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- Gernot Blümel geht auf Distanz zu Türkis-Blau II: „Im Nachhinein g'scheiter“
- Ex-Minister und Sebastian-Kurz-Vertrauter Gernot Blümel errichtet eine neue Hürde für die FPÖ: Vor einer allfälligen weiteren Koalition müsse die Ibiza-Affäre lückenlos aufgeklärt sein. Den Willen dafür ortet er aber nicht.
- Heidi Horten hat der ÖVP fast eine Million Euro gespendet, gestückelt jeweils 1000 Euro unter der Grenze, bei der sofort offengelegt werden muss. Verstehen Sie, wenn manche darin Schlitzohrigkeit sehen?
- Gernot Blümel: Wir haben stets alle gesetzlichen Regelungen eingehalten. Auch der unabhängige Parteientransparenzsenat hat bestätigt, dass alle Spenden gemeldet worden sind. Kritik ist der Propaganda des politischen Mitbewerbers zuzuschreiben.
- Aber weshalb sind die Spenden haarscharf unter der gesetzlichen Grenze geblieben?
- Wie sich eine Spenderin entscheidet, bleibt, solang es gesetzeskonform ist, ihr überlassen. In Zukunft stellt sich die Frage nicht mehr, weil Rot und Blau ein Gesetz beschlossen haben. Das ist ein Gesetz, das alle Ibiza-Vorwürfe deckt, die erhoben wurden. Herr Strache beschreibt ja in dem Video, wie man am Rechnungshof vorbei spenden kann – über Vereinskonstrukte, wie es sie offenbar bei FPÖ und SPÖ gibt. All das ist jetzt von der SPÖ mitgedeckt.
- Heidi Horten hat von Ihnen das Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst erhalten. Das hat mit Spenden gar nichts zu tun?
- Diese Frage betrachte ich als Diffamierung von Frau Horten, die im Kunst- und Kulturbereich Wesentliches geleistet hat. Der Antrag dafür ist vom Leopold Museum gestellt worden, und die Präsidentschaftskanzlei hat die Verleihung bestätigt.
- Für die ÖVP scheint es derzeit nicht so ganz rund zu laufen, Stichworte Schredderaffäre, Parteispenden. Teilen Sie diesen Befund?
- Ich bin bei vielen Veranstaltungen, dort kommen die Themen nicht vor, die ich in der veröffentlichten Meinung sehe. Insofern teile ich diesen Befund nicht.
- Welche Themen kommen vor?
- Wie kann ich meinen Arbeitsplatz behalten? Wie kann ich den Bürokratieabbau gestalten? Warum zahlen wir so viele Steuern? Die Migrationsthemen sind nach wie vor da. Klimaschutz ist mittlerweile immer mehr ein Thema.
- Zum Kimaschutz war lang von der ÖVP nichts zu hören.
- Wenn es eine Partei gibt, die seit 30 Jahren ein schlüssiges Konzept hat, dann ist es die ÖVP mit der ökosozialen Marktwirtschaft. Wir haben das als Gegenthese zu dem entwickelt, was viele Linke meinen: Diese sind der Meinung, dass man auf erworbenen Wohlstand verzichten muss. Unser System basiert auf einer leistungsorientierten Marktwirtschaft, die Gewinne erwirtschaftet, die sozialen Ausgleich und ökologische Nachhaltigkeit finanzieren. Wohlstand und Umweltschutz sind kein Widerspruch. Wir sind noch nicht am Ziel. Bis 2030 wollen wir 100 Prozent Energieproduktion aus erneuerbaren Energien erreichen. Wir sehen es als unsere Pflicht an, einen Beitrag dazu zu leisten, die ökologische Wende sicherzustellen. Wir werden das nur schaffen, wenn Umweltschutz wirtschaftlich erfolgreich sein kann. Das ist die Gegenthese zu dem, was die Grünen sagen.
- Funktioniert Klimaschutz ohne jeden Verzicht, ohne jemandem wehzutun?
- Klimaschutz heißt nicht, dass man so weitermachen kann wie bisher, ganz im Gegenteil. Aber es heißt auch nicht, den Leuten noch mehr Geld aus der Tasche zu ziehen.
- SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner ändert ihre Linie und spricht sich nun gegen eine CO2-Steuer aus. Ein Hintasten Richtung ÖVP im Hinblick auf die Zeit nach der Wahl?
- Ich sehe das als ein Zeichen dafür, dass sich die SPÖ in diesen wie in anderen Bereichen noch nicht sehr viel überlegt hat. Wenn man nach Frankreich sieht: Dort ist unter anderem der Versuch gemacht worden, die Spritpreise zu erhöhen, und die Gelbwesten waren das Resultat. Man muss es auch demokratiepolitisch verträglich gestalten. Es wird nicht funktionieren, wenn man die Leute, die fleißig sind, noch zusätzlich besteuert.
- Zuletzt gab es bei Heinz-Christian Strache eine Hausdurchsuchung wegen der Ernennung von Casinos-Vorstand Peter Sidlo. War bei Ihnen diese Postenbesetzung als Koalitionskoordinator nie Thema?
- Nein.
- Das heißt, die FPÖ hatte eine Freikarte, diesen Posten zu besetzen?
- Es geht um die Besetzung eines Vorstands, wobei es angeblich eine Absprache zwischen der FPÖ und einem der Aktionäre gegeben hat. Das soll aufgeklärt werden. Das ist keine Entscheidung, die die Politik trifft, sondern der Aufsichtsrat.
- Dass der FPÖ zugestanden wird, hier einen Posten zu besetzen, war politisch nicht vereinbart?
- Noch einmal: Das ist eine Entscheidung des Aufsichtsrats. Der Staat ist ja lediglich 33-Prozent-Eigner. Wenn es eine Absprache gegeben haben soll: volle Aufklärung.
- Färben Ibiza-Affäre und Ermittlungen gegen Heinz-Christian Strache auf die ÖVP ab?
- Nein.
- War denn das Zusammengehen der ÖVP mit der FPÖ ein Fehler?
- Durch das Ibiza-Video ist ein genereller Vertrauensverlust bezüglich Politik passiert. Das war der Grund, weshalb wir so darauf gedrängt haben, dass mehr passieren muss als nur das Notwendigste, dass man willens ist, alle Vorwürfe aufzuklären. Dieser Wille war beim Koalitionspartner nicht da, und deshalb haben wir aus unserer Verantwortung für das Land heraus die Koalition beendet.
- War die Koalition mit der FPÖ also ein Fehler?
- Im Nachhinein ist man immer g'scheiter. Im Vorhinein kann man in niemanden hineinschauen.
- Kommt die FPÖ als Koalitionspartner nach dem 29. September überhaupt noch infrage?
- Wir haben immer gesagt, dass wir niemanden, der demokratisch legitimiert ist, ausschließen. Wir haben aber auch klargemacht, dass nach einem solchen Skandal, nach diesen vehementen Vorwürfen, bei denen es um Machtversessenheit, potenzielle Korruption, potenziell illegale Parteienfinanzierung geht, zunächst alles lückenlos aufgeklärt werden muss.
- Vorher gibt es auch keine Regierungszusammenarbeit mehr mit der FPÖ?
- Der Grund, warum wir die Koalition beendet haben, war, dass wir bei der FPÖ den Willen nicht gespürt haben, diese lückenlose Aufklärung zuzulassen.
- Diesen Willen vermissen Sie nach wie vor?
- Diesen Willen vermisse ich nach wie vor. Wenn ich mir die Aussagen von Herbert Kickl und Herrn Strache ansehe, dann geht es darum, sich in eine Opferrolle hineinzumanövrieren.
- Die ÖVP ist bei der Europawahl bei Wählern unter 30 Jahren auf Platz vier gelandet. Ein schlechtes Omen für die Zukunft?
- Wir haben das beste Ergebnis erhalten, das eine Partei jemals in Österreich bei Europawahlen erreicht hat. Bei dem Wahlergebnis ist es fast schwierig, ein Haar in der Suppe zu finden.
- Sie sagten einmal, seit Sie die ÖVP Wien übernommen haben, sei Ihr Ziel, Wiener Bürgermeister zu werden. Wo liegt denn jetzt Ihre Leidenschaft – Bund oder Stadt?
- Immer dort, wo ich am meisten für meine Heimatstadt tun kann. Wenn ich es vergleiche: Opposition in der Stadtregierung oder Gestaltung in der Bundesregierung, dann wäre das zweifellos die Bundesregierung.
- Sie gehen dann ins Rathaus, wenn was genau passiert?
- Wenn wir möglichst viele Themen umsetzen können.
- Also wenn Sie regieren und nicht in der Opposition sind?
- Ja.
- Als Koalitionspartner ist in Wien für Sie nur die SPÖ vorstellbar?
- In den allermeisten Bereichen ist das Problem, dass ich nicht sehe, dass Rot-Grün wirklich gestalten will. Wenn eine Mehrzweckhalle die große Revolution ist, ist das zu wenig.
- Rot-Türkis ist also nicht so wahrscheinlich, wie es scheint?
- Ich messe die Sache immer am Umsetzungswillen. Da spüre ich mehr Affinität der SPÖ zu den Grünen. Ich erlebe Michael Ludwig als jemanden, der keine besonderen inhaltlichen Ambitionen an den Tag legt.
- Was müsste sich ändern, damit Rot-Türkis möglich wäre?
- Der Gestaltungswille.
- Ist eine Koalition mit Michael Ludwig möglich, wenn Sie ihm Gestaltungswillen absprechen?
- Vielleicht entdeckt er ja noch die Lust zu verändern.
- Was wollen Sie verändern?
- Beispielsweise: Eine Schuldenbremse muss in die Stadtverfassung, das Valorisierungsgesetz muss abgeschafft werden. Die Parteienförderung, die um das Vierfache höher ist als im Bund, muss halbiert werden. Ich hätte noch viele Ideen.
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