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Guest User

fuer erzaehlmirnix

a guest
Apr 15th, 2016
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  1. Hallo! Hab da mal ein paar Gedanken zu deinem PayGap-Comic. Erst einmal: Danke! Mit der PayGap-Debatte sprichst du einen sehr wichtigen Punkt an (der ja auch bei fefe öfter mal auftritt), und die irreführende Berichterstattung ist mit Sicherheit verurteilungswürdig. Trotzdem glaube ich, dass du gerade bei deiner Prämisse "wir Frauen sind freier in unserer Berufswahl" einen Aspekt außer Acht lässt, der m.E. in dieser Debatte auch erstaunlich selten bis nie angesprochen wird: Nämlich einen Diskriminierungsaspekt, der bei Frauen oft in Kraft tritt, bevor du überhaupt eingestellt wirst - eben weil du eine Frau bist, was dir aber keiner direkt ins Gesicht sagen wird, und was auch nicht etwas ist, was man irgendwie messen und Statistiken überführen kann, was ein riesiges Problem darstellt.
  2. Damit kann man mir sicherlich wieder den Vorwurf einer "konstruierten Opferrolle" vorwerfen, was nahezuliegen scheint, denn was das angeht, beruht vermutlich auch sehr viel auf subjektiven Erfahrungen. Zwei Beispiele dazu:
  3. Ich persönlich hatte mal die Ehre, die Büros der Führungsabteilung eines größeren Unternehmens zu besichtigen. Auffallend war dabei: Keine einzige Frau unter dem Haufen "Managern," und umgekehrt kein einziger männlicher Sekretär. Als ich dann vorsichtig nachfragte, ob es denn keine Bewerbungen o.ä. von Frauen gebe (oder wie es mit den Aufstiegsmöglichkeiten steht), wurde man plötzlich sehr defensiv, brachte Argumente gegen die Frauenquote (die ich gar nicht erst angesprochen hatte) und verstrickte sich in widersprüchliche Aussagen (es gäbe einfach keine Bewerbungen von Frauen, und im Gegenzug, doch die gäbe es, aber bisher sei keine geeignete gefunden worden, weil _Grund_ ).
  4. Dass es einfach keine "geeigneten", qualifizierten Frauen gibt, die da versuchen hineinzukommen, halte ich für ziemlich unwahrscheinlich. Subjektiver, bitterer Beigeschmack der bleibt: Frauen sind in einer etablierten Männer-Riege einfach unerwünscht und werden systematisch ferngehalten. Diffuse Angst: Man will da einfach keine „Weiber,“ die da das Klima stören könnten (wie auch immer das aussehen würde). Zumindest in diesem konkreten Betrieb. Kann ich das belegen? Nein. Hat mir das jemand direkt ins Gesicht gesagt? Ne. Aber der Eindruck einer Glasdecke bleibt. (Umgekehrt bei den fehlenden männlichen Sekretären vermute ich das Stigma bzw. die Konnotation, die da noch bei Sekretärin als "Frauenberuf" dranhängt). Ähnlich wie auch alltäglicher Rassismus funktioniert, wenn „ausländisch aussehende“ Bürger anders behandelt werden, aber keiner offen zugeben würde, dass das der Grund dafür ist, und das eine Art der Behandlung, die du subjektiv erlebst, auch nichts ist was du irgendwie beweisen kannst (außer du filmst es oder nimmsts auf Band auf oder so).
  5. Zweites Beispiel: Eine gute Bekannte von mir mit einem sehr guten Uni-Abschluss berichtete mir frustriert, wie sie nach vielen gescheiterten Vorstellungsgesprächen schließlich im Familienbetrieb neu angefangen hat. Jetzt liegt natürlich nahe: Sie war nicht geeignet, hat sich nicht gut verkauft, erschien nicht kompetent genug etc. Auffallend ist aber, dass ihr mehrmals die Frage gestellt wurde wie denn "ihre Planung für die nächsten Jahre aussehe", als eine verdeckte Frage nach Familie/ Schwangerschaft, nach der ja nicht direkt gefragt wird. Trotz der Tatsache, dass sie nicht vorhatte, schwanger zu werden bzw. vorerst kinderlos bleiben möchte, vermutet sie, dass das reine Risiko für die Personaler ein entscheidender Grund bei ihren Ablehnungen war - besonders, wenn sie männliche Mitbewerber hatte. Gehen wir davon aus, dass das der Fall ist, hat man hier einen ziemlich beschissenen Teufelskreis: Frauen, die aufgrund einer gleichen oder ähnlichen Lage frustriert sind, werden sich denken "gut, dann kann ichs eben auch gleich bleiben lassen und wirklich schwanger werden", womit sich der Effekt im Prinzip nur verstärkt.
  6. Wieder: Wurde eine mögliche Schwangerschaft oder Familienpläne als Ablehnungsgrund explizit genannt? Nein. Man kann es also nicht explizit wissen, nicht messen, nicht in Zahlen festhalten, und das ist meiner Meinung nach ein großes Problem – viele Frauen machen solche Erfahrungen, die dann abgetan werden als „Opferrolle“ und selbst konstruiertes Mitleidsgeheule, gerade von anderen Frauen, die das vielleicht nicht selbst erlebt haben und es nicht nachvollziehen können. Ich kann und will dir deine Erfahrung nicht absprechen, dass du vielleicht selbst keine negativen Erfahrungen in dem Bereich gemacht hast. Das bedeutet aber nicht, dass das Problem nicht für andere durchaus existiert. Und es ist vielleicht auch ein Punkt, der bei den „Durchschnittsgehältern“ eine Rolle spielt: Nicht immer befinden sich dann Frauen in schlechter bezahlenden Berufen, weil sie so große Lust darauf haben (trotz vermeintlich „freierer Berufswahl“), sondern weil sie an die besser bezahlten nicht herankommen (was wie erwähnt schwierig zu beweisen ist).
  7. Dass dabei die Frauenquote eine extrem problematische Lösung ist, liegt auf der Hand; Menschen sollten schließlich nach Qualifikation ausgesucht werden und nicht nach Geschlecht. Andersrum sollten sie aber auch nicht *trotz* Qualifikation ausgeschlossen werden aufgrund ihres Geschlechts. Eine Lösung hab ich dafür auch nicht; möglicherweise könnte bei bestimmten Berufen eine Anonymisierung der Bewerbungen Abhilfe schaffen (ohne Bild, Vorname und Geschlechtsangabe) um wenigstens die Hürden für Vorstellungsgespräche zu senken, wovon sicher auch andere Bevölkerungsgruppen profitieren würden.
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