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Gedanken zur Schanze während der #NoG20-Proteste

a guest
Jul 8th, 2017
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  1. Zu #NoG20 und #BlockG20: Weil meine Timeline sich zu Hamburg gerade überschlägt und viele - auch für mich sonst als ruhig und überlegte Menschen rüberkommende - Personen fast in der in Hyperventilation sind, kurz einige Gedanken zu den Abendstunden in der Schanze: 1. Natürlich ist eine pauschale Verurteilung der #NoG20-Aktivist*innen fehl am Platz. Die Geschehnisse delegitimieren weder den fortgesetzten Protest noch sind sie ein Zeichen dafür, dass die Extremismusdoktrin vielleicht doch richtig sei. Tatsächlich sieht es doch so aus - und das kenne wir auch vom 1. Mai und anderen Großveranstaltungen - dass ab einem bestimmten Zeitpunkt der polizeilichen Passivität - die Straßen durch Partypeople und unorganisierte Einzelpersonen übernommen wurden. Autonomer Aktivismus hat dafür gesorgt, dass Straßen blockiert waren, dass Barrikaden entstanden und sicher auch für die ersten Feuer und Angriffe auf Banken und als gentrifizierend empfundene Läden. Wahllose Plünderungen aber sind das Kennzeichen von eines betrunkenen, feierenden Klientel - und das kann man auf vielen Videos auch erkennen. Warum ganz Hamburg in dieser Nacht repräsentiert ist? Darum: https://twitter.com/hakling/status/883403348619087872 Es ist ja etwas so, genauso wie die Polizei nach ihren regulären Hundertschaften die Spezialkräfte nachgezogen haben, werden bei Ausschreitungen nach den Sportgruppen der Autonomen auch die Spezialkräfte nachgezogen: betrunkene, testosterongeladene Feiernde. Zum Zeitpunkt des Stürmung der Schanze waren alle organisierten Gruppen schon längst weg, denn es gibt hier einen Plan: nach den schweren Angriffen der Polizei am Donnerstag aktiv bleiben, unterwegs bleiben, dezentral blockieren und militant Polizeikräfte binden, um anderen Protestformen den Handlungsspielraum zu eröffnen. 2. Aber auch der Polizei hier eine bewusste Eskalation zu unterstellen, scheint mir nur partiell richtig. Die Situation in der sich die Schanze im wahrsten Sinne des Wortes verschanzt hat, war eine schwierige: Alle G20-Staatschefs und ihre Delegationen waren nach dem Konzert in der Elbphilharmonie wieder unterwegs und ihre Abreise musste abgesichert werden. Dass die Hamburger Polizei Probleme mit ihrem Einsatzkräftemanagement hatte, ist schon in den vergangenen Tagen deutlich geworden. Dazu kommt das Hamburger Einsatzkonzept, dass fortgeschrittene Crowd-Control-Taktiken wie die Berliner Durchmischung nicht kennt und auf massive und voranstürmende Blöcke unter Wasserwerferschutz setzt. Tatsächlich ist die Hamburger Polizei sicherheitspolitisch erstaunlich lernresistent und agiert mit Taktiken der 80er Jahre, was zu Szenen der 80er Jahre führt. Hamburg ist auch aus diesem Grund kein adäquater Ort für den G20-Gipfel gewesen. Die Hinzuziehung von Spezialeinheiten war dann zwar in der internen Logik folgerichtig, aber erfolgte erstens zu spät und zweitens unter Gefährung der Anwesenden: Spezialkräfte sind für "Neutralisierungen" ausgebildet, nicht für Crowd Control. Man hätte mit diesem Mindset auch die Armee holen können, die wären genauso (in)kompetent gewesen. Als Begründung für die stundenlange Untätigkeit wurde angegeben, dass man die "Vorbereitung schwerer Straftaten" beobachtet hätte. Unter anderem wären Molotov-Cocktails vorbereitet gewesen und die Hausdächer mit Gehwegplatten staffiert worden. Diese Behauptung war entweder eine krasse Fehleinschätzung oder eine bewusste Lüge, so wie die Polzei schon vorher Molotov-Cocktail-Angriffe auf Beamte wohl erfunden hat. Denn zum Zeitpunkt des Eingreifens waren Baugerüste und Dächer von Schaulustigen besetzt, denen man ansah, dass sie ein SEK-Einsatz gegen sie ziemlich lächerlich fanden und auf die gezückten Waffen mit Hamburger Gelassenheit reagierten (und dafür muss man diese Stadt lieben) und die Beamten auslachten. 3. Das polizeiliche Eingreifen war letztendlich geboten. Und zwar deutlich niedrigschwelliger, aber schneller. Denn die Brandherde in der Schanze haben die dortigen Hausbewohner bedroht und sowohl der giftige Rauch der Barrikaden als auch die Feuer in den Erdgeschossgewerberäumen stellten eine konkrete Gefahr für die Bewohner dar. Eine Absicherung der Feuerwehrkräfte und konsequentes Löschen der Brandherde hätte schon Stunden vorher erfolgen müssen. 4. Mein Fazit also: zur Debatte sollte hier nicht eine linke Protestbewegung stehen, die nur bedingt und nur im Sinne der Blockade (auch militant) gehandelt hat und deren Aktionen sich verselbstständigt haben. Vielmehr geht es um die Aufarbeitung der Dissonanz zwischen der Hamburger (Innen-)Politik und der durchgehend gescheiterten Polizeitaktik, die mit Mühe und Not zwar die Staatschefs und ihre Delegationen schützen kann, aber eine sichere Stadt in diesen Stadt nicht gewährleistet und auch intellektuell und organisatorisch nicht gewährleisten kann.
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