und Deep Packet Inspection als Mittel zur
- Wahl und Kontrolle des Contents anzuwenden!
- Schaut man hinter die Investoren, so erblickt man allzu oft, es
- verwundert nicht, die Contentindustrie, z.B. von Film und Fernsehen.
- Die monopolähnlichen Strukturen bei den Leitungsbetreibern und Carriern
- sind neben der Politik und der Contentindustrie die größte Gefahr für
- ein freies Netz.
- Wie nun das Netz, vor allem das Usenet, offen gegenüber allen Usern war
- (und ist), so sind auch die Parteistrukturen der Piraten offen. Und wie
- seinerzeit im Usenet mit AOL auf einmal Massen an Usern eingefallen sind
- und mangels Kompetenz große Probleme verursacht hatten, so haben nach
- den ersten Erfolgen der PIRATEN Massen an interessierten Bürgern die
- PIRATEN geflutet.
- Die Netzkompetenz trat in den Hintergrund, das Meinungsspektrum
- erweiterte sich bis zu den extremen Rändern auf der linken wie der
- rechten Seite.
- Mangelnde Netzkompetenz und mangelnde Sozialisation im Netz machen heute
- den Piraten das Leben schwer. Weder der Bürger, der mit Müh' und Not
- eine Suchmaschine oder seinen E-Mail-Client (sofern überhaupt vorhanden)
- bedienen kann, noch die Medien, allen voran Journalisten, die ich in
- Masse für wenig netzkompetent halte, können die Probleme verstehen, die
- sich durch ein solch offenes System, welches kaum Kontrollinstanzen oder
- Eingriffsmöglichkeiten bereithält, geradezu zwangsläufig ergeben
- müssen.
- Die PIRATEN sind zum anderen durch den Ansturm überrascht worden und
- aufgrund notorisch klammer Kassen, die einem ungerechten
- Parteienfinanzierungssystem geschuldet sind, kommt der Aufbau unbedingt
- notwendiger Infrastruktur nur langsam voran. Das geht los bei
- verwaltenden Tätigkeiten, des Unterhalts und Betriebs der gesamten
- IT-Infrastruktur und hört bei "Einnordungs-"/Einweisungsstationen, die
- Interessenten und neue Mitglieder erst einmal absolvieren sollten, ehe
- sie die Infrastruktur der Piratenpartei nutzen dürfen, nicht auf.
- Es ist versäumt worden, rechtzeitig Regularien einzuführen, die ein
- reibungsfreies Miteinander ermöglichen. Es ist auch versäumt worden,
- Interessenten klarzumachen, dass die Piraten keine Wutbürgerpartei
- sind, bei der jeder seinen Frust abladen kann.
- Diese Versäumnisse sind jedoch der prinzipiellen Einstellung von
- Netzbürgern geschuldet, die erwartet haben, dass sich politisch
- interessierte Bürger ebenso an diese Regeln halten.
- Kurzum, die Piratenpartei spiegelt heute ein Kaleidoskop der
- verschiedensten politischen Richtungen wider. Dies frustet nicht nur den
- Kern der IT'ler und hat in Folge auch zu Austritten von "Kernies"
- geführt, es frustet die gesamte Partei, da eine Schwerpunktbildung und
- ein Konsens nur schwer möglich scheint. Der Netzgedanke ist hierbei
- zudem immer mehr zugunsten sozialer Themen in den Hintergrund gerückt.
- Unter diesem Spannungsfeld kann die Piratenpartei jederzeit zerbrechen,
- wenn es den Vorstandschaften aller Ebenen nicht gelingt, die
- "Rasselbande" zu bändigen.
- Zusätzliche und nicht unerhebliche Probleme schaffen sogenannte U-Boote,
- die vermutlich in eigener Mission die Partei unterwandern und Internas
- nach außen breittreten und damit letztlich genüsslich dem Ansehen und
- auch dem Anliegen der Piraten großen Schaden zufügen. Es wird hierbei
- vor keinem Mittel zurückgeschreckt, sei es Namensfaking prominenter
- Mitglieder oder seien es gezielte Indiskretionen und Platzieren von
- Nachrichten bei den Medien, was auch immer.
- Nachdem aufgrund des vermittelten Eindrucks die Zustimmung beim Bürger
- mittlerweile kaum mehr wahrnehmbar ist und so manches
- Regenbogenboulevar aus Eigeninteresse sein Heil in einem munteren
- Piratenbashing sucht, befindet sich die Piratenpartei zur Zeit in einer
- Art Schockstarre -- und diese macht auch vor den meisten Vorstandschaften
- nicht halt.
- Notwendig wäre es, das Interesse aller Mitglieder wieder auf wenige
- Kernthemen zu konzentrieren, um auf diese Art und Weise wenigstens
- einen gewissen Konsens erzielen zu können. Sehr wahrscheinlich wird
- dieses nicht gelingen, da Dogmatiker des linken und des grünen Flügels
- die Partei für sich zu vereinnahmen suchen und vielen das Netz (gelinde
- gesagt) am Arsch vorbeigeht.
- 4. Die Zukunft ängstigt uns -- Ausblicke und Perspektiven
- ==========================================================
- Die Politiker aller Parteien sind sich im Grunde einig, dass das
- derzeitige demokratische System verkrustet ist und keinen müden Hund
- mehr hinter dem Ofen hervorlockt.
- Alle Parteien beklagen die "Wahlmüdigkeit" der Bürger, wissen jedoch
- nicht wirklich, wie sie in einer immer komplexer werdenden und global
- vernetzen Welt, ihre Inhalte vermitteln und ihr Profil schärfen können.
- Sie stehen im Grunde ratlos dem Phänomen steigenden gesellschaftlichen
- Engagements in informellen Gruppen (Social Networks) bei gleichzeitig
- bestehenden Nachwuchsproblemen in politischen Parteien gegenüber.
- Sie wundern sich nicht nur über den Wutbürger, sondern es herrscht ein
- hohes Maß an Unsicherheit, ja Angst vor "marodierenden Horden". Aber
- sie wissen kein Rezept, diese Bürger zufriedenzustellen.
- Als einziges Gegenmittel sehen sie ihr Heil in einer möglichst
- lückenlosen Überwachung der Bürger und in einer Ausweitung von
- Eingriffsrechten der Exekutive, wie Polizei und Dienste. Sie lassen in
- einer permanent steigenden Flut Gesetze und Verordnungen herabregnen, um
- den Bürger zu reglementieren.
- Last not least versuchen sie, die Informationshoheit, z.B durch den
- Ausbau der öffentlich-rechtlichen Sender nebst Zwangssteuer, die
- Informationshoheit zu erlangen und sich zudem schamlos im Einklang mit
- Wirtschaftslobbies im globalen Maßstab des Netzes zu bemächtigen.
- Wie groß die Angst und das Misstrauen der Herren der Macht gegenüber dem
- Bürger und vor Volksaufständen ist, beweist das Durchdrücken von
- grundgesetzwidrigen Gesetzen wie der Einsatz der Bundeswehr im Inneren
- gegen die eigene Bevölkerung.
- Die Väter des Grundgesetzes würden sich im Grabe umdrehen -- auch weil
- das Bundesverfassunggericht dieses nicht rigoros verworfen hat, sondern
- umgefallen ist und ein Einfallstor gegen die Grundsätze des Grundgesetz
- geschaffen hat!
- Die Lösung ist einfach und zugleich unglaublich schwer. Das Prinzip, wie
- es funktionieren könnte, hat die Piratenpartei gezeigt. Tatsächlich stellt
- die Piratenbewegung den Versuch dar, gesellschaftlichen Fortschritt ohne
- gewalttätige Revolution zu ermöglichen.
- Nun ginge es an die Feinarbeit, wie das Erstellen von Tools, die dem
- Bürger ermöglichen, sozusagen von der Couch aus aktiv am politischen
- Geschehen teilzunehmen, oder das Schaffen von Weiterbildungsinstitutionen,
- in denen Netz- und soziale Kompetenz, das Tragen von Verantwortung,
- Selbstmotivation, usw. erlernt und eingeübt werden können.
- Diese Aufgabe kann allerdings nicht allein von den PIRATEN gelöst werden,
- da sie momentan selbst alle Hände voll zu tun haben, genannte Kompetenzen
- parteiintern zu vermitteln. Vielmehr kann dies Aufgabe nur
- gesamtgesellschaftlich gelöst werden und dies setzt den Willen aller
- politischen Parteien und natürlich der Bürger voraus.
- 5. Empfehlungen an die Piratenpartei
- ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
- 5.1. Reset
- +----------
- Der Piratenpartei kann ich lediglich empfehlen, einen Reset
- durchzuführen. Im einzelnen heißt dies, dass man sich von politischen
- Gruppierungen, die nicht integrierbar sind, trennen muss.
- Ich bezweifle, dass eine Neuwahl des Bundesvorstandes alleine als
- vereinendes Element ausreichen wird. Ich kann nur dringend empfehlen,
- Themen, die spalten, wenigstens solange auszuklammern, bis sich die
- Lage wieder beruhigt hat und bis sich Strukturen gefestigt haben
- und vor allem wieder ein Mindestmaß gegenseitigen Vertrauens gegeben
- ist (das BTW nicht vom Himmel gefallen kommt).
- 5.2. Schutz der Infrastruktur
- +------------------------------
- Als weiteres muss meiner Ansicht nach vorübergehend die Infrastrukur der
- Partei besser geschützt werden. Konkret bedeutet dies, dass der
- schreibende Zugang zu Mailinglisten, Pads, Wikis etc ausschließlich
- Interessenten vorbehalten bleibt, die entweder Parteimitglieder sind
- oder unter verifizierten Klarnamen einen Account beantragen (natürlich
- können sich diese dann unter Pseudonym zu Wort melden, jedoch können sie
- im Fall von Störungen des Parteibetriebs leichter ausgeschlossen werden
- als bisher).
- Ja, die Partei muss jetzt enger zusammenrücken und sich ein wenig
- abschotten, damit sie, sobald die notwendige Infrastruktur geschaffen
- wurde, offen für alle sein kann. Ein Schiff, das im Sturm offen für
- alles ist, wird sinken, sofern es nicht strukturell abgesichert ist.
- 5.3. Umgang mit Neumitgliedern
- +------------------------------
- Neumitglieder müssen viel besser als bisher eingewiesen und informiert
- werden. Letztlich macht die hohe, oftmals frustbedingte Fluktuation mehr
- Arbeit, als diese einmal richtig zu erledigen.
- Verantwortlich sind hierbei in erster Linie die Verbände auf Kreis- oder
- Bezirksebene. Zudem sind diese von den Landesverbänden massiv zu
- unterstützen. sobald es die finanzielle und personelle Situation
- irgendwie zulässt.
- 5.4. Ältestenrat
- +----------------
- Ich halte weiterhin die Einrichtung eines Ältestenrates, besetzt
- Mitgliedern aller Landesverbände, für sinnvoll. Dieser kann die Arbeit
- der Vorstände in vielerlei Hinsicht unterstützen und zwischen allen
- Seiten vermitteln.
- 5.5. Programmatik
- +-----------------
- Die Piratenpartei muss sich viel eingehender als bisher mit
- grundlegenden Begriffen wie Freiheit, Verantwortung, Transparenz,
- gesellschaftliche Teilhabe, Demokratie, etc auseinandersetzen. Gerade
- das Fehlen eines gemeinsamen Konsenses darüber führt zu vehementen
- Spannungen innerhalb der Partei.
- 5.6 Konsenssysteme, statt Kampfabstimmungsinstrumente
- +------------------------------------------------------
- Die Partei sollte sich von Abstimmsystemen wie LQFB verabschieden, da
- diese de facto eine Kampfabstimmung implizieren. Dies führt zu einem
- Ausbleiben von Konsens bzw. Kompromißlösungen und somit zu ständigen
- Reibereien.
- Die Verlierer einer solchen Abstimmung beugen sich regelmäßig eben
- nicht dem Mehrheitsvotum, sondern versuchen es wieder und immer wieder
- auf allen möglichen Kanälen.
- Dies gilt auch für Parteitage. Auch hier sollten solche Konsens-/
- Kompromissfindingstools wo immer möglich eingesetzt werden.
- Kurzum:
- a) Konsensbildung vor Mehrheitsentscheidungen.
- b) Qualität vor Quantität
- 5.7 Status der AG als Parteiorgan
- +---------------------------------
- Den AGs sollte der Status als Parteiorgan, sozusagen als Fachausschuss,
- zuerkannt werden. Die gesamte Parteiarbeit krank daran, dass dieses bis
- jetzt nicht erfolgt ist. Vorschläge wurden schon mehr als genug dazu
- unterbreitet.
- 5.8. Vorstandsarbeit
- +-------------------
- Der BuVo ist verbrannt -- nach außen wie nach innen hin -- und sollte
- möglichst schnell neu gewählt werden.
- Es geistert wieder die Idee herum, dass der Vorstand zu groß sei. Ich
- kann nur davor warnen, gerade während des anstehenden Wahlkampfes,
- dessen Ausgang wohl wesentlich über das Schicksal der Piratenpartei
- entscheiden wird, die Anzahl der BuVo-Mitglieder zu verkleinern. Der
- Vorstand braucht in solchen Zeiten jede verläßliche Hand und jeden
- mitdenkenden Kopf!
- Jeder Vorstand ist auch ein politischer Vorstand und nicht allein ein
- Verwaltungshengst! Er muss politisch sein, weil er sozusagen die
- Speerspitze der Partei ist. Seine Aufgabe ist es, die Meinung der Basis
- auf den Punkt zu bringen und zum einen der Öffentlichkeit zu vermitteln,
- und zum anderen dito den Fraktionen (und diesen ggf auch mal ins Kreuz
- zu treten, soviel Hintern in der Hose muss sein!).
- Das derzeitige Prozedere der Pressehoheit des Vorstandes widerspricht
- dem Grundgedanken der Partei. Hier müssen andere, breitere Regularien
- geschaffen werden -- und zwar schnellstens!
- Die Vorstandsschaften sollten nicht als Verkündungsvorstände werkeln.
- Die Vorstandssitzungen sind oftmals eine Karikatur dessen, was man unter
- basisnaher Arbeit versteht. Ja, auch während einer Vorstandssitzung kann
- man sich bei strittigen Fragen ein Meinungsbild von den Zuhörern holen.
- Das Beauftragungsunwesen ist transparenter zu gestalten, die
- Qualifikationskriterien sind in der Ausschreibung klar zu benennen, die
- Entscheidung für einen Bewerber ist hinterher zu begründen.
- 4.9 Wahlkampf
- +------------
- Der Einzug in den Bundestag steht oder fällt mit den Ergebnis der
- Landtagswahl in Bayern! Alle verfügbaren Kräfte aus allen Landesverbänden,
- insbesondere jedoch alle Bundestagskandidaten und Vorstandschaften
- müssen die bayerische Landtagswahl personell und materiell unterstützen.
- In der bayerischen Landtagswahl sollten mit Schwerpunkt bayerische
- Themen vermittelt werden. Die Piratenpartei muss hierbei als Ganzes
- all ihre Pressekontakte nutzen. Anzeigenwerbung in der Totholzpresse könnte
- dies zusätzlich wirkungsvoll unterstützen und auch den Willen erkennbar
- werden lassen, dass die PIRATEN bereit sind, auch mit den Printmedien
- zusammenzuarbeiten.
- Ich habe eure Aufmerksamkeit nun über Gebühr in Anspruch genommen. Es
- würde mich freuen, wenn die ein oder andere Anregung hilfreich wäre und
- wenn der ein oder andere Pressemensch ein wenig nachdenklicher in seiner
- Beurteilung bezüglich der Piratenbewegung geworden wäre.
- HM
- 6. Fussnoten:
- ==============
- [1] <http://usenet-moderation.net/man_computer-symbiosis.htm>
- [2] <http://usenet-moderation.net/netiquette_1_der_begriff.htm>
- und ff. Unterseiten
- Eine Einführung und Herleitung der Netiquette, leider noch nicht
- ganz fertig, da ich mich momentan an einem Wälzer abarbeite, der
- die Geschichte des Usenets, des Netzes schlechthin, darstellen
- soll. Ich hoffe, dass ich das Teil noch in diesem Jahr fertigstellen
- werde)
- [3] <http://en.wikipedia.org/wiki/Robustness_principle>
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