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May 28th, 2017
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  1. Die Wand – ein Bericht
  2.  
  3. 01.06.10
  4. Auf Geheiß meines Bosses nahm ich mir eine Sitzgelegenheit (ich möchte das Wort „Stuhl“ aufgrund seiner vielseitigen Verwendbarkeit, unter Anderem der Bedeutung des Wortes im medizinischen Bereich, umgehen), stellte diese an eine Eckwand, nahm dort Platz und befolgte wortgetreu den Befehl Seiner ewig hellen Erleuchtetheit. Ich nahm mir die Freiheit, da ich befähigt bin, während meines Sitzdienstes noch anderen stationären Tätigkeiten nachzugehen, bereits im Dienst diesen Bericht zu schreiben, um alle aktuellen Ereignisse meines Jobs zu notieren.
  5. Nun ja, ich hatte eine gewisse Vorarbeit zu leisten. Vermutlich wissen Sie nicht, wie es in meinem Zimmerchen aussieht, lieber Leser, aber hier ist keine freie Ecke zu finden – mal abgesehen von jenen an der Oberseite des Raumes, aber dort einen Stu... eine Sitzgelegenheit zu fixieren ist meiner Meinung nach weniger effizient gewesen, als einfach ein paar Umzugskartons zu verschieben, um eine der unteren Ecken für einen Drehstu... ein Sitzmodell mit Drehfunktion und beweglichen Rädern am Fuße aufnahmefähig zu machen. Momentan stehen die Umzugskartons aus der Ecke inmitten meines Zimmers und bieten meinen beiden Katzen – einer kleinen schwarzen Katze und einem großen dicken und leicht unintelligenten Kater – eine wunderbare wenn auch von mir unbeabsichtigte Möglichkeit, sich nach Herzenslust auszutoben. Nun gut, meine Katze lag eigentlich die ganze Zeit in meinem Bett, zu einem Haufen schwarzen Felles mit Ohren zusammengerollt und schlief, bis der eben besagte dicke große dumme Kater die Umzugskartons vorfand und voller Enthusiasmus erklimmen wollte. Dummerweise hatte der kleine Racker sein Eigengewicht nicht ganz mit seiner Sprungkraft verkalkuliert, so riss er die Umzugskartons um, dabei einen nervtötenden Krach machend, da auch Tüten und anderes Knisterzeugs in und an den Kartons vorhanden waren. Meine Katze Blacky wurde dadurch wach. Sie müssen wissen, der Kater wohnt erst seit einer Woche bei uns, und Blacky verteidigt noch ihr Revier vor ihm. Sie erblickte ihn also, fixierte ihr Augenmerk auf ihn wie eine Klapperschlange ein mexikanisches Baby, sprang dann sofort auf, als er nicht aufgepasst hatte (und er war noch leicht von jenem Unfall traumatisiert, den er gerade durch seine Korpulenz ausgelöst hatte), an ihn ran. Er sprang schon affektiv los, um vor ihr zu flüchten, fauchte dabei beinahe so, wie man es von diesen großen Löwen aus dem Fernsehen kennt, wenn sie den mexikanischen Touristen gleich verspeisen, nur eben mit einer viel höheren Stimme, wie sie für Katzen typisch ist, wenn sie zum Beispiel von einem Mexikaner aus dem Fenster geschmissen werden und in einer Mülltonne landen. Blacky rannte hinterher, zurückfauchend wie ein stimmloser Donald Duck. Ich konnte die Verfolgungsjagd leider nicht weiter mitverfolgen, da ich für meinen Boss einen Job zu erledigen hatte – und ich mache meine Arbeit ordentlich und ohne große Umschweife, sei die Versuchung auch noch so groß und prall.
  6. Ich hatte eine Ecke genommen, die links von mir ein Fenster hat. Die nächste Ecke rechts hätte keinen Platz geboten, da dort die Tür zum Korridor ist. Die nächste Ecke links ist verbaut, weil dort mein Schreibtisch am Fenster steht. Die Ecke gegenüber von meinem momentanen Arbeitsplatz ist ebenfalls unzugänglich, dort steht ein kaputter Ofen hinter einer großen Darth Vader-Pappfigur, die auf dem Kopf einen Tanga von einer Freundin von mir als Augenklappe trägt (war ein Geschenk, kein Eroberungsmaterial). Manche Leute finden das komisch, aber die haben einfach keinen Sinn für Kunst und Kultur. Ich aber schon. In diesem Moment höre ich beispielsweise ein Violonen-Medley von Vanessa Mae. Sehr schön dramatisch, jagt mir hin und wieder Gänsehaut ein, was mir sonst nur die Musik von Alice Cooper beschert, den ich ja seit Jahren verehre wie keinen zweiten.
  7. Aber zurück zum Thema, die Wand. Nicht unbedingt die schönste ihrer Art. Schwäbische Konstruktion, das Haus steht schief – soviel zum Thema „Schaffe! Schaffe! Häusle baue!“, schön schnell aber unqualitativ wie so manche Maulhelden der Kneipe. Nicht, dass ich damit Erfahrung hätte. Hab ich nicht. Nur hab ich viele Filme gesehen. Ich mag alte Filme, die Naivität, die darin noch vorhanden ist, beispielsweise wie die Zukunft mal sein könnte, oder wie die Menschen mal waren, bevor sich Gewalt und Hektik im Alltag durchgesetzt haben. In diesem Fall empfinde ich Naivität sogar schön. Andererseits, im heutigen Alltag nervt micht Naivität, besonders bei Gleichaltrigen meinerseits. Aber das ist ein Thema, das will ich hier gar nicht weiter ausführen. Das letzte, was ich ausgeführt habe, hieß Jamy und war 8 Zentimeter größer als ich und hat die Haarfarbe so oft wie die Unterwäsche gewechselt. (Also hoffentlich hat sie die Unterwäsche trotzdem öfter gewechselt, auch wenn sie nicht länger als eine Woche dieselbe Haarfarbe hatte Oo)
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  9. Ich sehe vor mir eine Wand. Wie schon erwähnt eine nicht allzu schöne Wand, auch die Tapete vom Vormieter lässt zu wünschen übrig, finde ich. Blumentapete, weiß, graue Blumen und irgendwelche Glitzerfussel im Schaumstoff. Aber ich bin ja sehr leicht zufrieden zu stellen. Eine Frohnatur. Mich stört das nicht, wenn draußen kleine Kinder von... na, wie alt werden die Knirpse schon sein... etwa um die 14 Jahre rum – wenn diese Kinder vor meiner Tür laut sind, 9 Stunden am Tag, entweder durch Tröten a la WM oder durch das Schießen von Fußbällen gegen die Häuserwand. Sowas macht mir nichts. Vielmehr macht es die Wand ärgerlich. Die Wand muss das ständig ertragen...
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  11. Viel zu wenig Leute bedenken, dass so eine Wand zwar ihren Berufszweck erfüllt (also wenn Wände sprechen könnten, würden sie sich dauerhaft dafür bedanken!), aber auch ein gewisses Berufsrisiko hat. Ich meine, die steht ewig da, der fällt doch irgendwann die Decke auf den Kopf.
  12. Als Wand ist es auch unvorteilhat, mal geknickt zu sein. Als Tür widerum ist man schon öfter mal für Neues, aber auch für Altes offen. Eine Tür müsste sich auch nicht permanent für ihre Stelle bedanken, find ich, sondern nur, wenn sie mal auf- oder zugeht.
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  14. Wenn ich ganz ehrlich bin, bekomme ich gerade etwas Hunger. Heute vormittag hab ich drei vegetarische Cheeseburger gegessen. Jaja, totaler Stilbruch, aber ich bin konsequenter Vegetarier, auch wenn das Schwein dann auch nicht davon wiederbelebt wird. Komischer Gedanke. Man sitzt am Tisch, vor sich liegt der Cheeseburger, man zieht die Scheibe Fleisch runter und die bedankt sich bei einem freudig und rennt auf einmal in der Küche umher, verschwindet hinter dem Kühlschrank oder wird von der Katze gefressen.
  15. Momentan hab ich völlig unbegründet und ohne, dass man mich auf die Idee gebracht hat, Hunger auf Nussecken. Man sollte meinen, dass eigentlich nur Gildo Horn und schwange Frauen sowas essen, aber tatsächlich mag ich Nussecken, ich wusste es aber vorher noch gar nicht.
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  17. Eine Nussecke ist ein Gebäck bestehend aus einem Mürbeteigboden, der mit einem Aufstrich von geriebenen Nüssen, Zucker, Fett und auch gerne mit Sahne bestrichen wird. Unter diesen Aufstrich wir oft noch Aprikosenmarmelade gestrichen. Der auf einem Blech ungefähr 15 Minuten bei etwa 180 °C gebackene Teig wird lauwarm in Streifen geschnitten und später nochmals in Dreiecke oder Rechtecke unterteilt. Eher in Dreiecke. Anschließend werden diese Dreiecke oder Rechtecke in Schokolade oder Kuvertüre, diese Schokoladenriegel, deren Konsum dem Konsumenten einen Zuckerflash verpasst, eingetaucht. Am Besten geht das übrigens, wenn solche im flüssigen Aggregatzustand in einer Schüssel oder Tasse anzutreffen ist. Nussecken sind kein sogenanntes Regionalgebäck, sondern werden in den meisten Konditoreien angeboten. Die Nussecke ist Gildo Horns Lieblingsnascherei, was aber jeder zivilisierte Mensch weiß, der was von sich hält. Wobei, ich bin eigentlich ein sehr bescheidener Mensch und halte recht wenig von mir. Einerseits weil ich nicht im Stehen pinkel.
  18. Gildo Horn hieß übrigens mal Horst Köhler, wie unser ehemaliger Bunderpräsident, dessen Posten sich nur Dashki schnappen will. Ich persönlich wäre dafür, dann hat er weniger Zeit für EIN SPIEL und man kann sich an seinen Ressoucen erfreuen.
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  20. So eine Nussecke wäre jetzt was richtig feines. Man muss sie natürlich gekonnt essen, sonst klebt einem die Marmelade an den Fingern wie Blut an der Hand eines Mexikanischen Kakerlakenmörders. Aufgrund der Ecken bei solchen Nussecken sollte man sich ähnlich vorsichtig wie Toblerone essen, diese leckere Schokolade, die die bösen Schweizer mit Zacken versehen haben, an denen man sich das dünne Häutchen zwischen Oberlippe und den oberen Schneidezähnen aufreißt. Ich nenne dieses Häutchen aus diesem Anlass auch gerne „Toblerone-Jungfernhäutchen“, denn das ist die Haut, die abhaut, wenn Toblerone-Vorhaut zuhaut, sprich wenn man wild und ungehemmt ein Stück Toblerone vernascht, sich diese Haut aufreißt und es dann blutet. Andererseits ist Toblerone-Schokolade mehr als nur ein wenig härter als jene in meinem Bericht schon erwähnten Nussecken.
  21. Frische Nussecken müssen schon durch die Berührung zarter, leidenschaftlicher Lippen ihre Oberflächenspannung verlieren. Der vielleicht noch etwas warme Mürbeteig muss sich biegen, nur ganz leicht, sodass die Nussecke nicht schon in der Hand zerläuft wie ein Jugendlicher bei der ersten heißen Nacht mit einem Mädchen, dass im Keller Waffeln backt, nachdem sie den Jungen in der helsinkianischen Herrensauna abgesetzt hat. Alles steht, die Frisur sitzt.
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  23. So eine Wand ist ja was Unscheinbares. Ich meine, man ist von ihnen umgeben (was jeden Klaustrophoben nur in gewissem Maße erfreuen dürfte), aber man macht sich kaum Gedanken über sie. Eigentlich ist die Wand nur ein Bauteil, wie wir Menschen, nur anders. Die Wand erfüllt ihren Job und beweist hoffentlich Standfestigkeit, ansonsten klebt man als Mensch ja mal schnell an der Decke. Wände bringen so irgendwie nicht viel, wenn man aber viele Wände hat, hat man schonmal was (das bleibt dem Leser jetzt selbst überlassen, ich lasse ihnen gerne viel Freiraum für Fantasie – stellen sie sich eine Bergwiese vor, saftig grün, ein einzelner Baum, im Hintergrund eine Wolkendecke in verschiedenen Grautönen mit regem Wind, der sich aber nicht auf die Wiese auswirkt – und da steht sie, eine graufarbene rechteckige Wand, aus Beton gegossen). Ein Mensch ist ja auch schonmal was tolles, aber viele Menschen sind mehr, logischerweise. Drei Menschen können in Deutschland beispielsweise einen Verein gründen, bei EINEM SPIEL reicht schon ein Depp aus, um eine Allianz zu gründen. Ist nur langweilig allein in einer Allianz. Die NPCs EINES SPIELS werden das sicher nicht bestätigen...
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  25. Verblüffend! Mir fiel gerade auf, ich sitze vor einer Ecke, und denke plötzlich an Nussecken, und an Mexikaner, die Kakerlaken um die Ecke bringen. Aber das ist doch mal interessant, woher kommt denn dieses Sprichwort „jemanden um die Ecke bringen“? Beruft es sich vielleicht auf eine perverse Gruppierung von Pfadfindern, die sich um alte Leute gekümmert haben, die beispielsweise über den Zebrastreifen gebracht oder in diesem Fall um eine Häuserecke herum wollten, dabei aber so extrem langsam waren, dass der Pfadfinder die alte Person einfach getötet hat? Stammt dieses Sprichtwort vielleicht auch aus Kreisen der italienischen Mafia, die Leute umbringen lassen hat, durch geübte Auftragskiller, die einen hinterrücks aus einer Ecke einer Gasse raus ermordet haben? Oder ist es ein Überbleibsel der mysteriösen Illuminaten?
  26. Merkwürdig, wenn das erste Argument der oberen Frage die Antwort wäre, frage ich mich, was es mit der Wortwendung „jemanden aus dem Verkehr ziehen“ auf sich hat, und das interessiert mich für den Moment brennend! Ich werde dies jetzt jedoch nicht mehr genauer erörtern, denn bedauerlicherweise endet hiermit mein Dienst an der Wand. Mein Boss wird so stolz auf mich sein, vielleicht verdiene ich mir hiermit sogar mehr als das Wissen, kostbare Freizeit mit diesem Bericht vergeudet zu haben. Aber ich habe es gern getan, und ich würde es immer wieder gern tun, so wie ich es letzten Sommer getan habe, und jeder weiß es...
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