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Karl Dall

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Dec 7th, 2013
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  1. Der Fall Dall: Jetzt redet die Frau, die ihn angezeigt hat
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  3. Bild am Sonntag
  4. Von MARC-ANDRÉ RÜSSAU
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  6. Ein paar Kilometer vom Wohnort von Manon S. (Name geändert) entfernt erhebt sich ein Berg, dessen Spitze in den Wolken zu verschwinden scheint. Wenn man oben steht, nahe dem Gipfel, kann man in die warme Wintersonne blinzeln. Unter einem ist die Welt zugedeckt vom Nebel und dem schlechten Wetter.
  7.  
  8. Vergangene Woche, nachdem sie sich tagelang nicht aus dem Haus getraut hatte, weil etliche Presseleute vor der Tür standen, wanderte Manon S. dort hoch. „Ich stand da und fand zum ersten Mal, seitdem das passiert ist, wieder etwas wunderschön. Ich dachte mir, die Welt ist ein Wunder und das Leben doch lebenswert“, sagt die 43-Jährige.
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  10. Manon S. spricht das Wort „Vergewaltigung“ selten aus. Sie sagt: „Was passiert ist.“ Sie sagt: „Was Herr Dall gemacht hat.“
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  12. Ich wurde vergewaltigt. Da ist man Objekt. Da passiert etwas mit dem Ich, mit dem Ego. Das klingt so wehrlos. Bis Manon S. zur Polizei gegangen ist, um dort zu sagen: „Ich wurde vergewaltigt“, vergingen mehrere Wochen. Sie ging, sagt sie, nicht zur Polizeistation in ihrem kleinen Schweizer Wohnort, sondern in einer anderen Stadt: „Bei mir im Ort kennen mich doch alle, ich habe mich geschämt.“
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  14. Warum hat es so lange gedauert?
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  16. „Ich war die Wochen nach der Tat wie in Watte gepackt, habe kaum was um mich herum mitbekommen“, sagt die Journalistin, „wenn ich an die Nacht gedacht habe, an Dall, da hat es mich geschüttelt, weil ich mich so geekelt habe. Ich wollte darüber nicht mit Fremden sprechen.“
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  18. Am 3. November wurde Karl Dall in St. Gallen festgenommen, blieb 4 Tage in Untersuchungshaft. Er bestreitet die Vorwürfe von Manon S.
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  20. Es ist viel darüber bekannt, wie es Herrn Dall in den vergangenen Wochen gegangen ist. Er gab Interviews, erzählte, wie die vier Tage im Gefängnis waren (7 Zigaretten pro Tag), dass er jetzt Angst habe um sein Lebenswerk, dass die Karriere kaputt sein könnte. Wer das liest, bekommt Mitleid mit dem alten Mann.
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  22. Darüber, wie es Manon S. in den letzten Wochen ging, darüber stand bisher nichts in den Zeitungen. „Nachts, da ist das wieder. Da denkt man wieder darüber nach, obwohl man diese Erinnerung aus dem Gedächtnis verbannen will, kommt sie trotzdem immer wieder hoch“, sagt Manon S. Mehr will sie über die Bilder der Nacht, die kommen, wenn sie wach liegt, nicht sagen.
  23.  
  24. Nur zwei Menschen, Manon S. und Karl Dall, wissen, was in der Nacht passiert ist. Aber eine Meinung haben viele Menschen. Jörg Kachelmann, der selbst wegen Vergewaltigung vor Gericht stand (Freispruch wegen Zweifeln am Tatvorwurf), sagt in einem Interview, der Fall wirke auf ihn wie eine typische Falschbeschuldigung. Er traue Karl Dall eine solche Tat nicht zu. Aufgrund seiner, und das genügt in so einer Diskussion offenbar als Argument, persönlichen Begegnungen mit Dall.
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  26. Andere Zeitungen recherchieren im Vorleben von Manon S., zeichnen das Bild einer labilen Frau. Manon S.: „Ich finde es ungeheuerlich, was man heute unter dem Wort Pressefreiheit versteht, da maßen sich Menschen an, die mich nicht kennen, öffentlich ein psychologisches Gutachten über mich zu erstellen. Durch das Internet werden so Unwahrheiten dann unwahrscheinlich schnell verbreitet – Unwahrheiten, die Menschen an den Rand der Verzweiflung bringen können.“
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  28. Die erste Morddrohung steht auf einer Karl-Dall-Fanseite. Seit sie das weiß, liest Manon S. nicht mehr, was im Internet über sie geschrieben wird.
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  30. Was ist in der Nacht passiert?
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  32. Manon S. will nicht darüber sprechen, ihr Anwalt rät ab, das Verfahren läuft. Außerdem ist es ihr unangenehm. „Für mich war das auch ein alter Mann. Ich hätte doch nie damit gerechnet, dass er so was machen könnte. Ich war unvorsichtig. Dass ich seiner Bitte nachkam, in seine Hotelsuite zu kommen, war der größte Fehler meines Lebens.“
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  34. Das Schweizer Strafrecht kennt den Straftatbestand der Schändung, wenn sich ein Täter über ein wehrloses Opfer hermacht. Laut der Aussage von Manon S. bei der Staatsanwaltschaft begann die Vergewaltigung als Schändung, weil sie im Hotelzimmer von Karl Dall geschlafen habe, als er plötzlich in sie eingedrungen sei.
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  36. Nach der mutmaßlichen Tat, so sagt Manon S., habe ihr Karl Dall gedroht: „Er würde mich beruflich fertigmachen, wenn ich erzähle, was passiert ist.“
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  38. Sie verstehe Frauen, die sagen: Ich zeig so was nicht an. Das, was nach der Anzeige kommt, die Befragungen, das Misstrauen, sei zermürbend. Manon S.: „Ich weiß, dass der Weg noch hart wird. Und ich noch viel Kraft dazu brauche.“ Trotzdem bereue sie die Anzeige nicht: „Weil man doch nicht einfach so weiterleben kann, als sei nichts passiert.“
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  40. Das sei auch der Grund, warum sie sich durchgerungen habe, ein einziges Mal mit der Presse zu sprechen. Damit andere Frauen nicht denken: Wenn du eine Vergewaltigung anzeigst, darf dich der Mann öffentlich zur Täterin machen, ohne dass du dich wehren kannst.
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  42. In Kürze hat Manon S. einen Termin beim Arzt. Sie will einen HIV-Test machen. Vorher will sie dafür noch Kraft tanken, dazu wieder auf den Berg laufen, den Nebel zu Füßen.
  43.  
  44. Karl Dall bestreitet, dass es überhaupt zum Geschlechtsverkehr gekommen sei, man habe nur geredet. Manon S.: „Ich weiß mehr. Und Karl Dall weiß auch mehr. Noch niemand hat ihn gefragt, ob er nicht lieber die Wahrheit sagen möchte.“
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