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Nachruf auf George Bush

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Dec 30th, 2012
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  1. 30.12.2012
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  3. Zum Tode des 41. US-Präsidenten Der bessere Bush
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  5. Ein Nachruf von Marc Pitzke, New York
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  7. Er war Sohn eines Senators und kämpfte sich bis ins Weiße Haus, er befahl den zweiten Irakkrieg und verkündetet eine "Neue Weltordnung" nach dem Mauerfall - trotzdem galt George Bush Sr. als farbloser Politiker. Erst der Vergleich zu seinem Sohn offenbarte, wie gut es die Amerikaner mit ihm hatten.
  8. Info
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  10. Manche Präsidenten gewinnen erst im Ruhestand so richtig an Statur. Jimmy Carter, als Versager abgewählt, hat sich seither als humanitäres Gewissen der Welt einen Namen gemacht. Bill Clinton scheint als Privatier heute oft mehr Einfluss auszuüben als im Oval Office.
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  12. Auch der gute Ruf von Clintons Vorgänger George H. W. Bush entstand erst nach seinem Ausscheiden aus dem Amt. "Newsweek" hatte ihn einen "Schwächling" gennant, noch bevor er seine Kandidatur verkündet hatte. Selbst nach dem Golfkrieg von 1991 galt er als farblos. Sein Wahlversprechen, nie die Steuern zu erhöhen, wurde ihm schließlich zum politischen Verhängnis, als er es notgedrungen brach.
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  14. Zuletzt aber wurde "Bush I." zu einer gütigen, fast sogar geliebten Figur verklärt. Was er sicher auch dem Vergleich zu seinem Sohn George W. Bush zu verdanken hatte, der die Nation nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 in eine düstere Ära von Folter und Endloskrieg taumeln ließ. Wie unschuldig die Zeiten unter Bush Senior gewesen waren, das merkten die Amerikaner erst viel später.
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  16. Und sie merken es auch jetzt wieder, in den ersten, fast schon elegischen Nachrufen. George Herbert Walker Bush, der 88-jährige Patriarch der Polit-Dynastie, starb am xxx in Houston nach längerer Krankheit.
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  18. Dass "der erste Bush" besser war als der von der nächsten Generation demontierte Familienname heute klingt, ist gerade jetzt wieder Thema, in der aktuellen Debatte ums US-Waffenrecht. Da kursierte ein Brief von 1995, mit dem der Republikaner empört aus der Waffenlobby NRA ausgetreten war, weil sie die Opfer des Bombenanschlags auf ein Regierungsgebäude in Oklahoma City damals als "Nazis" beschimpft hatte: "Bitte entfernen Sie meinen Namen aus der Mitgliedsliste."
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  20. Präsidentschaft im Schatten großer internationaler Umbrüche
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  22. Ein typischer Schritt - und ebenso erst im Nachhinein gewürdigt. Bush wurde nach nur einer Amtszeit wieder abgewählt, anders als Vorgänger Ronald Reagan und alle Nachfolger seitdem. Seine relativ kurze Präsidentschaft (1989-1993) stand im Schatten großer internationaler Umbrüche wie des Mauerfalls.
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  24. Dabei schien ihn das Leben fürs Weiße Haus prädestiniert zu haben: Sohn eines Senators, Elitestudent, Kongressabgeordneter, Uno-Emissär, Parteichef, China-Botschafter, CIA-Direktor, Vizepräsident. Dass die Präsidenten, denen er dabei diente, oft ethisch fragwürdig regierten, sollte ihm wenig anhaben. Von Richard Nixon sagte er sich im Watergate-Skandal los, und von Reagans Iran-Contra-Verwicklungen wollte er nichts gewusst haben.
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  26. Nach außen hin war Bush der Eindruck der Integrität wichtig - ein Eindruck, der in Washington schon damals aus der Mode kam.
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  28. Es war denn auch die Außenpolitik, in der er sich am wohlsten fühlte. Als Reagans Vize und zuvor als Botschafter hatte er diplomatisches Gespür gewonnen, das er dann als Präsident clever einsetzte - namentlich beim Golfkrieg.
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  30. Als Iraks Diktator Saddam Hussein 1990 in Kuwait einmarschierte, schlug der 41. Präsident der Vereinigten Staaten militärisch zurück - nicht nur zur Verteidigung des US-Partners, sondern auch aus Sorge um das Öl des benachbarten Saudi-Arabien. Seinen guten Kontakten in aller Welt verdankte er es, dass sich eine breite Koalition hinter die "Operation Wüstensturm" stellte. Seit 1945 war der Uno-Sicherheitsrat nicht so geschlossen gewesen.
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  32. Wohl auch deshalb, weil Bush die Krise als Konflikt von "Gut und Böse" überzeichnete, der die "neue Weltordnung" nach dem Mauerfall bedrohe. Immer wieder verglich er Hussein mit Hitler: "Schon im Zweiten Weltkrieg bezahlte die Welt teuer, dass sie einem Agressor Zugeständnisse machte, der hätte gestoppt werden können."
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  34. Worte, die geprägt waren von Bushs eigenen Erfahrungen damals. Nach dem Angriff der Japaner auf Pearl Harbor 1941 hatte er seine College-Pläne auf Eis gelegt und sich statt dessen an seinem 18. Geburtstag bei der Marine verpflichtet, als jüngster Navy-Flieger. Es war nicht der einzige Unterschied zu seinem Sohn, der später den Vietnam-Dienst umging.
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  36. "Ich ziehe es vor, an Frieden zu denken statt an Krieg"
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  38. Vielleicht wollte Bush Jr. das Schicksal von Bush Sr. vermeiden. Der war im September 1944 über den japanischen Bonininseln abgeschossen worden. Die beiden anderen Crewmitglieder kamen um, Bush selbst wurde nach vier Stunden im Schlauchboot gerettet.
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  40. "Ich ziehe es vor, an Frieden zu denken statt an Krieg", sagte Bush am 16. Januar 1991 in seiner TV-Rede zu Beginn des Golfkriegs. Weshalb der auch eine enge Zielvorgabe hatte - Kuwaits Befreiung, aber nicht Husseins Sturz.
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  42. Gemessen daran war die Operation tatsächlich erfolgreich. Die Bodenoffensive, die vom erst kürzlich verstorbenen General Norman Schwarzkopf geführte Operation "Desert Storm" - dauerte exakt 100 Stunden. Am 27. Februar 1991 waren Husseins Truppen aus Kuwait vertrieben, kaum sechs Wochen nach Beginn des Krieges.
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  44. Doch manchen in der Bush-Regierung reichte das nicht: Sie hatten Hussein ganz loswerden wollen. Kein Zufall also, dass viele der Akteure von damals - allen voran Verteidigungsminister Dick Cheney und sein Staatssekretär, der Neocon-Protagonist Paul Wolfowitz - später den Irak-Krieg George W. Bushs vorantrieben.
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  46. Der Senior sah das mit gemischten Gefühlen. "In den letzten Monaten hat mich keiner gefragt, warum wir nicht nach Bagdad gegangen sind", beschwerte er sich 2007, als der Irak im Aufstand versank. Dabei habe er eine "ziemlich gute Vorstellung, weshalb man Bagdad immer mit Vorbehalt sehen sollte".
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  48. Weisheit des Vaters, Torheit des Sohnes. Dabei hatte sich auch der Ältere seinerzeit kaum als Visionär hervorgetan. Innenpolitisch gilt seine Amtszeit allenfalls als Puffer zwischen dem charismatischen Reagan und dem chaotischen Clinton. Trotz der Umweltzschutzgesetze, die Bush durchbrachte. Trotz der Rassenunruhen von Los Angeles, die ihn 1992 zu einer dramatischen Rede an die Nation veranlassten.
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  50. Nein: Das Einzige, an das sich viele Amerikaner heute erinnern, waren Bushs Fauxpas. Etwa als er sich 1992 bei einem Bankett im Haus des japanischen Ministerpräsidenten Kiichi Miyazawa vor laufenden Kameras übergab. Auch die vielen Ausrutscher des Bush-Vizes Dan Quayle waren wenig hilfreich.
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  52. Am nachhaltigsten blieb jedoch Bushs Wahlversprechen von 1988 im Gefächtnis: "Read my lips: no new taxes." In dem Moment, da er diesen Schwur brechen musste, wegen der kränkelnden Konjunktur und eines demokratisch beherrschten Kongresses, war sein politische Ende besiegelt. Bei der Wahl 1992 deklassierte Clinton ihn mit 43 zu 38 Prozent. 19 Prozent gingen an den Milliardär Ross Perot, der als Unabhängiger kandidierte.
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  54. Seine einst weite Welt reduzierte sich auf die Familienanwesen
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  56. Wie sehr ihn das schmerzte und wie sehr er Perot dafür verantwortlich machte, offenbarte Bush erst diesen Sommer. Als ihn Filmemacher Jeffrey Roth für das Bush-Porträt "41" auf HBO nach Perot fragte, sagte er nur: "Er hat mich die Wahl gekostet, und ich mag ihn nicht."
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  58. Die plötzliche Bedeutungslosigkeit belastete BushAuch das sprach er erstmals in "41" an: "Ich kann keine Sportarten mehr treiben, die ich mein ganzes Leben getrieben habe, keiner will mich mehr im Team haben", sagte er da. "Das ist eine Metapher. Aber ich vermisse es."
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  60. Seine einst weite Welt reduzierte sich auf die Familienanwesen in Maine (im Sommer) und Texas (im Winter). Nur langsam freundete er sich mit dem Pensionärsleben an, verbündete sich zum Beispiel mit dem früheren Rivalen Clinton zu Spendenaktionen für die Opfer des Hurrikans "Katrina" und des Erdbebens in Haiti.
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  62. Die Zusammenarbeit mit anderen Ex-Präsidenten tröstete ihn: Er habe "viel Spaß" dabei, sagte er "Time" 2011 - "so lange es keine Beerdigung" sei.
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  64. "Ich dachte nie, dass ich in der Chronologie so weit kommen würde", gestand er seiner Enkelin Jenna Bush in seinem letzten NBC-Geburtstagsinterview, bei dem ihm die Tränen kamen. "Ich bin sicher, dass ich vieles hätte besser machen können, aber es war eine erfüllende Zeit." Störe ihn das Alter? "Alt werden ist okay. Besser als die Alternative."
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