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Mar 14th, 2017
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  1. Nach der Lese
  2. Ein grün belaubter Park mit Ententeichen und leeren Sonnenbänken lag hingestreckt im peitschenden April. Der kleine Junge hatte seine Gummistiefel und eine gelbe Thermo-Jacke mit einem plüschigen Löwenkopf auf dem Rücken an. Er hatte vergessen, Socken unter die Stiefel zu ziehen und so stahl sich ein Stück heller Waden unter seinen Hochwasserhosen ins Sichtfeld. Seine Schwester hielt ihn am Arm und zeigte auf die Enten, die für einen letzten Moment noch unter Schauern im Teich paddelten. Dann stürzte sich der Hund in ihre Richtung und sie waren mit Gequake und Geraschel auf und davon.
  3.  
  4. Der Junge hatte seinen Blick unter der Kapuze gesenkt und er hielt die Hand seiner Schwester mit aller Kraft fest. Er hatte sich nie viel um die Bäume oder den Park geschert aber er mochte die Regenpfützen, besonders die mit schlammigem Grund. Sehr ernst stapfte und stapfte er und erst wenn er eine Pfütze mit Tiefe und etwas Schlamm und am besten mit Reif vom Winter am Rand sah, stieß er seine Beine mit seiner vollen Kraft hinein. Es war ordinäres Kinderspiel, etwas übermütig in seinem heiligen Ernst vielleicht, aber dennoch hätten wohl viele den Kleinen wegen seiner Rücksichtslosigkeit hinsichtlich der Kleidung der Schwester gerügt. Diese Schwester hier sagte nichts, nahm es im Gegenteil sogar mit einem feinen Lächeln hin. „Schlurf nicht so, zieh nicht so die Schuhe nach“, ermahnte sie ihn unendlich sanft. Kurz zog der Junge einen Schmollmund, dann machte er weiter, nun mit etwas mehr federndem Auftritt. Er redete wenig und dann fordernd oder mit großem Vertrauen herumalbernd. Bei solchen Kleinen besteht zwischen Gedanken und Sprache ein unsagbar großer Spalt, ihre Sprachfähigkeit ist noch nicht wirklich als solche ausgebildet, denn es trennt sie nichts vom abwechselnden Schreien und Schmatzen des Säuglings. Es war aus diesem Grunde, dass die Schwester verwundert stockte als er fragte: „Wie war es, als ich noch ganz klein war?“ Die erste echte Frage und schon ist das Kind entschlüpft. Man ist Eltern eigentlich nur bis zu diesem Punkt. „Wir haben in dem großen Haus auf dem Hügel gewohnt, das weißt du doch.“
  5.  
  6. Der Junge nickte eifrig. „Und dann wollte Papa diese bequemere Wohnung in Hamburg und Mama und wir wollten es lieber ein bisschen ruhiger haben.“ Es war ihr erstes Mal und sie genoss es so mit ihm freundlich von oben herab zu reden. „Ich bin ja viel älter als du und ich hab seit ich klein war immer in dem großen Haus gelebt. Ich hab in der Siedlung meinen Führerschein gemacht. Auf dem Dachstuhl da liegen auch noch meine ganzen Kinderbücher.“ Sie blickte in den aufklarenden Himmel. „Es war echt schön da, ich nehme dich mal nochmal mit wenn du dich nicht erinnerst. Es gehört uns ja noch. Nur ein paar Zimmer sind vermietet. Es war richtig schön… aber im Winter sind alle Fenster immer komplett zugefroren, das waren solche Alten und man konnte nichts mehr sehen…und Papa hat heute noch Rückenschmerzen von der vielen Gartenarbeit. Ich nehm dich mal mit, dann hole ich mir auch gleich meine Bücher.“ Sie lächelte ein bisschen vor sich hin. Planschend schien der Junge ihr zugehört zu haben, aber sie konnte sich auch täuschen. Kinderaugen sind wirklich undurchdringlich.
  7.  
  8. Mittlerweile zeigte sich die Sonne. Unbeirrt planschte der Junge weiterhin in den Pfützen und würdigte die wiederkehrenden Enten kaum eines Blickes. Es war schön auf eine Art, ihn so zu sehen… Sie zog ihren Fotoapparat aus der in Plastik gepackten Seitentasche ihrer Jacke. Sie fokussierte und hielt kurz inne.
  9.  
  10. Man erzählte den Kleinen nichts von den Knöchelkerben, oder von dem Unfall mit dem Eichhörnchen, der Erinnerung an den Abdruck des Reifenprofils auf seinem zerquetschten kleinen Kopf. Solches und solches ist Geheimnis, der Duft unter dem Familiengarten, wenn die Märzenbecher verblüht sind. Es ist der Teil, den sie selbst herausfinden sollen, immer für den Fall, für die Möglichkeit des Falles des Einen Glücklichen der ohne größere Regung gedeiht und nachfolgt. Und wie sie dann den Kopf senken in den Sonnenstunden und lieber in den Pfützen herummatschen! Wie die Zeit einen verändert! So oder ähnlich dachte sie mit der Nikon in beiden Händen.
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