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- AFD-SPITZENKANDIDAT
- „Möchte, dass das öffentliche Leben in Deutschland maßgeblich durch die deutsche Kultur geprägt ist“
- Stand: 07:46 Uhr | Lesedauer: 8 Minuten
- Von Frederik Schindler, Claus Christian Malzahn
- AfD-Politiker Maximilian Krah
- AfD-Politiker Maximilian Krah
- Quelle: picture alliance/dpa
- Der Europa-Spitzenkandidat der AfD, Maximilian Krah, will die CDU zerstören und hält Verfassungspatriotismus für „unpraktisch“. Er will über deutsche Geschichte sprechen, ohne den Nationalsozialismus zu erwähnen – und erklärt sein ethnisches Volksverständnis.
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- Der 47-jährige Sachse Maximilian Krah ist seit 2019 Mitglied des Europäischen Parlaments und wurde im Juli 2023 auf einem AfD-Parteitag zum Spitzenkandidaten für die Europawahl im kommenden Juni gewählt.
- WELT AM SONNTAG: Herr Krah, Sie erklären die Union zum „Hauptfeind“. Die politische Rechte komme nur dann zum Erfolg, „wenn die Christdemokraten verschwinden“. Ist das Ihr Ernst?
- Maximilian Krah: Rechte Parteien kommen in Europa dann in die Nähe der Regierung, wenn es keine klassische Christdemokratie mehr gibt. Die zur Mitte hin integrierende Partei, wie Wolfgang Schäuble es nannte, ist ein Modell der Nachkriegszeit. Warten Sie mal auf die Entzauberung der Union, wenn sie ab 2025 mit den Grünen regiert.
- WELT AM SONNTAG: Sie waren als Jugendlicher in die Junge Union eingetreten und bis 2016 CDU-Mitglied. Heute nennen Sie sich explizit nicht konservativ, sondern rechts.
- Krah: Den Begriff „konservativ“ habe ich nicht alleine, er ist wertlos und langweilig geworden. Armin Laschet ist auch konservativ, wohnt aber auf einem anderen Stern als ich. Der Begriff „rechts“ hat zwar ein schlechtes Image, aber ein gewisses Potenzial, da sich keiner um ihn streitet.
- WELT AM SONNTAG: Sie unterscheiden in Ihrem Buch zwischen „Autochthonen“ und Deutschen mit Migrationsgeschichte und weisen diesen Gruppen unterschiedliche Existenzberechtigungen zu. Mit unserer Verfassung ist das nicht zu machen.
- Krah: Doch. Staatsbürger sind beide, mit völlig gleichem Recht.
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- WELT AM SONNTAG: Wenn Sie das Volk ethnisch definieren, würdigen Sie Deutsche mit Migrationshintergrund zu Staatsbürgern zweiter Klasse herab.
- Krah: Die Gleichheit vor dem Gesetz für jeden Staatsbürger ist konstituierend für jeden modernen Staat. Aber ich möchte, dass das öffentliche Leben in Deutschland maßgeblich durch die deutsche Kultur geprägt ist. Die Gemeinschaft der deutschen Staatsbürger soll durch die deutschen Volkszugehörigen maßgeblich geprägt werden.
- WELT AM SONNTAG: Also machen Sie einen Unterschied – und werten Deutsche mit Migrationshintergrund ab. Warum?
- Krah: Wenn dieser Unterschied nicht verfassungsrechtlich zulässig ist, hat Friedrich Merz auch ein Problem. Sie können nicht allein aus einer Rechtsordnung die notwendigen Regeln für ein Zusammenleben ziehen. Wenn ich zwischen Schmelztiegel und Leitkultur entscheiden muss, wähle ich die Leitkultur.
- WELT AM SONNTAG: Einwanderer und ihre Nachkommen, die die deutsche Staatsbürgerschaft erlangen, sind also keine vollwertigen Mitglieder des deutschen Volks?
- Krah: Wenn sie wollen, können sie sich ja assimilieren. Ich fordere allerdings keine Assimilationspflicht. Solange jemand akzeptiert, dass das öffentliche Leben in Deutschland nach der deutschen Kultur zu funktionieren hat, kann er privat machen, was er will.
- WELT AM SONNTAG: Wie wäre es mit dem Grundgesetz als Leitkultur? Das kennt keine Hierarchien zwischen deutschen Staatsbürgern – aber unverletzliche Grundrechte für alle.
- Krah: Das Verfassungsrecht ist kein Kulturersatz. Im Grundgesetz gibt es weder Goethe noch Schiller. Verfassungspatriotismus ist unpraktisch. Den habe ich schon in der Jungen Union bekämpft.
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- WELT AM SONNTAG: Wir möchten über ein von Ihnen inzwischen gelöschtes X-Posting von Ende Januar sprechen, in dem Sie sich auf Schleswig-Holsteins Sozialministerin Aminata Touré beziehen. Die Grüne löschte nach einer Personalentscheidung Messengernachrichten, auf die der Landtag Anspruch gehabt hätte. Sie schrieben, die Regierung werde „kulturell afrikanischer“, wenn man „ethnische Afrikaner“ in die Regierung aufnehme. Und: „Korruption korreliert mit Kultur und Kultur mit Ethnie“. Touré wurde in Neumünster geboren, ihre Eltern waren einst aus Mali geflohen.
- Krah: Assimilation ist immer ein zweiseitiger Prozess. Sie nehmen immer etwas mit herein, das von außen kommt. Das kann befruchtend sein, aber auch negativ. Meine Formulierung war aber missverständlich und unvorsichtig, da Touré in Deutschland geboren wurde. Daher habe ich das Posting gelöscht.
- WELT AM SONNTAG: Es ist rassistisch, Menschen aufgrund ihrer Herkunft bestimmte Eigenschaften zuzuschreiben.
- Krah: Dass bestimmte Herkunftsgruppen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit bestimmte Eigenschaften haben, ist eine Binsenweisheit. Ethnische Unterschiede dürfen nicht rechtlich relevant sein, aber sie sind es sozial, wissenschaftlich und kulturell.
- Maximilian Krah in Dresden. Hier kandidierte er im Jahr 2022 erfolglos als Oberbürgermeister
- Maximilian Krah in Dresden. Hier kandidierte er 2022 erfolglos für den Oberbürgermeister-Posten
- Quelle: Martin U. K. Lengemann/WELT
- WELT: „Wir sind ein Volk“, sagten Sie kürzlich beim politischen Aschermittwoch. „Wir sprechen dieselbe Sprache, wir haben dasselbe Brauchtum, wir sind sozialisiert über dieselben Märchen, unsere Vorfahren haben gemeinsam gelitten, gekämpft, sind gemeinsam verführt worden.“ Das ist doch eindeutig, dass Sie Deutsche mit Einwanderungsgeschichte hier aus dem deutschen Volk ausschließen.
- Krah: Ich möchte den Menschen nicht als isoliertes, geschichtsloses und traditionsloses Wesen haben, sondern ich möchte, dass der Einzelne sich als Teil einer langen Geschichtskette versteht, in der er etwas erbt, schöner macht und weitergibt.
- WELT AM SONNTAG: In der Rede sagten Sie außerdem: „Unsere Vorfahren waren keine Verbrecher, und wir lassen sie uns nicht dazu erklären“ – obwohl eine überwältigende Mehrheit der Deutschen in den Nationalsozialismus verstrickt war.
- Krah: Ich möchte, dass wir eine Jugend haben, die stolz auf das ist, was sie ist, und auch auf das, was sie geerbt hat. Ich verwahre mich dagegen, dass ich über die deutsche Geschichte nur sprechen darf, wenn ich explizit den Nationalsozialismus erwähne. Diese extreme Heraushebung des Nationalsozialismus aus der deutschen Geschichte halte ich nicht für glücklich.
- WELT AM SONNTAG: Die Deutschen haben Schrecken über ganz Europa und darüber hinaus gebracht. Daran kommt man doch nicht vorbei.
- Krah: Ich will da gar nicht dran vorbei. Meine Botschaft an die jungen Leute ist: Du bist kein Atom, sondern Teil einer Kette an Generationen vor dir und hoffentlich nach dir. Du bist eingebunden in eine Gemeinschaft, die ähnlich dran ist wie du. Das ist nun mal das, was ein Volk im ethnischen Sinne ist. Der Satz mit den Vorfahren war nicht auf den Nationalsozialismus bezogen.
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- WELT AM SONNTAG: Worauf hätte man das denn sonst beziehen sollen?
- Krah: Das in der Kürze anzufassen, birgt das Risiko, dass man Fragen aufwirft, die man in einer Minute nicht lösen kann. Ich wehre mich aber gegen die These, wir hätten jetzt das beste Deutschland aller Zeiten und davor war alles schrecklich.
- WELT AM SONNTAG: Natürlich kann man die deutsche Geschichte nicht auf den Zivilisationsbruch des Nationalsozialismus reduzieren. Aber Sie blenden diese Phase aus, als hätte es sie gar nicht gegeben.
- Krah: Ich bin in Dresden aufgewachsen und habe die Folgen der Bombardierung im Zweiten Weltkrieg immer vor Augen gehabt. Meine Vergangenheitsaufarbeitung in Bezug auf den Nationalsozialismus ist natürlich nicht westdeutsch, sondern ostdeutsch geprägt.
- WELT AM SONNTAG: Wie sieht diese Prägung denn aus?
- Krah: Die deutsche Geschichte wurde in ihrer Gesamtheit betrachtet. Sie war schon deshalb gut, weil sie in den Sozialismus mündete. Der Nationalsozialismus war nur so ein komischer imperialistischer Abzweig. Bei mir in der Schule begann der Geschichtsunterricht mit Hermann dem Cherusker. Später kam Bismarck als positive Gestalt, der die nationale Einheit geschaffen hatte, aber mit dem Makel, bei der sozialen Frage versagt zu haben. Das hat dann der Sozialismus geschafft, zu dem sich die Geschichte schließlich gesetzmäßig hinbewegte. So zumindest der Geschichtsunterricht, mit dem ich aufgewachsen bin.
- WELT AM SONNTAG: Die DDR als Krönung der deutschen Geschichte. Ziemlicher Schmarrn.
- Krah: Ja, natürlich ist das Schmarrn, mein Punkt ist: Es gab und gibt Alternativen zur westdeutschen Erzählung. Die zwölf Jahre NS-Zeit werden im Rahmen der Gesamtgeschichte zu stark betont. Jedem, der da nicht einstimmt, NS-Apologie vorzuwerfen, ist vermessen.
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- WELT AM SONNTAG: Sie beziehen sich ständig auf deutsche Geschichte, auf Goethe, Schiller, auf ein Kulturgut, das Sie gegen wen auch immer in Schutz nehmen wollen. Hitler und seine Vollstrecker lassen Sie weg. Was soll das?
- Krah: Der Nationalsozialismus ist ohnehin präsent, er zwingt uns ja erst in diese Debatten. Deshalb ist es auch absurd, mir Schönfärberei vorzuwerfen. Ich war immer klar, wenn es gegen jede Form der NS-Apologie ging.
- WELT AM SONNTAG: In Ihrem Buch schreiben Sie, dass es richtig sei, „wenn die konkrete Ausformung der Menschenrechte nicht global-einheitlich, sondern je nach Kulturkreis verschieden erfolgt“. Warum lehnen Sie die Universalität der Menschenrechte ab?
- Krah: Tue ich nicht. Aber die Auslegung können Sie nicht allein in New York oder Brüssel vornehmen. Gibt es ein Menschenrecht auf Abtreibung? Frankreich hat das gerade so verfügt. In den USA hat der Supreme Court gerade das Gegenteil entschieden. Jetzt erzählen Sie mir mal, warum ich diese Frage global einheitlich regeln muss.
- WELT AM SONNTAG: Sie sagen weiter, die „Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam“, die Menschenrechte unter den Vorbehalt der Scharia stellt, weise „den richtigen Weg“. Ist das Ihr Ernst?
- Krah: Warum denn nicht? Die sagen, wir akzeptieren die Menschenrechte. Aber wenn es um die Auslegung geht, wollen wir, dass unsere religiöse Tradition berücksichtigt wird. Das finde ich nachvollziehbar. Ich werde Muslimen nicht vorschreiben, wie ihre Identität aussehen soll.
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- WELT AM SONNTAG: Das klingt nach Kulturrelativismus. Im Iran werden Frauen unterdrückt und Schwule aufgehängt – begründet mit angeblich islamischer Identität.
- Krah: Ich will das überhaupt nicht schönreden. Aber Sie können ja nicht mit dem Hinweis auf den Iran erklären, dass der Westen entscheidet, was in Aserbaidschan oder in Singapur passiert. Sie ahnen nicht, was für eine Wut auf den Westen es mittlerweile im globalen Süden gibt, weil die ständig belehrt werden, wie sie zu leben haben. Ich halte das für eine neokolonialistische Attitüde.
- WELT AM SONNTAG: Was halten Sie denn vom aktuellen Versuch der Russen, die Ukraine zu kolonialisieren?
- Krah: Der Krieg muss so schnell wie möglich beendet werden. Aber es ist nicht unser Krieg. Ich bin ganz beim Bundeskanzler, wenn er die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern ablehnt. Wenn ich nicht bei der AfD wäre, würde ich aus diesem Grunde entweder Wagenknecht oder SPD wählen.
- WELT AM SONNTAG: Nehmen wir mal an, die Russen gewinnen den Angriffskrieg in der Ukraine und Putin lässt Truppen ins Grenzgebiet des Nato-Landes Estland einmarschieren, unter dem Vorwand, die russische Minderheit zu schützen. Was sagt dann Ihre Partei? Ist das der Bündnisfall? Oder wieder nicht einmischen?
- Krah: Ganz klar: Das wäre der Bündnisfall. Pacta sunt servanda, Verträge sind einzuhalten.
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